„Ungarn und die Slowakei dürfen der EU nun nicht mehr auf der Nase herumtanzen”, fordert der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Frage der Migrantenaufnahme. Denn nach dem Urteil des Luxemburger Gerichts müssen die beiden Länder auch gegen ihren Willen Flüchtlinge und Migranten aufnehmen. Der EU-Beschluss vom September 2015 zur Umverteilung von Schutzsuchenden sei rechtens, urteilten jetzt die Luxemburger Richter (Rechtssachen C-643/15 und C-647/15).
EU-Umverteilungsprogramm
Die EU-Staaten hatten sich in der Hochphase der Flüchtlingskrise am 22. September 2015 gegen den Widerstand von Ungarn, der Slowakei sowie Rumänien und Tschechien darauf verständigt, 120.000 Migranten aus Griechenland und Italien auf andere EU-Länder umzuverteilen.
Es kann nicht sein, dass einige Mitgliedstaaten europäische Vereinbarungen einfach ignorieren.
Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter
Betroffen von dem EU-Umverteilungsprogramm sind Migranten, die gute Chancen auf Asyl hatten, etwa weil sie aus dem Bürgerkriegsland Syrien kamen. Die Entscheidung sorgte seitdem immer wieder für Zwist innerhalb der EU; beispielsweise weigert sich auch Polen bislang, Flüchtlinge aufzunehmen. Bis September 2017 konnten denn auch kaum 30.000 der 120.000 Migranten auf andere EU-Länder umverteilt werden.
Der EuGH befand nun, dass die Entscheidung damals einwandfrei getroffen worden sei. Sie sei außerdem ein geeignetes Mittel gewesen, um die Ankunftsländer Griechenland und Italien zu entlasten.
Kommission am Zug
„Der Europäische Gerichtshof hat heute unmissverständlich klargemacht, dass in der Flüchtlingsfrage alle Mitgliedstaaten ihren Beitrag leisten müssen”, kommentiert der Europaabgeordnete Ferber, der auch Vorsitzende der CSU Schwaben ist, das Urteil. Jetzt sei die Europäische Kommission am Zug. Ferber: „Es kann nicht sein, dass einige Mitgliedstaaten europäische Vereinbarungen einfach ignorieren und die Kommission nur unbeteiligt zuschaut.” Die Kommission sei die Hüterin der Verträge und dazu gehöre, dass geltende Beschlüsse auch umgesetzt werden, so der CSU-Europapolitiker. Ferber weiter: „Dieser Verantwortung muss die Kommission nun gerecht werden.“
Finanzielle Sanktionen
Sollten Ungarn, die Slowakei oder andere EU-Staaten sich nun weiterhin gegen den Beschluss und die Aufnahme von Flüchtlingen sperren, könnte die EU-Kommission auf solider rechtlicher Basis sogenannte Vertragsverletzungsverfahren vorantreiben, die letzten Endes in hohen Geldstrafen münden können. Gegen Ungarn, Polen und Tschechien hatte die Brüsseler Behörde bereits im Juni erste derartige Schritte eingeleitet.
Finanzielle Folgen für die Länder, die sich der Aufnahme und der Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten verweigern, fordert der EU-Parlamentsabgeordnete Elmar Brok (CDU) „Ich glaube es muss in Verhandlungen festgelegt werden, in welcher Art und Weise sie sich beteiligen”, sagte Brok im Deutschlandfunk. „Man kann ja sagen, dass die Länder, die Flüchtlinge aufgenommen haben, um anderen in der Notlage zu helfen, Geld bekommen.” Länder, die sich der Aufnahme von Flüchtlingen verweigerten, sollten sich dann an der Finanzierung beteiligen.
Empörung in Ungarn, Zähneknirschen in der Slowakei
Die ungarische Regierung hat das EuGH-Urteil in einer ersten Reaktion entschieden zurückgewiesen. „Dieses Urteil ist empörend und verantwortungslos”, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto am Mittwoch in Budapest. „Es ist ein politisches Urteil, dass das europäische Recht und die europäischen Werte vergewaltigt.” Es gefährde die Sicherheit und die Zukunft ganz Europas. Ungarn werde auch weiterhin keine Flüchtlinge aufnehmen.
Ein politisches Urteil, dass das europäische Recht und die europäischen Werte vergewaltigt.
Ungarns Außenminister Peter Szijjarto
Die Slowakei will die Ablehnung ihrer Klage zähneknirschend akzeptieren. Das erklärte Regierungschef Robert Fico heute in Bratislava. Die Slowakei wolle zum Kern der Europäischen Union gehören und solidarisch sein, erklärte Fico.
Trotzdem kritisierte er die Entscheidung der EU, gegen die die Slowakei und Ungarn geklagt hatten, als „ungerecht”. Die Flüchtlinge wollten nicht in die Slowakei kommen, erklärte der Sozialdemokrat. „Sollen wir eine Mauer errichten, dass sie hier bei uns bleiben?” Sinnvoller wäre das Angebot der Slowakei, ihre Solidarität etwa beim gemeinsamen Schutz der EU-Außengrenzen zu zeigen.