Völlig normale Zurückweisungen
Innenminister Horst Seehofer will abgelehnte Asylbewerber und illegale Migranten schon an der Landesgrenze abweisen. Ein Überblick über die Praxis anderer Länder zeigt: Viele europäische Nachbarn gehen schon lange ganz ähnlich vor.
Grenzkontrollen

Völlig normale Zurückweisungen

Innenminister Horst Seehofer will abgelehnte Asylbewerber und illegale Migranten schon an der Landesgrenze abweisen. Ein Überblick über die Praxis anderer Länder zeigt: Viele europäische Nachbarn gehen schon lange ganz ähnlich vor.

Die Zurückweisung von Migranten an der Staatsgrenze ist seit Jahren vielfach geübte EU-Praxis. Sie ist sozusagen längst die sogenannte europäische Lösung. Das zeigt ein kurzer Blick darauf, wie Deutschlands europäische Partner – vor allem jene, die vom Migrantenandrang besonders betroffen waren und sind – ihre Grenzregime handhaben: zunehmend hart und restriktiv.

Schweden

Schweden führt seit Ende 2015 Grenzkontrollen durch. Im Januar 2016 wurden Transportunternehmen – Bahn, Busse, Fähren – per Verordnung angewiesen, nur Personen mit gültigen Papieren zwischen Dänemark und Schweden zu befördern. Dazu kommen immer mehr Maßnahmen, um Schweden für Migranten unattraktiv zu machen.

Dänemark

Ebenso verfährt Dänemark. Seit Anfang 2016 lässt es Migranten ohne Papiere schlicht nicht mehr einreisen. Dänemark praktiziert damit schon lange täglich genau das, was Kernstück des Asyl-Plans von Innenminister Horst Seehofer sein soll. Bei den Grenzkontrollen setzt Dänemark auch Soldaten ein.

„Jeder EU-Staat kann über derartige Maßnahmen in eigener Verantwortung entscheiden.“ So kommentierte am 5. Januar 2016 Regierungssprecher Steffen Seibert Kopenhagens Rückkehr zu Grenzkontrollen – und Zurückweisungen – aus Sicht der Bundesregierung in Berlin.

Wir müssen auf Dänemark aufpassen.

Lars Løkke Rasmussen, Dänemarks Ministerpräsident

Umso erfreuter war Kopenhagen, dass die Deutschen den Dänen die Zurück- und Ausweisungen leicht machten und selber „die Möglichkeiten des Dublin-Systems nicht nutzen“, so damals  Integrations- und Ausländerministerin Inger Støjberg. Womit die Ministerin die Rechtsauffassung von Horst Seehofer bestätigt: Dänemark hält für selbstverständlich, dass anderswo abgelehnte Asylbewerber an der Grenze zurückgewiesen werden können.

Folge deutscher Nachlässigkeit: Die deutsche Polizei berichtet bald von einer steigenden Zahl „illegaler Einreisen“ aus Dänemark, von denen der Großteil in Dänemark abgewiesene Asylbewerber seien, die auf eine neue Asylchance in Deutschland hofften. Mit Erfolg: Deutschland schickte nur jeden zehnten Asylbewerber zurück.

Zur rigiden dänischen Abweise- und Ausweisepraxis kommt ein großer nationaler Maßnahmekatalog, der Dänemark für illegale Migranten und Asylbewerber so unattraktiv wie möglich machen soll. Ministerpräsident  Lars Løkke Rasmussen: „Wir müssen auf Dänemark aufpassen.“

Frankreich

Frankreich hat nach den Terroranschlägen von 2015 seine Grenze zu Italien für Migranten ohne gültige Einreisepapiere geschlossen. Seither wird etwa an der Côte d’Azur-Grenze und in den See-Alpen strikt kontrolliert. Illegale Migranten werden zur Grenze zurück transportiert und nach Italien zurück überstellt. Französischen Presseangaben zufolge betraf das im vergangenen Jahr mehr 50.000 illegale Migranten, also 1000 pro Woche.

