Einseitige und antiisraelische Sicht der Welt? „Code Pink“-Aktivisten 2011 bei einer Demo in Washington. (Bild: Imago/UPI Photo)
Antisemitismus-Vorwurf

Bayreuther Stadtrat stoppt Toleranzpreis-Verleihung

Der Bayreuther Stadtrat hat die diesjährige Verleihung des Wilhelmine-Toleranzpreises zunächst ausgesetzt. Auch die Stadtrats-CSU sieht die geplante Verleihung an die US-amerikanische Gruppe "Code Pink" kritisch. "Code Pink" hatte sich laut der "Jerusalem Post" mit massiver Kritik an Israel und der Teilnahme an einer Konferenz von Holocaust-Leugnern in Teheran in die Nähe von Antisemiten begeben.

Der Bayreuther Stadtrat hat die diesjährige Verleihung des Bayreuther Wilhelmine-Toleranzpreises ausgesetzt. Nach 90-minütiger, intensiver Diskussion einigte sich der Stadtrat darauf, den Preis zunächst nicht zu vergeben und die Diskussion mit „Code Pink“ und wenn möglich der israelitischen Kultusgemeinde zu suchen. Im vergangenen Sommer hatte der Stadtrat der Gruppe den Preis noch einstimmig zuerkannt.

Die Auszeichnung sollte eigentlich im kommenden April an die US-Bürgerrechtsbewegung „Code Pink“ verliehen werden. Bei ihren Anhängern gilt „Code Pink“ als von Frauen gegründete pazifistische Bürgerrechtsbewegung, politisch weit links stehend. Doch hochrangige jüdische Vertreter haben den Verdacht, dass die Truppe extrem antiisraelisch eingestellt ist und mit Antisemiten kooperiert.

Netanjahu mit Hitler gleichgesetzt?

Rabbiner Abraham Cooper, der stellvertretende Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Los Angeles, hatte in der Jerusalem Post scharfe Kritik an „Code Pink“ geübt. So seien Aktivisten der Gruppe in einem Video zu sehen, in dem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Adolf Hitler gleichgesetzt werde.

Auch hätten sich Mitglieder der Gruppe an einer Konferenz von Holocaust-Leugnern in Teheran beteiligt. Mit der Entscheidung für „Code Pink“ als Preisträger entehre sich Bayreuth selbst und die Werte, für die dieser Preis stehe, erklärte Cooper. Tatsächlich sind im Internet Fotos zu sehen, auf denen „Code Pink“-Aktivisten Netanjahu auf Transparenten vorwerfen, ein Kriegsverbrecher zu sein.

Verleihung in der Schwebe

Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe (Bayreuther Gemeinschaft/BG) hatte die Verleihung nach der internationalen Kritik von sich aus ausgesetzt. „Bereits begründete Zweifel an der Eignung eines möglichen Preisträgers reichen meiner Meinung nach aus, um den Preis nicht zu verleihen“, erklärte die Oberbürgermeisterin.

Die Stadt Bayreuth sei sich ihrer hohen historischen Verantwortung bewusst. „Aus dieser Verantwortung heraus und aus Respekt vor den Opfern des Nationalsozialismus und im Wissen um die Geschichte halte ich es für richtig, die Preisverleihung nicht vorzunehmen“, so Merk-Erbe.

Stadtrat kritisiert Oberbürgermeisterin

Für dieses Vorpreschen wurde die Oberbürgermeisterin nun vom Stadtrat kritisiert. „Der Stadtrat Bayreuth rügte vor allem das unabgestimmte Vorpreschen der Oberbürgermeisterin mit Ihrer Pressemitteilung ohne vorherige Rücksprache mit den Fraktionen“, erklärt CSU-Fraktionschef Stefan Specht gegenüber dem Bayernkurier. Laut CSU-Fraktionsgeschäftsführer Klaus Klötzer hätten sich „viele Stadträte brüskiert über die Vorgehensweise der Oberbürgermeisterin“ gezeigt.

Das weitere Vorgehen sieht laut Fraktionschef Specht nun folgendermaßen aus: „In der Sache sollen die Antisemitismusvorwürfe gegen Code Pink noch näher verifiziert werden“, so Specht weiter. Angedacht sei möglicherweise eine Diskussion mit einem Vertreter der Israelischen Kultusgemeinde oder anderen jüdischen Organisationen und einer Vertreterin von „Code Pink“, bevor eine abschließende Entscheidung über die Aberkennung des Preises getroffen wird. „Eine Gegenüberstellung der beiden Parteien wird aber sicherlich interessant sein und enthebt den Stadtrat Bayreuth wenigstens von dem Vorwurf, eine leichtfertige oder vorschnelle Entscheidung getroffen zu haben“, teilt Specht weiter mit.

E-Mail von „Code Pink“ gibt Rätsel auf

Wie Klaus Klötzer, der CSU-Fraktionsgeschäftsführer, erwähnt, legte die Oberbürgermeisterin in der Stadtratssitzung eine E-Mail von Medea Benjamin vor, einer Mitbegründerin von „Code Pink“. Sie habe darin erklärt, dass „Code Pink“ gerne zu einem klärenden Gespräch bereit sei – und dass die Gruppe keineswegs antisemitisch denke und handle. Medea Benjamin habe auch darauf verwiesen, dass in der Gruppe auch sieben Jüdinnen mitwirkten.

Wer demokratische Regierungen mit Boykott und Blockade diskreditiert, aber über fragwürdige Regime von Chavez über Assad bis Putin den Mantel des Schweigens deckt, verdient nicht unbedingt einen Preis für Toleranz.

Stefan Specht, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayreuther Stadtrat

Allerdings stellte CSU-Fraktionschef Specht klar: „Ich selbst stehe der Verleihung weiterhin skeptisch gegenüber.“ So messe „Code Pink“ bei der Bewertung von Regimen offenbar mit unterschiedlichen Maßstäben, kritisierte Specht: „Ich bin der Auffassung, dass eine Organisation, die zwar gern demokratisch gewählte Regierungen mit Boykottmaßnahmen und Blockadeaktionen diskreditiert, über fragwürdige Verhaltensweisen autokratischer Regime von Chavez über Assad bis Putin aber lieber den Mantel des Schweigens deckt, nicht unbedingt einen Preis für Toleranz verdient.“

Jury ausschließlich universitär besetzt

„Code Pink“ war im Sommer 2015 für den mit 10.000 Euro dotierten „Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis für Toleranz und Humanität in kultureller Vielfalt“ ausgewählt worden. Der Preis wird seit 2008 im jährlichen Rhythmus auf Vorschlag der Universität verliehen: Die Jury ist also ausschließlich universitär besetzt. Frühere Preisträger sind unter anderem der Dirigent Daniel Barenboim, der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer und der Begründer der Leipziger Montagsdemonstrationen, Christian Führer.