TV-Duell vor der Wahl: Die Spitzenkandidaten Sebastian Kurz (r./ÖVP), Bundeskanzler Christian Kern (m./SPÖ) und Heinz-Christian Strache (l./FPÖ). (Bild: imago/photonews.at)
Österreich

TV-Duell im Schmutzwahlkampf

Gleich zwei Fernsehduelle hatte ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Sonntagabend zu bestehen: erst gegen SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern, dann gegen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Kurz und Kern wollen beide die illegale Einwanderung auf Null reduzieren.

Einmal erster Sieger, einmal zweiter Sieger. Das ist für Österreichs Außenminister und ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz die Bilanz eines langen Debattenabends im Privatsender Puls 4. Erst traf er knapp anderthalb Stunden auf SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern und dann noch einmal eine gute Stunde auf FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. In den üblichen Blitzumfragen danach sahen die Fernsehzuschauer im ersten Duell Kurz mit 47 zu 38 Prozent klar besser abschneiden. Die zweite Debatte konnte dagegen Strache mit 43 gegen 36 Prozent für sich entscheiden – so sahen das jedenfalls die TV-Zuschauer.

Strache im Aufwind

Was genau eine Woche vor den Nationalratswahlen am 15. Oktober ungefähr dem Stand der Umfragen entspricht. Aktuellen Sonntagsfrage-Messungen zufolge liegt Kurz‘ ÖVP mit 33 oder 34 Prozent weit vor den Verfolgern. Österreichs Sozialdemokraten kommen auf bestenfalls 25 oder 27 Prozent, könnten aber auch auf 22 Prozent und den dritten Platz fallen, hinter Straches FPÖ, die mit 25 bis 27 Prozent rechnen kann – Tendenz steigend. In der Debatte mit Strache gab Kurz zu erkennen, dass er offenbar alles für möglich hält: „Es wird ein tolles Ergebnis für die FPÖ geben. Die Frage ist, wer geht als Erster über die Ziellinie.“

Ein FPÖ-Wahlsieg? Kaum vorstellbar. Richtig ist aber, dass die FPÖ-Aktien steigen. Was an dem Schmutzwahlkampf liegt, den sich SPÖ und ÖVP derzeit liefern – vor allem die SPÖ. Im Kanzler-Duell auf Puls 4 wurde das wieder sichtbar. Kürzlich wurde ruchbar, dass ein SPÖ-Wahlkampf-Berater mit SPÖ-Geld anonym hetzerische facebook Seiten betreiben ließ, um ÖVP-Chef Sebastian Kurz in Misskredit zu bringen.

Es ist problematisch, das so darzustellen, als seien alle ein bisserl schuld.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz

Im Fernsehduell unterstellte ein sehr aggressiver Kern der ÖVP und Sebastian Kurz, in die undurchsichtige Affaire selber verstrickt zu sein: „Tun Sie nicht so, als wenn Sie das Opferlamm wären.“ Die Sache sei „ganz einfach“, hielt Kurz dagegen. Die SPÖ habe einen fragwürdigen Politikstrategen engagiert und ganz genau gewusst, was sie dafür bekäme. Kurz weiter: „Es ist problematisch, das so darzustellen, als seien alle ein bisserl schuld.“ Kern sieht in der Geschichte gar nicht gut aus, aber auch an der ÖVP bleibt womöglich etwas hängen. Vom „Hassduell” titelte die Boulevardzeitung Österreich. Vorteil Strache.

Illegale Migration auf Null reduzieren

Beim Thema Migration waren sich Kern und Kurz, zumindest was das politische Ziel anging, einig: Beide wollen die illegale Zuwanderung nicht nur begrenzen, sondern auf Null reduzieren. Was Kern nicht hinderte, seinem Außenminister vorzuwerfen, mit seiner konsequenten Linie gegen illegale Migration nur „an Schlagzeilen interessiert“ zu sein und damit Lösungen im Europäischen Rat schwerer zu machen. Kurz‘ Replik: „Vieles im Europäischen Rat ist beschlossen worden, weil ich vorher Druck gemacht habe.“ Nachdenklich stimmt Kerns Behauptung, die Balkanroute sei gar nicht geschlossen, sondern löchrig wie „ein Nudelsieb“. Interessanter Vorschlag von Kurz: Wer sich mit Schleppern auf den Weg macht, soll jede Chance auf Asyl in Europa grundsätzlich verwirkt haben.

Balkanroute wie ein Nudelsieb

SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern

Das übersieht man in Deutschland gern: Kurz ist nicht nur Außenminister, sondern auch Minister für Integration. Tatsächlich hat er nie mit sehr kritischen Äußerungen und klaren Forderungen gespart, wenn es um Integrationsfragen ging. „Unser Recht durchsetzen – ohne Wenn und Aber“, fordern Kurz und die ÖVP. Und: „In Österreich gibt es keinen Platz für Parallelgesellschaften.“ Aber als Integrationsminister habe Kurz wenig umgesetzt und erreicht, hielt Kern ihm jetzt vor. Kurz‘ Replik: „Nicht einfach, wenn ganz gleich, was man vorschlägt, irgendein Minister in der SPÖ sagt: ‚Das soll nicht sein, darf nicht sein‘.“ So ähnlich verhält sich das mit Sozialdemokraten und anderen Linken auch nördlich der Alpen.

Teures Geschenk von Kern

Nette Puls 4-Idee: Weil sie sich im Wahlkampf nichts geschenkt hätten, sollten sich die Wahlkämpfer wenigstens zur Debatte ein Geschenk mitbringen. Kurz hatte für Kern ein Kennedy-Buch dabei, in dem es auch „um Anstand in der Politik geht“. Kern revanchierte sich mit einem Gutschein für ein Candle-Light-Dinner nach dem anstrengenden Wahlkampf: „Es würde mich freuen, wenn Sie und Ihre Fau ein paar Momente zum Entspannen finden. Die Rechnung schicken Sie mir“. Das kann teuer werden. Wer wollte konnte da eine sogar persönliche kleine Entschuldigung für den SPÖ-Wahlkampf heraushören, der eben auch auf das Privatleben des ÖVP-Chefs gezielt hatte.

Von Strache erhielt Kurz anderthalb Stunden später das Detektivspiel Cluedo, um vielleicht doch noch Klarheit über die SPÖ-Wahlkampfaffäre zu erhalten – der FPÖ-Chef hat sichtbar Vergnügen an der Geschichte. Kurz wiederum beschenkte nicht Strache, sondern dessen Hund mit einem großen Doggy-Bag voller Hundespielzeug. In einer Woche wird man sehen, an wen der ganz große Knochen geht. Aber bis dahin müssen die Spitzenkandidaten – und die Wähler – noch vier weitere ORF 2-Fernsehdebatten überstehen, zu zweit oder am kommenden Donnerstag in der gemeinsamen Elefantenrunde.