Die italienische Grenze: strategischer Riegel

Le Figaro

Als erstes „Schengen-Land“ hat Frankreich im April 2018 angekündigt, die Grenzkontrollen weiter zu verlängern. Im April 2018 beschloss die Nationalversammlung außerdem ein neues strikteres Asyl- und Einwanderungsrecht. Interessant: Paris hat etwa in Niger und Tschad Auffangcamps eingerichtet, in denen geprüft wird, wer Anspruch auf Asyl hat und wer nicht.

Italien

Italien kooperiert mit Libyen und unterstützt die dortige Küstenwache, um Migrantenabreisen von vornherein zu unterbinden. Die neue Regierung in Rom hat angekündigt, italienische Häfen für Flüchtlingsboote zu schließen – eine besonders strikte Maßnahme zur Abweisung illegaler Migranten an der Grenze.

Italien anlaufen? Das können sie vergessen.

Matteo Salvini, Italiens Innenminister

Innenminister Matteo Salvini will außerdem 500.000 Migranten abschieben. Rom will die Dublin-Regeln zugunsten der Staaten an den EU-Außengrenzen korrigieren und pocht auf EU-Quoten zur zügigen Übernahme von Migranten durch die EU-Partner. Geldleistungen für Flüchtlinge und Migranten sollen drastisch gekürzt werden.

Österreich

Auch Österreich hat schon im Jahr 2015 Grenzkontrollen eingeführt und seither beibehalten. Seit 1. Juni diesen Jahres führen Beamte der österreichischen und deutschen Bundespolizei sowie der bayerischen Landespolizei gemeinsame Grenzkontrollen durch.

Rückkehr zur Kontrollfreiheit gemäß Schengener Abkommen soll es laut Koalitionsvertrag von ÖVP und FPÖ erst geben, „wenn die illegale Migration gestoppt und europäische Außengrenzen gesichert sind“. Wien will dabei nicht auf europäische Maßnahmen warten, sondern auch unilateral vorgehen: „Wir schützen unseren Sozialstaat vor Missbrauch und werden die illegale Migration nach Österreich stoppen.“

Wir müssen verhindern, dass Boote überhaupt noch nach Europa kommen.

Sebastian Kurz, österreichischer Bundeskanzler

Die Aussagen von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz lassen darauf schließen, dass er mit Zurückweisungen an der Grenze einverstanden wäre. Er ist seit 2015 ein entschlossener Gegner jeder „Durchwinkerei“ und Umverteilung von Migranten innerhalb der EU.

Kurz will die Migranten vielmehr von Europa fernhalten: „Wir müssen dafür sorgen, dass die illegalen Migranten es erst gar nicht mehr bis in die EU schaffen, denn dann brauchen wir auch keine innereuropäischen Grenzkontrollen.“ Kurz weiter: „Wir müssen verhindern, dass Boote überhaupt noch nach Europa kommen.“ Der Schutz der EU-Außengrenzen soll darum einer der Schwerpunkte im Rahmen des österreichischen EU-Ratsvorsitzes 2018 werden.

Spanien

Besonders aufschlussreich ist, wie Spanien schon seit anderthalb Jahrzehnten verfährt: Es bezahlt nord- und westafrikanische Haupttransitländer dafür, dass sie Migration nach Spanien unterbinden und illegale Migranten schnell und unbürokratisch zurücknehmen. Seit 2006 hat Madrid dazu mit den westafrikanischen Ländern, Mauretanien, Senegal, Gambia, Guinea Bissau, Guinea Conakry, dem Inselstaat Kap Verde und mit dem nordafrikanischen Marokko entsprechende Abkommen geschlossen.

Gute operationelle Zusammenarbeit zwischen Spanien, Senegal, Mauretanien und Marokko

Frontex, Jahresbericht 2015

Im Gegenzug bietet Spanien Entwicklungshilfe und in sehr begrenztem Umfang reguläre, kurz befristete Einreisevisa und Arbeitsgenehmigungen. Dazu kommt intensive polizeiliche Zusammenarbeit und materielle Unterstützung. In ihrem Jahresbericht 2015 hat die EU-Grenzschutzagentur Frontex Madrid für diese effektive Politik gelobt.