China ist zu einer High-Tech-Nation aufgestiegen. Mit dem Programm "Made in China 2025" möchte die Regierung in Zukunft die führenden Industrienationen überflügeln. (Bild: Imago)
China

Das Ende der Ein-Kind-Politik

Nach mehr als drei Jahrzehnten hat China die umstrittene Ein-Kind-Politik abgeschafft. In einem Kommuniqué zum Abschluss der Sitzung des ZK der Kommunistischen Parteihieß es, künftig werde allen Paaren zwei Kinder erlaubt. Die überraschende Wende in der staatlich verordneten Familienpolitik erfolgte als Reaktion auf die schnelle Alterung des Milliardenvolkes und die rückläufige Geburtenrate.

Die Volksrepublik zählt heute mehr als 1,3 Milliarden Menschen. Bereits Ende 2013 gab es eine Lockerung der Ein-Kind-Politik. Danach durften Paare, von denen einer der Partner ein Einzelkind ist, schon zwei Kinder haben. Dieser Schritt hatte aber nicht zu dem erhofften Babyboom geführt. Auf seiner viertägigen Sitzung hatte das hohe Parteigremium den neuen Fünf-Jahres-Plan beraten, der im März vom Volkskongress gebilligt werden soll.

Angesichts hoher Mieten und teurer Schulbildung fürchten viele Paare ohnehin, dass sie sich kein zweites Kind leisten können. „Nur wenn auch die Kosten, ein Kind aufzuziehen, gesenkt werden können, wird diese neue Politik funktionieren“, hieß es in spontanen Reaktionen in Internetforen. „Ändern dürfte sich die Geburtenrate nur geringfügig“, sagte auch Matthias Stepan vom China-Institut Merics in Berlin. „Der Plan bestimmt schon lange nicht mehr die Familienplanung, sondern der Markt.“ Aufgrund der hohen Kosten für Schule und Ausbildung können es sich nur noch wenige leisten, ein zweites oder gar drittes Kind zu erziehen.

Die Ein-Kind-Politik war wegen ihrer strengen Umsetzung mit Zwangsabtreibungen bis spät in der Schwangerschaft, der Tötung von weiblichen Neugeborenen besonders auf dem Land und anderer Übergriffe immer heftig umstritten. Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch begrüßte die Abschaffung auch als „Schritt in die richtige Richtung“, wie Sophie Richardson der Deutschen Presse-Agentur sagte. Doch bedeute die Zulassung der Zwei-Kind-Familie nicht, dass es jetzt Fortpflanzungsfreiheit in China gebe, sagte die in New York ansässige Expertin. „Der Staat greift aus unserer Sicht weiter willkürlich und unnötig in die reproduktiven Rechte der Menschen ein.“

Das Ziel von 1979: Die Bevölkerungsexplosion eindämmen

Die Ein-Kind-Politik war 1979 eingeführt worden. Das wachsende Riesenvolk musste ernährt und die knappen Ressourcen geschützt werden. Ohne die strikte Familienpolitik würden heute in China nach offiziellen Angaben schätzungsweise 300 Millionen Menschen mehr leben. Mit vielen Ausnahmen für Minderheiten oder Bauern betrafen die Regeln aber nach Angaben von Experten nur noch ein Drittel der Paare. Wegen der traditionellen Bevorzugung von Jungen durften Bauern, die als erstes ein Mädchen bekommen hatten, noch mal versuchen, einen männlichen Stammhalter zu bekommen. Gewitzte Chinesen fanden auch Wege, die Beschränkungen zu umgehen. Wer genug Geld hat, zahlte häufig einfach die Strafen, die bei einem zweiten Kind verhängt werden. Die Höhe war je nach Region unterschiedlich.

Chinas Akademie der Sozialwissenschaften hatte schon im Sommer laut Medienberichten eine Zwei-Kind-Lösung als Antwort auf die älter werdenden Gesellschaft und die geringe Geburtenfreudigkeit vorgeschlagen. Jede Chinesin bekommt demnach im Schnitt weniger als 1,6 Kinder – zum Vergleich: in Deutschland liegt dieser Wert bei 1,4. Für eine stabile Bevölkerungsentwicklung sei eine Quote von 2,1 nötig, hieß es weiter.