Zaunbau: Stacheldraht an der Grenze von Slowenien zu Kroatien. Bild: Imago/Borna Filic/Pixsell
Migrantenkrise

Vor der nächsten Welle: Slowenien baut einen Zaun

Aus Sorge, dass demnächst Österreich seine Grenzen für Migranten schließen könnte, bauen jetzt auch die Slowenen einen Zaun entlang ihrer Grenze zu Kroatien. Unterdessen schwillt der Migrantenstrom wieder an: Griechenland hat erneut Zehntausende Migranten auf die Balkanroute geschleust. An der türkischen Küste spricht man schon von einem Flüchtlingsansturm.

„Gegenwärtig gilt unsere Verantwortung zuallererst unseren eigenen Bürgern.“ Das hat nicht etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt. So spricht Sloweniens Ministerpräsident Miro Cerar. Er hat Grund zur Sorge: Die Migrantenzahlen sind anhaltend hoch und steigen sogar wieder, obwohl der Winter im Anrollen ist. Gleichzeitig wächst entlang der Balkanroute die Furcht, dass das Migranten-Zielland Deutschland an die Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit stößt – und damit beginnen könnte, Migranten abzuweisen.

Slowenische Vorsichtsmaßnahme

Aus Vorsicht nehmen darum auch die Slowenen an bestimmten Abschnitten ihrer Grenze zu Kroatien den Bau eines Grenzzauns in Angriff. Noch nicht, um die Grenze so zu sperren, wie es Budapest getan hat, sondern um den Migrantenstrom zu steuern, erklärt Sloweniens Innenminister Bostjan Sefic: „Diese Barrieren haben  nicht den Zweck, Einreisen nach Slowenien zu verhindern oder drastisch zu verringern … Sie sollen den Migrantenstrom zu bestimmten Eingangspunkten lenken.” Es gehe darum, einen kontrollierten und sicheren Zugang für Flüchtlinge zu gewährleisten und eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, erklärt auch Cerar.

Slowenien will zu keinem Zeitpunkt mehr Migranten im Lande haben, als es unterbringen und versorgen kann.

Das kleinste Land (zwei Millionen Einwohner) an der Balkanroute verfüge nicht über die Ressourcen, um im harten Balkan-Winter große Zahlen von Migranten unterzubringen, wenn auch Österreich seine Grenze schlösse, gibt die Presseagentur Reuters den Premier wieder. Eine kluge Vorsichtsmaßnahme: Slowenien will zu keinem Zeitpunkt mehr Migranten im Lande haben, als es unterbringen und versorgen kann. Seit Mitte Oktober sind etwa 180.000 Migranten nach Slowenien eingereist und haben das Land auf dem Weg nach Österreich und Deutschland durchquert.

Kroatisches Misstrauen

Sloweniens Grenze soll also offen bleiben, betont Cerar. Der Zaun solle nur verhindern, dass Migranten irgendwo unkontrolliert die Grenze überschreiten. Auf der kroatischen Seite traut man trotz der mehrfachen slowenischen Versicherungen dem Frieden nicht so recht. Kroatiens Innenminister Ranko Ostojic erklärt denn auch den slowenischen Zaunbau für Geldverschwendung: „Es wäre besser, sie würden Aufnahmezentren bauen, so wie wir.” Ostojic weiter: „Kein Draht kann die Leute aufhalten, und es ist besser ihren Weg zu organisieren.” Nach Deutschland, meint er. Dazu kommen zwischen Kroatien und Slowenien entlang ihrer 670 Kilometer langen Grenze noch unausgeräumte Gebietsstreitigkeiten: Zagreb forderte Slowenien auf, Teile des Zauns abzubauen, die angeblich auf kroatischem Territorium verliefen.

Die nächste Welle rollt schon

Unterdessen ist nach dem Ende des fünftägigen Streiks der griechischen Fährschiffer der Migrantenstrom über den Balkan wieder sprunghaft angewachsen. Am gestrigen Mittwoch sind mit drei Fähren mindestens 3000 Migranten in Piräus angekommen. Am Dienstag erreichten über 6000 Migranten das griechische Festland. Bis zum vergangenen Montag sollen Presseberichten zufolge sogar schon über 20.000 Migranten von den Ägäis-Inseln abgeholt worden sein. Sie alle sind jetzt natürlich noch auf der Balkanroute unterwegs. Ebenfalls schon am Montagmorgen warteten an der griechisch-mazedonischen Grenze über 10.000 Migranten auf die Weiterreise. Der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR zufolge sind am vergangenen Dienstag 9000 Migranten in Serbiens Süden angekommen. Am Mittwoch warteten auf der mazedonischen Seite der Grenze 3000 weitere auf die Möglichkeit zum Grenzübertritt.

Innerhalb der nächsten zwei Wochen könnten 100.000 Menschen den Weg durch Slowenien suchen.

In der Regel dauert die Reise von den Ägäis-Inseln bis nach Slowenien drei bis vier Tage. In Kroatien wurden bis zum vergangenen Sonntagabend etwa 5500 Neuankömmlinge gezählt, 2100 andere warteten an der slowenischen Grenze auf ihren Weitertransport, 2100 weitere waren schon nach Slowenien eingereist. In Österreich kamen ebenfalls am vergangenen Sonntag 2100 Migranten an. Die meisten von ihnen dürften inzwischen Deutschland erreicht haben. Am vergangenen Wochenende kamen mit etwa 13.000 Migranten etwas weniger als zuvor über Bayerns Grenzen. Jetzt werden die Zahlen wieder steigen. Am Dienstag in der Frühe verzeichneten die Slowenen schon wieder deutlich über 5000 Neuankömmlinge. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge befürchtet Sloweniens Premierminister Cerar, dass innerhalb der nächsten zwei Wochen 100.000 Menschen den Weg durch Slowenien suchen könnten. In Wien rechnet man mit täglich bis zu 10.000 Migranten. Österreichs Innenministerin Johann Mikl-Leitner sprach von 30.000 Migranten, die derzeit auf der Balkanroute unterwegs seien. Und alle kennen nur ein Ziel: Deutschland.

Ich gehe davon aus, dass die Flüchtlingswelle noch größer wird.

Bürgermeister an der türkischen Ägäisküste

Ganz im Süden hält derweil der Druck an. Nach Presseberichten haben am Dienstag schon wieder über 5000 Flüchtlinge aus der Türkei die Inseln der Ostägäis erreicht. Die Presseagentur dpa zitiert den Bürgermeister eines Ortes an der türkischen Küste gegenüber der Ägäis-Insel Lesbos, der von einem „Flüchtlingsansturm“ spricht: „Ich gehe davon aus, dass die Flüchtlingswelle noch größer wird.“ Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zufolge sollen in diesem Jahr schon etwa 650.000 Migranten aus der Türkei über die Ägäis Griechenland erreicht haben. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat bislang 1,2 Millionen Grenzübertritte registriert – vier Mal so viele wie im ganzen Jahr 2014.