EU ringt um Aufnahme-Quoten
Die EU-Außenminister suchen in Luxemburg nach einer Lösung im Asylstreit. Während Deutschland und Frankreich neuerdings gemeinsam feste Aufnahme- und Verteilungsquoten für Kriegsflüchtlinge unter allen 28 EU-Staaten fordern, zeigen sich die osteuropäischen Länder weiter hartleibig. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber fordert ein EU-Sofortprogramm zur Verteilung der Lasten.
Asylpolitik

EU ringt um Aufnahme-Quoten

Die EU-Außenminister suchen in Luxemburg nach einer Lösung im Asylstreit. Während Deutschland und Frankreich neuerdings gemeinsam feste Aufnahme- und Verteilungsquoten für Kriegsflüchtlinge unter allen 28 EU-Staaten fordern, zeigen sich die osteuropäischen Länder weiter hartleibig. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber fordert ein EU-Sofortprogramm zur Verteilung der Lasten.

Die EU-Außenminister beraten in Luxemburg über die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Schwerpunkt der zweitägigen Gespräche soll die Situation in den Herkunfts- und Transitstaaten sein. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte vor einer Spaltung Europas wegen des Ansturms an Asylbewerbern. „Wir werden diese Aufgabe nicht bewältigen, wenn wir nicht aufhören, mit dem Finger jeweils auf den Nachbarn zu zeigen“, sagte Steinmeier zum Auftakt des Treffens.

„Gegenseitige Schuldzuweisungen werden nicht dazu führen, dass wir das Problem in den Griff kriegen. Europa darf sich auch im Angesicht einer solchen Herausforderung nicht auseinanderdividieren lassen“, so Steinmeier. Die EU streitet seit Monaten über dieses Thema. Bisher war selbst eine freiwillige Verteilungsquote, wie sie im Mai von der EU beschlossen worden war, am Widerstand vor allem osteuropäischer Länder gescheitert.

Deutschland und Frankreich starten gemeinsame Quoten-Initiative

Deutschland und Frankreich starteten unterdessen eine gemeinsame Initiative für verbindliche Aufnahmequoten. Mit der gemeinsamen Initiative fanden Deutschland und Frankreich erstmals einen gemeinsamen Kurs in der Flüchtlingskrise. Wirtschaftskraft und Größe eines Landes müssten bei einer solchen Quote „natürlich“ beachtet werden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Besuch in der Schweiz. Deutschland habe in dieser Frage eine „Vielzahl von Verbündeten“.

Frankreichs Präsident François Hollande sprach in Paris von einem „permanenten und verbindlichen Mechanismus“ für die Aufnahme. Frankreich hatte feste Quoten bisher immer abgelehnt. Allerdings bemängeln Kritiker, Frankreich könne die Zustimmung zu einer festen Quote sehr leicht zusagen, könne es doch sicher sei, dass diese letztlich sowieso an den osteuropäischen EU-Staaten scheitern werde.

Osteuropäische Staaten bleiben hart

Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk sprach sich dafür aus, deutlich mehr Flüchtlinge umzuverteilen als bislang vorgesehen. „Was wir brauchen, ist eine faire Verteilung von mindestens 100.000 Flüchtlingen unter den Mitgliedstaaten“, sagte der Pole. Am Nachmittag kommen in Prag die Regierungschefs von Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn zusammen, um ihre Flüchtlingspolitik abzustimmen. Diese vier sogenannten Visegrád-Staaten waren zuletzt scharfer Kritik ausgesetzt, weil sie verbindliche Quoten ablehnen.

Die geltende Dublin-Verordnung besagt, dass Flüchtlinge dort ihr Asylverfahren durchlaufen, wo sie zuerst europäischen Boden betreten. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hatte jedoch darauf hingewiesen, dass der Großteil der in Ungarn ankommenden Flüchtlinge weiter nach Deutschland will und von einem „deutschen Problem“ gesprochen. Am 14. September kommen die Innen- und Justizminister der 28 EU-Staaten zu einem Sondertreffen zusammen, um über den Verteilungsstreit zu beraten. Als zuständige Institution will bis dahin auch die EU-Kommission neue Vorschläge zur Verteilung von Flüchtlingen vorlegen. Die USA stellten klar, Europa müsse mit der wachsenden Flüchtlingszahl aus dem Mittleren Osten und Nordafrika selbst fertig werden.

