Dauerkrise in Griechenland – von wo kann Rettung kommen? Bild: Fotolia, Jenifoto
Griechenland

Könnten US-Konzerne Griechenland retten?

Ein unorthodoxer Gedanken: Apple, Microsoft und ein paar andere US-Unternehmen könnten mit nur der Hälfte ihrer Barvermögen Griechenlands Verschuldung auf ein tragbares Maß reduzieren – und dabei sogar Geld verdienen. Das sonst absolut ernsthafte US-Magazin Bloomberg macht den absurd klingenden Vorschlag. Aber absurder als die Realität in Griechenland ist er kaum.

Könnte Apple Griechenland retten? Die Frage stellte vor gut vier Wochen Leonid Bershidsky, ein origineller, immer lesenswerter Kopf im US-Nachrichtenunternehmen Bloomberg. Er schreibt sonst sehr klug über Russland. Tatsächlich ist die Frage vor drei Jahren schon einmal gefallen, auf einer Apple-Aktionärsversammlung. „Wir haben uns schon viel überlegt, aber das noch nicht“, so oder so ähnlich hat Apple-Chef Tim Cook damals geantwortet, und jeder hat sich amüsiert. Aber das war es dann auch.

Bloomberg-Kommentator Bershidsky erinnert sich jetzt daran und strickt die Idee weiter – sogar recht ernsthaft. Über Geld macht man auch keine Witze, schon gar nicht mit Leuten, die keines mehr haben, wie die Griechen. Über Griechenland haben in den vergangenen fünf, sechs Dauerkrisenjahren schon viele Leute viel geschrieben. Nur, herausgekommen ist dabei wenig. Es kann kein Schaden sein, einmal, wie Amerikaner sagen: „out of the box“ zu denken, also abseits der üblichen intellektuellen Trampelpfade. Und völlig abwegig ist die Bloomberg-Idee nicht einmal. Es ist so amüsant wie lohnenswert, Bershidskys unorthodoxe Griechenland-Überlegung zu verfolgen.

US-Unternehmen sitzen auf 1,7 Billionen Dollar in bar – und wissen nicht wohin damit

Denn zumindest die Zahlen machen den Gedanken einer Griechenland-Rettung durch Apple wenn nicht plausibel so doch denkbar: Der Computer- und Mobiltelefon-Gigant schwimmt im Geld und weiß nicht wohin damit. 2012 hatte Apple knapp 100 Milliarden Dollar Bargeld in der Kasse. Heute sind es fast 200 Milliarden. Fast darf man Apple als große Bank mit digitalem Nebengeschäft beschreiben, die nicht weiß, wo sie ihre Milliarden anlegen soll. Solange Apple nicht anfängt, Autos zu bauen oder Raumschiffe, meint Bershidsky, wird es weiter zwei und dreistellige Milliardenbeträge stapeln müssen.

Und nicht nur Apple geht es so. Amerikanische Firmen außerhalb des Finanzgewerbes sitzen derzeit auf sage und schreibe 1,7 Billionen (oder: 1700 Milliarden) Dollar in bar. Die 50 größten dieser Unternehmen verfügen über 1,1 Billionen Dollar, alles in bar. Apple, Microsoft, Google, der Pharmakonzern Pfizer und der Telekommunikationsriese Cisco allein haben 439 Milliarden Dollar flüssig, liest man bei Bloomberg. Für die Unternehmen ärgerlich: Das meiste Geld steht in den Büchern von Filialen in Übersee. Wenn die Konzernmütter die Gewinne jetzt repatriieren wollten, müssten sie in den USA 35 Prozent Steuern zahlen, weiß Bershidsky.

Fünf Firmen könnten mit nur der Hälfte ihres Barvermögens Griechenland retten

Viel besser wäre es für alle Beteiligten – außer vielleicht für den US-Finanzminister – das viele Geld gleich im Ausland zu verwenden. Und warum nicht in Griechenland? Mit 212 Milliarden Dollar könnte Athen seine Schulden von heute 180 Prozent auf tragbare 70 Prozent seiner Wirtschaftsleistung zurückführen. Wenn die genannten fünf High-Tech-Riesen also diese 60 Prozent der griechischen Schulden übernähmen, würde sie das „nur“ 48 Prozent ihrer Bargeldbestände kosten – und nur 13 Prozent mehr als sie in den USA für ihre Auslandsvermögen an Steuern zahlen müssten, errechnet Bershidsky.

