Hartmut Koschyk (l.) im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Präsidiums der Obersten Volksversammlung Nordkoreas, Kim Yong Nam (r.). (Bild: Büro Koschyk)
Nordkorea

Koschyk will offenen Gesprächskanal

Zu Besuch in der letzten stalinistischen Diktatur der Welt, um den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen: Der CSU-Bundestagsageordnete Hartmut Koschyk hat Nordkorea besucht. Neben offiziellen Gesprächen, die teilweise zu Hoffnung Anlass geben, musste Koschyk auch einen Eklat erleben – und das ausgerechnet in einer katholischen Kirche.

Deutschland und die EU müssen weiterhin alle möglichen Gesprächskanäle nutzen, um einen innerkoreanischen Dialog voranzubringen und vertrauensbildende Maßnahmen zu unterstützen, fordert der Bayreuther CSU-Bundestagsabgeordnete und Korea-Experte Hartmut Koschyk. Fünf Tage lang hatte Koschyk, der Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages ist, die Demokratische Volksrepublik Korea besucht, um dort politische Gespräche zu führen – und zwar auf Einladung der Obersten Volksversammlung der Demokratischen Volksrepublik Korea. Die Delegation bestand aus zehn Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kirche und politischen Stiftungen. 

Nach seinem jüngsten Besuch in der Hauptstadt Pjöngjang und auch in ländlichen Regionen spricht er von „Signalen einer leichten Öffnung des Landes“. Der jüngste Aufenthalt habe dem Zweck gedient, „die wirtschaftliche Lage in Augenschein zu nehmen“, so Koschyk. „Seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu Nordkorea, was auf Bitten des damaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung geschah, versucht Deutschland die Zusammenarbeit mit Nordkorea weiterzutreiben.“

Nordkorea lehnt Atomverhandlungen ab

Die Chancen auf eine Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Süd- und Nordkorea sind nach Einschätzung Koschyks derzeit sehr gering. So ist Nordkorea nicht zu einer Wiederaufnahme der Verhandlungen über sein Atomwaffenprogramm bereit. Das Land lehne jeden weiteren Dialog mit den USA ab und werde nicht zu den Sechs-Parteien-Gesprächen zurückkehren, sagten hohe Regierungsvertreter in Pjöngjang in Gesprächen mit Koschyk.

Der Vorsitzende des Präsidiums der Obersten Volksversammlung und nominelles Staatsoberhaupt, Kim Yong Nam, nannte gegenüber Koschyk die USA den „Hauptfeind“. Er verwies auf gemeinsame Militärmanöver der USA und Südkoreas und unterstellte ihnen, einen Angriff auf Pjöngjang geübt zu haben. Derzeit läuft das bisher größte amerikanisch-südkoreanische Manöver zur U-Boot-Abwehr. Im Mai hatte Nordkorea eine ballistische Rakete getestet, die von einem U-Boot abgefeuert wurde.

Keine Annäherung an den Süden

Deutschland und die EU könnten nach Meinung von Koschyk helfen, dass Nord- und Südkorea sich annähern. Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel hätten sich in letzter Zeit merklich verschärft. „Das ist mein Eindruck der politischen Gespräche in Pjöngjang, aber auch die Einschätzung des Wiedervereinigungsministers, des Außenministers und des Parlamentspräsidenten Südkoreas“, sagte Koschyk nach Gesprächen mit Regierungs- und Parlamentsvertretern in beiden koreanischen Staaten.

Ein Problem ist unter anderem Nordkoreas Weigerung, „zur Zeit die Sechs-Parteien-Gespräche über eine Denuklearisierung, aber auch über Entspannung und Annäherung wiederaufzunehmen. Hier könnte ein enges Zusammenwirken der USA und der VR China auch eine Auflockerung bewirken.“

Eklat ausgerechnet beim Versöhnungsgottesdienst

Der Besuch Koschyk verlief reibungslos – bis auf einen Eklat, zu dem es ausgerechnet in der katholischen Jangchung-Kirche in Pjöngjang kam. Der nordkoreanische Prediger namens Kim Chol-Ung, der sich aber selbst „Pater Francisco“ nennt, missbrauchte die Andacht für eine hasserfüllte Predigt gegen Südkorea. „Unser Raketentest hat in der ganzen Welt Bewunderung ausgelöst“, sagte „Pater Francisco“, ausgerechnet neben dem Bild der Muttergottes stehend, ein Kreuz über seinem Priestergewand.

Ein grotesker Kontrast. Die „südkoreanischen Marionetten“ holten sich die Hilfe der amerikanischen „Imperialisten“, so der selbsternannte „Pater Francisco“ weiter. Es sei die Pflicht der Katholiken des Landes, dem „respektierten Marschall“ Kim Jong Un ihre Loyalität zu schwören. Das sei Patriotismus. Südkorea sei eine „Kolonie der Imperialisten“, die eine „Politik der Konfrontation“ gegenüber Nordkorea verfolge.

Hasspredigt auf Koreanisch

„Wenn es zu einem Angriffskrieg kommt, werden wir sie gnadenlos bestrafen“, ruft der Pater am Ende noch „mit Gottes Hilfe“ zu einem „Heiligen Krieg der Wiedervereinigung“ gegen die Brüder im Süden des Landes auf. Da niemand in der deutschen Delegation Koreanisch sprach, dauerte es einige Minuten, bis der Inhalt der Predigt bei den Gästen ankam. Angesichts des ruhigen Tonfalls hatten sie eine übliche Sonntagspredigt vermutet. Umso schockierter waren sie, als sie die Übersetzung hörten.