Ferber: Dublin-Abkommen am Ende

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber forderte die Visegrád-Staaten zum Einlenken auf: „Ich hoffe, dass die mittelosteuropäischen Staaten angesichts der Entwicklung in Ungarn ihre Blockadehaltung endlich aufgeben. Alle Mitgliedsstaaten müssen jetzt an einem Strang ziehen und nach ihren Möglichkeiten helfen.“ Ferber wähnt das Dublin-Abkommen am Ende: „Die Vorgänge in Budapest zeigen: das Dublin-System hat noch nie funktioniert und ist jetzt definitiv am Ende. Ungarn hat ein Ventil geöffnet, das nach den europäischen Spielregeln nicht geöffnet werden darf. Das erhöht den Leidensdruck auf andere massiv.“

Ferber fordert ein EU-Sofortprogramm zur Verteilung der Lasten. „Darin muss eine Quoten-Regelung zur fairen Verteilung der Flüchtlinge enthalten sein sowie die rasche Überarbeitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten.“ Letzteres allein, so Ferber, „würde die gesamte Lage schon massiv entschärfen. Wer vom Westbalkan kommt, wird nicht systematisch verfolgt und hat damit auch keine Chance auf Asyl. Die dringend benötigten Plätze für Kriegsflüchtlinge werden damit rascher frei und die Kommunen entlastet.“

Humanitäre Hilfe für Anrainerstaaten Syriens gefordert

Markus Ferber fordert zudem humanitäre Hilfe für Länder die an das Konfliktgebiet Syrien angrenzen. „Diese Staaten kümmern sich um hunderttausende Syrien-Flüchtlinge. Diese Menschen wollen in der Nähe ihrer Heimat bleiben und dahin baldmöglichst zurückkehren. Wir müssen in Jordanien und der Türkei helfen Flüchtlinge besser zu betreuen, um vor Ort Perspektiven zu schaffen.“

„Jeder dieser Aspekte muss als Teil einer umfassenden Strategie für die Neuausrichtung der Außen- und Nachbarschaftspolitik betrachtet werden. Eine Europäische Flüchtlingspolitik kann nur gelingen, wenn wir jenseits des europäischen Tellerrands die Fluchtursachen bekämpfen. Die Außen-, Handels- und Entwicklungspolitik muss zu einem einheitlichen Ansatz vereint werden“, so Ferber. „Nur das Angebot einer engen wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit der EU wird helfen Reformen anzustoßen. Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) war gut gemeint, aber an ihrer Umsetzung gescheitert. Vorhandene Instrumente und finanzielle Mittel liegen seit Jahren brach.“ Die EU-Kommission wird kommenden Dienstag in Straßburg ihre Vorschläge vorstellen. Außerdem wird das Europäische Parlament eine Resolution verabschieden.

UNO besorgt wegen des EU-Streits

Die Vereinten Nationen verfolgen den Streit der Europäer über die Aufnahme von Flüchtlingen mit Sorge. Der zuständige UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, appellierte an die EU, sich auf Verteilung von bis zu 200.000 Flüchtlingen auf die Mitgliedstaaten nach verbindlichen Quoten zu einigen. Zugleich müssten ausreichende Erstaufnahmezentren geschaffen werden, forderte Guterres in Genf. „Solidarität kann nicht allein in der Verantwortung einiger weniger EU-Staaten liegen», erklärte der UN-Hochkommissar mit Blick auf das EU-Außenministertreffen zur Flüchtlingskrise in Luxemburg.

Insbesondere Griechenland, wo der größte Teil der Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenländern wie Syrien, dem Irak und Afghanistan ankämen, brauche Hilfe, so Guterres. Die EU müsse „dringende und mutige Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu stabilisieren“. Danach komme es darauf an, Wege zu finden, um mittelfristig die Zuständigkeiten für die Bewältigung der Flüchtlingskrise fair zu teilen. „Die EU muss bereit sein, mit der Zustimmung und Unterstützung der direkt betroffenen Regierungen – vor allem jener von Griechenland, Ungarn und Italien – adäquate Kapazitäten für die Erstaufnahme, Unterstützung und Registrierung zu schaffen.“

Profiteure des Streits: Die Schlepperbanden

Von eine fehlenden gemeinsamen Reaktion Europas würden einzig und allein Schlepper und Menschenschmuggler profitieren. Eine stärkere internationale Kooperation beim Kampf gegen Schlepperbanden sei unbedingt nötig. Zugleich müssten all jene Migranten, die nicht auf internationalen Schutz angewiesen sind und keine Aussicht auf legale Einwanderung haben, Unterstützung für eine rasche Rückkehr erhalten. Dies müsse unter voller Respektierung ihrer Menschenrechte erfolgen.

Guterres sagte, insgesamt hätten in diesem Jahr bereits mehr als 300.000 Menschen bei gefährlichen Bootsfahrten über das Mittelmeer ihr Leben riskiert, mehr als 2600 seien dabei umgekommen – unter ihnen der erst drei Jahre alte syrische Bub Aylan. „Nachdem sie Europas Küsten oder Landgrenzen erreicht haben, erleben die Menschen auf ihrer weiteren Reise chaotische Zustände, erdulden Erniedrigungen, Ausbeutung und Gefahren“, kritisierte der UN-Hochkommissar. Zugleich lobte er „die selbstlose Großherzigkeit vieler Bürger und Hilfsorganisationen“.

dpa/wog