Für die Unternehmen könnte die Investition durchaus attraktiv sein. Athen müsste ihnen dafür steuerliche Sonderkonditionen einräumen, ungefähr so wie sie Apple in Irland – noch – genießt. Die EU will dagegen jetzt vorgehen. Aber, erinnert Bershidsky, die EU ist auch einer der größten Gläubiger Griechenlands. Für US-Unternehmen, die ihr bei dem unendlichen – und Euro-gefährdenden –  Griechenland-Problem helfen wollten, würde sie wahrscheinlich eine Ausnahme machen. Klug wäre das jedenfalls. Auch die USA würden wohl mit sich reden lassen: Washington hält einen Kapitalanteil von 16,75 Prozent am Internationalen Währungsfonds (IWF) und hat auch viel Geld zu verlieren, wenn Griechenland Bankrott geht und seine IWF-Kredite nicht zurückzahlt. Um der Stabilität der ohnehin fragilen südost-europäischen Region am Schnittpunkt mehrerer weltpolitischer Krisen willen möchten die USA zudem den griechischen Euro-Ausstieg – Grexit – unbedingt verhindern.

High-Tech-Chance für Griechenland

Für Griechenland gäbe es endlich eine echte Wettbewerbs- und Wachstumschance: Bislang war dort ein Coca-Cola-Abfüller das größte Unternehmen. Mit Bershidskys Idee erhielte es zur Schuldenübernahme außerdem die Europa-Zentralen großer amerikanischer High-Tech-Firmen. Der Bloomberg-Kommentator sieht schon ein eindrucksvolles Technologie-Cluster entstehen, um das herum sich Zulieferer und Dienstleister ansiedeln und Arbeitsplätze generieren. Die Unternehmen würden zudem längst fällige Strukturreformen – etwa der ineffizienten griechischen Verwaltung – erzwingen. Kein Druck der europäischen Geldgeber hat das bisher geschafft.

Die Idee vom bailing-out Griechenlands durch US-Konzerne mit zuviel Bargeld klingt tatsächlich wie eine perfekte win-win-Strategie. Alle könnten damit glücklich werden: Die EU-Staats- und Regierungschefs dürften nach einem halben Jahrzehnt endlich den ersten Gipfel zelebrieren, bei dem es nicht um Griechenland geht. Apple und Co. würden Steuern sparen und Geld verdienen. Ihre Manager würden es sich bei Moussaka und Ouzo an der Ägäis unter mediterraner Sonne gut gehen lassen – und dabei hoffentlich innovativ bleiben. Die Griechen würden dem Deal in jedem Referendum zustimmen, ist sich Bershidsky sicher.

Aber in Athen sitzt eine kommunistische Regierung

Problem: Außer ihm ist noch niemand auf die Idee gekommen. Was vielleicht kein Zufall ist: In Athen sitzt eine kommunistische Regierung, die für Großkonzerne nur sozialistische Sprüche übrig hat und alles andere als wirtschaftsfreundlich ist. Aber auch auf der Seite der europäischen Kreditgeber gibt es Regierungschefs oder Regierungsparteien, die sich gerne antikapitalistisch gerieren und eben nicht „out-of the box“ denken. „Ich mag die Reichen nicht“ – mit dem Satz hat etwa Frankreichs Präsident François Hollande eine Wahl gewonnen. Jedenfalls hat er das zwei Jahre lang geglaubt und dann Politik gegen sogenannte Reiche und gegen Konzerne gemacht. Viel klüger wäre es jetzt, das Geld der Reichen und der Konzerne zu  nutzen – in Griechenland. Wer schickt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den so unterhaltsamen wie nachdenklich machenden Bloomberg-Kommentar?

http://www.bloombergview.com/articles/2015-05-11/apple-could-make-money-by-bailing-out-greece