Höchste Terrorwarnstufe in Brüssel: Polizei und Spezialkräfte kontrollieren Personen in der Innenstadt, das öffentliche Leben steht still. (Foto: imago/Belga)
Terrorgefahr

Maximale Warnstufe in Brüssel

Während das öffentliche Leben in Belgiens Hauptstadt Brüssel wegen der Terrorgefahr auch am dritten Tag in Folge stillsteht, fahndet die Polizei europaweit mit Hochdruck nach dem Drahtzieher der Pariser Terroranschläge. Die deutsche Polizei sucht nach einer aktiven Terrorgruppe, die mit den Anschlagsplänen gegen das Länderspiel Deutschland-Niederlande zu tun hat. Die Lage ist angespannt.

Die Terrorangst hat Brüssel fest im Griff. Am dritten Tag in Folge blieb die U-Bahn in Belgiens Hauptstadt komplett geschlossen, es fuhren nur Busse und Straßenbahnen. Zu Beginn der Arbeitswoche waren Schulen, Universitäten, Schwimmbäder und Kinderkrippen geschlossen.

Viele Einkaufszentren, große Geschäfte, Supermärkte, Banken und Versicherungen blieben ebenfalls zu. Märkte und Sportereignisse waren abgesagt. Viele Unternehmen empfahlen ihren Mitarbeitern, von zuhause zu arbeiten. Die Brüsseler EU-Institutionen waren geöffnet, allerdings galten verschärfte Sicherheitsvorkehrungen und Personenkontrollen.

Bei einem Polizeieinsatz am Sonntagabend waren 16 Verdächtige festgenommen worden – Abdeslam war jedoch nicht darunter. Es seien auch weder Waffen noch Explosivstoffe gefunden worden. Die maximale Terrorwarnstufe 4 in Brüssel gilt seit Samstagmorgen, weil die Behörden einen islamistischen Terroranschlag wie vor zehn Tagen in Paris befürchten.

Europaweite Fahndung nach Drahtzieher der Paris-Anschläge

Die Polizei fahndet derweil weiter nach Salah Abdeslam (26). Er ist der Bruder eines der Selbstmordattentäter vom 13. November und soll an den Anschlägen in Paris mit 130 Toten und Hunderten Verletzten beteiligt gewesen sein. „Die Operation ist noch nicht beendet, sie muss weitergehen“, sagte der belgische Innenminister Jan Jambon. Auf die Frage, wie der Gesuchte den Fahndern immer wieder entkommen könnte, antwortete der Minister: „Er muss sehr viel Unterstützung auf unserem Gebiet haben.“

Salah Abdeslam muss sehr viel Unterstützung auf unserem Gebiet haben.

Jan Jambon, Belgiens Innenminister

Den Angaben zufolge kam es bei den Einsätzen zu einem Zwischenfall, bei dem Polizisten auf ein Auto schossen. Der Fahrer erlitt Verletzungen und wurde gefasst. Zunächst war unklar, ob es eine Verbindung zu den Gesuchten gibt. Der 26-jährige Abdeslam, der bei den Anschlägen von Paris eine wichtige Rolle gespielt haben soll, ist wahrscheinlich weiter auf der Flucht. „Salah Abdeslam wurde bei den Einsätzen nicht gefunden“, sagte Van Der Sypt. Der Mann soll zwei Autos gemietet haben, die für die Anschläge genutzt wurden.

Hat sich der Terrorist nach Deutschland abgesetzt?

Mehrere belgische Medien berichteten ohne Quellenangabe, Abdeslam sei in einem Auto in der Nähe von Lüttich gesehen worden und Richtung Deutschland unterwegs. Er soll in den vergangenen Tagen mehrfach gesehen worden sein. In Belgien laufen bisher Strafverfahren gegen drei Verdächtige. Zwei von ihnen haben zugegeben, Abdeslam nach Paris und zurück nach Belgien gefahren zu haben. Sie bestreiten aber, an Gewaltverbrechen beteiligt gewesen zu sein.

Nach Abdeslam wird europaweit gefahndet. Er wurde in Brüssel geboren und war der Polizei zunächst als Kleinkrimineller bekannt, der im Stadtteil Molenbeek eine Bar betrieb. Das Viertel gilt als Islamistenhochburg. Abdeslams Bruder sprengte sich am 13. November bei der Anschlagsserie im Pariser Café „Comptoir Voltaire“ in der Luft. Ihr gemeinsamer Bruder Mohamed Abdelslam, der nicht an dem Massaker beteiligt war, forderte Salah zur Aufgabe auf.

Ist Hannover-Terrorgruppe weiter aktiv?

Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen offenbar davon aus, dass die Gruppe, die einen Anschlag auf das Länderspiel Deutschland-Niederlande am vergangenen Dienstag plante, tatsächlich besteht und immer noch zuschlagen könnte. Es handle sich anscheinend um einen minutiös geplanten Terrorangriff, der kurzfristig durch die Absage des Spiels gescheitert sei, berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) unter Berufung auf Sicherheitskreise.

