Viele Krisen, keine Lösungen
54. Münchner Sicherheitskonferenz: Drei Tage lang diskutierten 500 Politiker und Experten die derzeit gefährlichsten Weltkrisen. Am letzten Tag rief Israels Premier Netanjahu dazu auf, iranischer Expansion im Mittleren Osten Widerstand zu leisten.
Resümee

Viele Krisen, keine Lösungen

54. Münchner Sicherheitskonferenz: Drei Tage lang diskutierten 500 Politiker und Experten die derzeit gefährlichsten Weltkrisen. Am letzten Tag rief Israels Premier Netanjahu dazu auf, iranischer Expansion im Mittleren Osten Widerstand zu leisten.

Rufe nach mehr Europa in der Welt und die Angst vor neuen bewaffneten Konflikten haben die Münchner Sicherheitskonferenz dominiert. Einmal mehr prägten die seit Jahren verhärteten Fronten im Nahen Osten, in der Ukraine sowie die Spannungen zwischen den USA und Russland die dreitägige Konferenz.

Redner wie Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker skizzierten angesichts des Rückzugs der USA unter Präsident Donald Trump als Ordnungsmacht eine fragile internationale Ordnung mit ungewissem Ausgang. Rund 500 Politiker und Experten berieten auf der Sicherheitskonferenz über Krisen der Welt.

Nahost-Krise bleibt bestimmend

Zum Abschluss am Sonntag demonstrierten Israel und der Iran auf offener Bühne ihren Konflikt. Als Beweis für die aggressive Politik des Iran präsentierte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ein Tragflächenteil einer über Israel abgeschossenen Drohne, die aus dem Iran stammen soll. Netanjahu an Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif: „Herr Sarif, erkennen Sie das? Das sollten sie. Es gehört Ihnen. Sie können es mit einer Botschaft an die Tyrannen mit nach Teheran zurücknehmen: Stellen Sie unsere Entschlossenheit nicht auf die Probe.”

Wir stehen ganz nah vor einem eskalierenden Konflikt.

Mohammed Dschawad Sarif, iranischer Außenminister

Sarif, der bei Netanjahus Rede nicht im Raum war, bezeichnete den Auftritt wenig später als „Zirkus”, warnte aber ebenfalls vor einer bewaffneten Auseinandersetzung im Nahen Osten: „Aktuell ist es so, dass wir ganz nah vor einem eskalierenden Konflikt stehen.” Sarif machte  das Verhalten der USA und Israels verantwortlich für die Probleme im Nahen Osten.

Welche Rolle spielt der Iran?

Netanjahu, mit dem zum ersten Mal ein israelischer Premier Gast der Sicherheitskonferenz war, rief dagegen die Weltgemeinschaft auf, sich dem Iran entschlossen entgegenzustellen: „Der Iran ist immer noch eine große Gefahr.” Die iranische Regierung habe ihren Einfluss im Nahen Osten immer weiter ausgebaut und überschreite fortwährend „rote Linien”. Ziel der Iraner sei es, mit eigenen Raketen die ganze Welt zu beherrschen. „Sobald dem Iran Nuklearwaffen zur Verfügung stehen, kann die Aggression nicht mehr kontrolliert werden”, betonte er. Israel werde weiter tätig bleiben, damit im Iran keine Terrorbasis entstehen könne.

Stellen Sie unsere Entschlossenheit nicht auf die Probe.

Benjamin Netanjahu, Israels Premierminister

Netanjahu zog auch Parallelen zwischen dem Iran und Nazi-Deutschland. Der Iran habe öffentlich erklärt, Israel mit seinen sechs Millionen Juden auslöschen zu wollen, sagte der Regierungschef. Zudem versuche er, die Welt durch Aggression und Terror zu beherrschen. „Der Iran ist nicht Nazi-Deutschland”, sagte Netanjahu. Es gebe aber auffällige Ähnlichkeiten. „Die einen haben eine Herrenrasse propagiert, die anderen propagieren eine Herrenreligion.”

Auch der saudische Außenminister Adel al-Dschubair sah die Verantwortung unmissverständlich auf der Seite des Iran: „Wir möchten, dass der Iran sein Verhalten grundlegend ändert”, sagte er. Die Denkweise, nach dem Atomabkommen werde der Iran sein Verhalten verändern, sei eine Fiktion. Im Atomabkommen von 2015 hatte sich Iran verpflichtet, für mindestens ein Jahrzehnt wesentliche Teile seines Atomprogramms drastisch zu beschränken, um keine Atomwaffe bauen zu können. Im Gegenzug wurden die Sanktionen gegen Teheran aufgehoben.

Europas neue Verantwortung

Bereits am Freitag und Samstag hatten viele europäische Politiker vor allem ihren Wunsch nach mehr militärischer Eigenständigkeit der EU betont − auch als Reaktion auf die Politik von US-Präsident Trump. Gabriel forderte, Europa müsse in der Welt mehr Machtbewusstsein entwickeln, da diese an einem gefährlichen Abgrund stehe. Der Syrien-Konflikt bewege sich nach sechs blutigen Jahren als Bürger- und Stellvertreterkonflikt in eine Richtung, „die akute Kriegsgefahr selbst für unsere engen Partner” bedeute.

Europa muss militärisch mehr Gewicht in die Waagschale werfen.

Ursula von der Leyen, Bundesverteidigungsministerin

EU-Kommissionspräsident Juncker sagte: „Wir waren lange Zeit nicht weltpolitikfähig. Die Umstände bringen es mit sich, dass wir uns um Weltpolitikfähigkeit bemühen müssen.” Auch nach Ansicht von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) muss Europa „militärisch mehr Gewicht in die Waagschale” legen. Sie warf Trump einen einseitigen Kurs vor: „Auch unsere amerikanischen Freunde haben eine kostbare Verpflichtung jenseits des Militärischen.”

Fotos zeigen ganz klar, dass Assad weiter Chemiewaffen einsetzt.

Herbert Raymond McMaster, US-Sicherheitsberater

Syrien-Konflikt im Zentrum

Der einzige hochrangige Redner der US-Regierung, Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster, drohte dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad weitere Vergeltungsschläge für Chemiewaffeneinsätze im Bürgerkrieg an. „Fotos zeigen ganz klar, dass Assad weiter Chemiewaffen einsetzt”, sagte der Berater von Trump. Alle Staaten müssten die Assad-Regierung dafür verantwortlich machen. Russland gilt als Verbündeter von Assad.

Wir möchten eine berechenbare EU, eine starke EU haben.

Sergej Lawrow, russischer Außenminister

Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte EU, Nato und die USA zu einem respektvollen Umgang mit seinem Land auf. Es werde „Propaganda” betrieben, der wachsende Einfluss Russlands werde nur negativ gesehen. Dabei wolle Russland ein verlässlicher Partner sein. „Wir sind bereit, in einen offenen, von Respekt getragenen Dialog einzutreten.” Er rief zu mehr Zusammenarbeit auf, insbesondere mit der EU, auch in internationalen Konflikten, etwa im Nahen Osten. „Wir möchten eine berechenbare EU, eine starke EU haben, die ein verantwortungsvoller Akteur ist im außenpolitischen Rahmen weltweit.”