Pater Tassilo Lengger OSB von den Missionsbenediktinern aus dem oberbayerischen St. Ottilien hatte als Geste der Versöhnung und Öffnung bei der Andacht konzelebriert. Als er den Inhalt der nordkoreanischen Hasspredigt übersetzt bekam, brach er seine Teilnahme an der Feier ab, legte die Stola ab und setzte sich zu Koschyk ins Kirchenschiff. Zuvor hatte Pater Tassilo Lengger an das lange Wirken der Benediktiner in Korea erinnert, das bereits im Jahr 1910 begann. Er erwähnt nicht, dass 36 Mitglieder seines Ordens in der Zeit des Korea-Krieges (1950-53) in Nordkorea ermordet wurden. Denn Versöhnung und Annäherung sollten ja die Messe bestimmen.

Koschyk protestiert scharf

Koschyk seinerseits brachte seinen Protest deutlich zum Ausdruck: Einmal nach der Messe gegenüber den Verantwortlichen, die den Besuch von staatlicher Seite begleitet hatten, sowie später gegenüber Vizeaußenminister Kung Sok Ung. Koschyk forderte Respekt vor der Religion ein und erklärte, es sei nicht hinnehmbar, dass eine Versöhnungs-Andacht für hasserfüllte Agitation gegenüber dem Süden missbraucht worden sei, noch dazu während ein deutscher Benediktiner aktiv an der Andacht teilnahm. „Trotz aller Meinungsverschiedenheiten hat eine solche Hasspredigt in einer geistlichen Andacht nichts zu suchen“, so Koschyk.

Einen positiveren Eindruck gewann Koschyk in der evangelischen Gemeinde in Pjöngjang und führte mit den Mitgliedern der deutschen Delegation und dem deutschen Botschafter Dr. Thomas Schäfer ein Gespräch mit dem Pfarrer der Gemeinde, Oh Sung Chol, dem Gemeindeältesten, Ri Won Gun, sowie Mitgliedern der Gemeinde. Die nach dem Gottesdienst in der Kirche noch verbliebenen Gemeindemitglieder sangen aus einem aus Südkorea stammenden evangelischen Gesangbuch kirchliche Lieder. Koschyks ins koreanische übersetzte Aussage, dass „das Gesangbuch aus Südkorea ein wichtiges Symbol der Verbundenheit“ sei, fand bei den nordkoreanischen evangelischen Gemeindemitgliedern einen ebenso spontanen wie ehrlich gemeinten Beifall.

Gutes Gespräch mit dem nominellen Staatsoberhaupt

Alle weiteren Programmpunkte, die Koschyk mit der nordkoreanischen Seite vereinbart hatte, wie beispielsweise Hilfsprojekte zu begutachten, liefen planmäßig ab. Ungeachtet aller Differenzen bekundete die nordkoreanische Seite gegenüber Koschyk ihr starkes Interesse an einem Ausbau der Kooperation mit Deutschland.

Der einstündige Meinungsaustausch der gesamten Delegation mit dem Vorsitzenden des Präsidiums der Obersten Volksversammlung und nominellen Staatsoberhaupt, Kim Yong Nam, konnte als wichtiges Zeichen gewertet werden. Mit einer Delegation der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, darunter Vertretern aller Bundestagsfraktionen, wird Koschyk im Oktober dieses Jahres Nord- und Südkorea erneut besuchen, um gemeinsam die politischen Gespräche fortzuführen.

Unmittelbar nach seinem Besuch in Nordkorea reiste Koschyk nach Südkorea weiter und traf den Parlamentspräsidenten Chung Ui-hwa, dem Wiedervereinigungsminister Hong Yong-pyo und dem Außenminister Yun Byung-se. Koschyk informierte über seinen Besuch in Nordkorea. Man war sich darin einig, dass es um die innerkoreanischen Beziehungen derzeit schlecht bestellt ist. Umso mehr sei es von Bedeutung, dass auch Deutschland und die EU zur Entspannung auf der koreanischen Halbinsel beitragen.

Koschyk fordert Dialog und Vertrauensbildung

„Gegenüber Nordkorea sollten Deutschland und die EU weiterhin alle möglichen Gesprächskanäle nutzen, um einen innerkoreanischen Dialog voranzubringen und vertrauensbildende Maßnahmen zu unterstützen“, schrieb Koschyk in einem Thesenpapier, das er zu einem Workshop der Hanns-Seidel-Stiftung in Seoul zum Thema 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung vorstellte. Die EU und Deutschland verfolgen in Nordostasien keine geopolitischen Interessen, heißt es darin. Daher könnten sie glaubwürdig als „ehrlicher Ratgeber“ auftreten.

Seit 2002 besucht Koschyk regelmäßig die abgeschottete Diktatur Nordkorea. Koschyk ist auch deutscher Ko-Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums, das alljährlich Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft aus Deutschland und Südkorea zusammenführt. Seit 2014 ist Koschyk auch deutscher Ko-Vorsitzender des „Deutsch-Koreanischen Beratergremiums zu außenpolitischen Fragen der Wiedervereinigung”, das Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gemeinsam mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Yun Byung-Se eingerichtet hat.