Ein minutiös geplanter Terrorangriff in Hannover.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Der französische Geheimdienst hatte demnach dem Verfassungsschutz berichtet, eine Terroristengruppe wolle fünf Bomben in Hannover zünden, drei davon im Stadion, eine an einer Bushaltestelle und eine an einem Bahnhof. Es wurden auch Details zu den Mitgliedern der Gruppe mitgeteilt, darunter Namen. Laut FAS sind diese Namen den Sicherheitsbehörden bisher nicht bekannt gewesen. Man versuche nun, diese Personen zu finden. Dazu werden sogenannte Gefährder beobachtet.

Möglicherweise verhinderte Spielabsage die Anschläge

Zwar wurde in Hannover kein Sprengstoff gefunden. Doch das könne damit zusammenhängen, dass das Spiel so rechtzeitig abgesagt wurde, dass die Gruppe ihre Anschläge verschoben habe, heißt es. Die Ermittlungen in dem Fall hat der Generalbundesanwalt übernommen, für ihn soll das Bundeskriminalamt tätig werden. Es wird davon ausgegangen, dass das BKA auch zur Gefahrenabwehr tätig sein wird, wie es nach der Novelle des BKA-Gesetzes im Fall von internationalem Terrorismus möglich ist.

Die Gefahr ist groß, dass wir auch hier einen ähnlichen Anschlag erleben könnten.

Hoher Sicherheitsbeamter, in der FAS

Die Gefahr eines Anschlags in Deutschland wird in den Sicherheitsbehörden weiter als hoch eingeschätzt. „Mehrere Terroristen, die in Frankreich zuschlugen, waren Einheimische, und mehrere waren Syrien-Rückkehrer. Beides trifft auch auf viele radikale Islamisten in Deutschland zu. Deshalb ist die Gefahr groß, dass wir auch hier einen ähnlichen Anschlag erleben könnten“, zitierte die FAS einen ein hohen Sicherheitsbeamten.

Großbritannien sagt Frankreich Unterstützung für Luftschläge gegen IS zu

Frankreichs Präsident François Hollande und der britische Premierminister David Cameron gedachten vor dem Konzertsaal „Bataclan“ in Paris der Opfer der Terrorserie. Das Treffen war für Hollande der Auftakt zu einer Woche intensiver diplomatischer Bemühungen. Der Staatschef will eine breite internationale Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) schmieden. Dazu besucht der Franzose am Dienstag auch US-Präsident Barack Obama und am Donnerstag den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Cameron sagte Frankreich Unterstützung zu. Er äußerte am Montag nach dem Treffen mit Hollande in Paris die „feste Überzeugung“, dass die britischen Luftschläge gegen den IS auch auf Syrien ausgeweitet werden sollten. Dies sei aber eine Entscheidung des britischen Parlaments. Bislang beteiligen sich britische Piloten nur im Irak an den Angriffen einer internationalen Koalition auf IS-Stellungen.

Mein fester Eindruck ist, dass die internationale Gemeinschaft über alle Religionen und weltanschaulichen Grenzen hinweg jetzt verstanden hat, um was es geht.

Frank-Walter Steinmeier

Laut BBC will David Cameron zwei Schnelle-Eingreif-Brigaden zum verstärkten Kampf gegen den Terrorismus bilden. Die Truppen sollen jeweils 5000 Mann umfassen, weltweit einsatzbereit sein und bis 2025 ins Leben gerufen werden, berichtete der Sender vor der Vorlage eines Regierungsberichts mit dem Titel „Strategic Defence and Security Review“.

Steinmeier: Welt rückt zusammen gegen den Terror

Der Kampf gegen den islamistischen Terror wird die Welt nach Ansicht von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zusammenrücken lassen. „Der islamistische Terrorismus – und allen voran ISIS – ist eine Bedrohung für die Staatengemeinschaft als Ganzes“, sagte der SPD-Politiker. „Mein fester Eindruck ist, dass die internationale Gemeinschaft über alle Religionen und weltanschaulichen Grenzen hinweg jetzt verstanden hat, um was es geht.“

Steinmeier verwies auf die einstimmig verabschiedete Resolution des UN-Sicherheitsrats gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS oder auch ISIS), mit der die Vereinten Nationen ein klares Zeichen gesetzt hätten. An die arabische Welt appellierte der Außenminister, „dem islamistischen Terrorismus den ideologischen Nährboden zu entziehen“. Zugleich würden in Deutschland Maßnahmen der inneren Sicherheit verstärkt, auch gegen zurückkehrende Kämpfer aus Syrien, Unterstützer und Sympathisanten.

Scharfe Kontrollen zwischen Deutschland, Belgien, Luxemburg und Frankreich

Die schärferen Kontrollen in den rheinland-pfälzischen Grenzgebieten zu Belgien, Luxemburg und Frankreich bleiben vorerst bestehen. Nach den Anschlägen in Paris war das Personal der Bundespolizei und der rheinland-pfälzischen Polizei in diesen Regionen aufgestockt worden. Auch nach den Razzien in Belgien gelte höchste Vorsicht, hieß es.

dpa/Reuter/FAS/wog