Hilfe für müde Glocken
Mit einer neuen Methode kann der Klang von Kirchenglocken gerettet werden. Und zwar bevor sogenannte Ermüdungsrisse nicht nur zu schepperndem Sound, sondern auch kaputten Glocken führen. Das Verfahren hat zwei Vorteile: Es ist nicht aufwendig und gerade im "Glockenland" Bayern könnte es vorsorglich dabei helfen, historisch wertvolle Glocken zu erhalten.
Forschung

Hilfe für müde Glocken

Mit einer neuen Methode kann der Klang von Kirchenglocken gerettet werden. Und zwar bevor sogenannte Ermüdungsrisse nicht nur zu schepperndem Sound, sondern auch kaputten Glocken führen. Das Verfahren hat zwei Vorteile: Es ist nicht aufwendig und gerade im "Glockenland" Bayern könnte es vorsorglich dabei helfen, historisch wertvolle Glocken zu erhalten.

Beim Läuten setzen die Schläge des Klöppels Glocken hart zu, was auf Dauer zu Schäden führen kann. „Irgendwann entstehen Ermüdungsrisse, die den Klang unwiederbringlich zerstören können“, sagt Michael Plitzner. Er ist Geschäftsführer des Europäischen Kompetenzzentrums für Glocken an der Hochschule Kempten. Seit 2010 forscht er an einer Methode, um Schäden frühzeitig zu erkennen und Glocken dadurch länger haltbar zu machen.

Rettung durch Klanganalyse

Dazu wird der Klang des Glockenschlags vor Ort aufgezeichnet und die Aufnahme mithilfe eines Programms analysiert. Bislang ist das nur in Kempten möglich. Aber Plitzner will mit Unterstützung der Diözesen und Glockensachverständigen ein Programm entwickeln, das europaweit angewendet werden kann. Das neu entwickelte Verfahren hat zwei Vorteile: es ist nicht aufwendig und gerade in Deutschland sind historische Glocken geschätzt. Während der Kriege wurden mehrere zehntausend Kirchenglocken – etwa zwei Drittel des gesamten Bestandes – zerstört. Die verbliebenen haben daher einen besonderen historischen Wert. Mithilfe der Methode könnte anhand des Klangs von Glocken frühzeitig erkannt werden, ob sie durch den Klöppel in den kommenden Jahren beschädigt werden könnte. Möglich wäre beispielsweise eine jährliche Wartung, bei der Glocken klanglich untersucht werden.

Klöppel oder der Läutwinkel?

In Deutschland gibt es zirka 44.000 Kirchen, jede hat im Schnitt drei Glocken. Glockengießer Hanns Martin Rincker schätzt daher, dass es in Deutschland etwa 130.000 Glocken gibt. Genaue Zahlen gibt es aber nicht. Auch nicht darüber, wie viele womöglich kaputt sind. Stellen Experten bei der Klanganalyse einen Schaden fest, können sie für die Glocke ein schonenderes Läuten entwickeln. Dafür wird beispielsweise der Klöppel angepasst oder die Glocke so gedreht, dass sie durch den Anschlag weniger beansprucht wird. Der Glockensachverständige der Diözese Eichstätt, Thomas Winkelbauer, hat das neue Prüfverfahren bereits angewandt und ist davon überzeugt: „Was da entwickelt wurde, ist sensationell.“

Läuten bis die Glocke bricht

Plitzner ist als Geschäftsführer des Europäischen Kompetenzzentrums für Glocken an der Hochschule in Kempten tätig, wo ihm für seine Forschungen ein Schall- sowie ein werkstoffwissenschaftliches Labor zur Verfügung steht. Der Forscher und sein Team haben eigene Verfahren entwickelt, mit denen sie die Beanspruchung beurteilen können. Als sie das Verfahren entwickelten, hat das Team Glocken monatelang Tag und Nacht im Schalllabor geläutet, teilweise sogar bis zum Bruch. Abhängig vom Klöppel und der Wucht der Schläge hat es zwischen 300 und 1500 Stunden gedauert, bis die Glocke kaputt war. Durchschnittlich läuten Kirchenglocken zwischen 30 bis 40 Stunden im Jahr. Eine klassische Ausbildung zum Glockenforscher gibt es übrigens nicht. Plitzner selbst hat dafür sein Maschinenbau-Studium mit seinem Theologiestudium kombiniert.

Das Labor auf dem Gelände der Fachhochschule ist Bestandteil des Europäischen Kompetenzzentrums für Glocken. Nach einem mit EU-Mitteln geförderten Forschungsprojekt wurde es 2009 gegründet, um die Kulturgüter weiter zu erforschen. Nach Angaben der Fachhochschule ist diese Einrichtung europaweit einmalig.