Krisen überall: Fußballverbände im Wandel. (Bild: Fotolia, 103tnn.)
FIFA-Skandal

Fußball ohne Kopf

Der Weltfußball ist auf seinem vorerst tiefsten Punkt angekommen: Gegen den Präsidenten des Weltfußballverbandes FIFA, Sepp Blatter, wurde wie gegen den Europa-Chef und FIFA-Präsidentschaftskandidaten Michel Platini eine 90-Tages-Sperre verhängt. Das bedeutet, dass die wichtigsten Fußballfunktionäre der Welt kein Fußballstadion mehr betreten oder mit einem Fußballvertreter reden dürfen.

Einer will aber immer noch nicht aufgeben, obwohl er weltweit für den krassen Ansehensverlust der FIFA durch unzählige Korruptionsaffären verantwortlich gemacht wird: FIFA-Präsident Joseph Blatter. Er wehrt sich nach Beratung mit seinen Anwälten gegen die 90-Tage-Sperre durch die Ethikkommission des Fußball-Weltverbands. Ein Einspruch gegen das Urteil sei am Donnerstag eingereicht worden, teilte Blatters Anwalt Richard Cullen der Deutschen Presse-Agentur am frühen Morgen mit. Über diesen muss nun die FIFA-Berufungskommission unter dem Vorsitzenden Larry Mussenden von den Bermudas befinden. Blatter hatte die FIFA-Zentrale auf dem Zürichberg am Donnerstagabend verlassen.

Beide wehren sich gegen Sperre

Blatter sei „enttäuscht, dass die Ethikkommission nicht dem Ethik- und Disziplinarcode gefolgt ist, die beide die Möglichkeit schaffen, angehört zu werden“, hatten seine Rechtsvertreter bereits zuvor erklärt. In dem schriftlichen Einspruch werde zudem beklagt, dass Blatter erst von dem Bann erfahren habe, nachdem die FIFA ihn veröffentlichte, berichtete die „New York Times„. Die FIFA-Ethikkommission hat das bereits zurückgewiesen, Blatter sei am 1. Oktober sehr wohl gehört worden. Zunächst hatte sein Berater Klaus J. Stöhlker noch erklärt, ein Einspruch mache „keinen Sinn“. Auch UEFA-Präsident Michel Platini, der ebenfalls für 90 Tage suspendiert worden war, wehrt sich gegen die Sanktion und hatte eine Berufung angekündigt. Dieser muss binnen zwei Tagen eingelegt und danach innerhalb einer Woche schriftlich begründet werden.

Es geht um dubiose Zahlungen und Geschäfte

Der Bann gegen Blatter und UEFA-Boss Platini, die sich heute als Gegner gegenüberstehen, kann noch um maximal 45 Tage ausgedehnt werden, während dieser Zeit sind beide Top-Funktionäre von allen Fußball-Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene ausgeschlossen. Die Sanktionen gegen die beiden sind die Resultate der Ermittlungen der Ethik-Untersuchungskammer, detaillierte Gründe darf das Gremium nicht veröffentlichen. Der Hintergrund ist jedoch längst bekannt: Die Schweizer Bundesanwaltschaft hatte vor zwei Wochen ein Strafverfahren gegen Blatter unter anderem wegen des Verdachts der „ungetreuen Geschäftsbesorgung“ eingeleitet. Im Kern geht es um eine Millionen-Zahlung an Platini und TV-Geschäfte mit dem früheren FIFA-Vize Jack Warner, der WM-Rechte für die Karibik für 600.000 Dollar und damit deutlich unter dem Marktwert erhalten haben soll. Platini erhielt 2011 auf Weisung Blatters zwei Millionen Schweizer Franken als angeblichen Restbetrag für eine Arbeit für die FIFA von 1998-2002 – jedoch erst neun Jahre danach. Warum Platini diese Forderung so spät erhob, erklärt er wenig glaubhaft mit damaligen Finanznöten der FIFA – die aber laut Presseberichten in dieser Zeit Millionengewinne einfuhr. Hier stellt sich zudem, wenn man diese Behauptung Platinis überhaupt für wahr hält, noch die Frage, ob die Forderung nicht schon verjährt war, womit die Auszahlung rechtswidrig gewesen wäre. Was wiederum auf Blatter zurückfallen würde.

Im Teufelskreis

Und der Teufelskreis rotiert munter weiter: Blatter wird vorerst von dem dienstältesten FIFA-Vize Issa Hayatou aus Kamerun im höchsten Amt des Weltfußballs vertreten, der jedoch selbst mit zahlreichen Affären verbunden wird. Die UEFA verzichtete überraschend vorerst darauf, einen Interimspräsident als Ersatz für den suspendierten Platini zu berufen. Dem Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union sei „bewusst, dass der UEFA-Präsident sofort alle notwendigen Schritte unternehmen wird, um gegen die Entscheidung der FIFA-Ethikkommission Einspruch einzulegen und sich zu rehabilitieren“, hieß es in einer Mitteilung. Für kommenden Donnerstag ist in Nyon ein Dringlichkeitstreffen des Exko angesetzt. Platinis Kandidatur für Blatters Nachfolge im Februar 2016 dürfte damit in weite Ferne rücken. Der Deutsche Fußballbund DFB scheint bereits von dem Franzosen abzurücken. Und auch der FIFA-Boss dürfte es nun schwerer haben, seinen Nachfolger selbst auszuwählen. Andererseits scheint in der chronisch korrupten FIFA nichts unmöglich zu sein.

(dpa)