Der neue französische Premier: Edouard Philippe (2.v.r.). Links neben ihm sein Vorgänger Bernard Cazeneuve. (Bild: Imago/E-Press photo)
Frankreich

Weder links noch rechts

Staatspräsident Präsident Emmanuel Macron hat eine Regierung mit Politikern aus verschiedenen politischen Richtungen benannt. Reformhoffnung für Frankreich: Wirtschaft und Finanzen übernehmen Politiker aus dem bürgerlichen Lager.

Erfreulicher Regierungsauftakt: In Frankreich hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt zum Jahresauftakt überraschend entspannt. Im ersten Quartal sei die Erwerbslosenquote auf 9,6 Prozent gefallen, teilte das Statistikamt Insee in Paris mit. Damit erreichte sie den niedrigsten Stand seit dem ersten Jahresviertel 2012. Volkswirte zeigten sich von der positiven Entwicklung auf dem französischen Arbeitsmarkt überrascht. Die französische Wirtschaft ist auf Wachstumskurs, wobei das Tempo allerdings geringer ist als in anderen Euroländern.

„Als Regierung nach dem Bildnis des Präsidenten”, begrüßt die Pariser Tageszeitung Le Monde Emmanuel Macron erstes Regierungsteam. Der 39-Jährige war bei der Präsidentenwahl unabhängig von den traditionellen Regierungsparteien der Sozialisten und Konservativen angetreten, seine Bewegung „En Marche!” positioniert er „weder links noch rechts”. Der neue Staatspräsident verkörpere sozusagen die Überwindung der alten Spaltung in ein linkes und ein rechtes Lager, so Le Monde. Bei der Vorstellung seiner ersten Regierung ist Macron dem großen Vorhaben treu geblieben und wartet mit einer Kabinettsmannschaft aus mehreren politischen Richtungen auf. Dabei setzte er seinen Kurs fort, die französische Politik neu zu ordnen und gute Drähte nach Deutschland zu legen.

Premierminister aus dem rechten Lager

Den Anfang hat er schon am Montag mit der Ernennung seines Premierministers gemacht: Der 46-jährige Edouard Philippe, Bürgermeister von Le Havre, ist ein Republikaner aus dem zentristischen Lager der Partei um den Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé, herum. Wenn er für seine eben umgegründete Partei „La République En Marche“ auf Überläufer aus dem Lager der konservativen Républicains hoffen wollte, müsste er einen Républicain zum Premier ernennen, war ihm von anderen Juppéisten bedeutet worden.

Macron hat die Bedingung übererfüllt. Denn außer dem Amt des Premierministers vertraut der sozialliberale Staatschef auch die Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik zwei Konservativen an. Für den öffentlichen Dienst und den Haushalt ist künftig der junge Konservative Gérald Darmanin (34) zuständig. Das Wirtschaftsressort einschließlich Finanzpolitik übernimmt der Mitte-Rechts-Politiker Bruno Le Maire. Mit dem in der Vorwahlrunde gescheiterten Le Maire hat sich Macron einen „gros poisson”, einen „dicken Fisch” oder Promi aus dem Republikanerlager geangelt. Was die bürgerliche Partei Die Republikaner vor der Parlamentswahl im Juni weiter unter Druck setzt − und der Spaltung näher bringt.

Der 48-Jährige Le Maire hat enge Beziehungen zu Deutschland − ebenso wie die liberale Europaabgeordnete Sylvie Goulard (52), die als Armeeministerin künftig das bisherige Verteidigungsministerium führt. Macron hatte in seinem Wahlkampf für eine enge Partnerschaft mit Deutschland geworben. An mehreren Schlüsselstellen im neuen Kabinett sitzen jetzt Politiker mit guten Verbindungen nach Deutschland.

Blick auf Deutschland

Die Außenpolitik übernimmt der Sozialist Jean-Yves Le Drian (69). Praktisch während der gesamten Amtszeit von Macrons Vorgänger François Hollande war er Verteidigungsminister und galt als einer der wichtigsten und verlässlichsten Vertrauten des glanzlosen Präsidenten. Der überaus populäre Bretone hat sich schon im Februar Macron angeschlossen. Le Drians Amt heißt künftig Europa- und Außenminister − diese neue Gewichtung dürfte auch ein Signal an die EU-Partner sein.

Frankreich wünscht sich ein größeres militärisches Engagement Deutschlands.

Le Monde

Wie Le Drian gilt auch die neue Verteidigungsministerin Goulard als Befürworterin einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik. Worunter französische Politiker aller Couleur allerdings keine gemeinsame Armee verstehen. Von Deutschland wünscht sich Frankreich schlicht mehr militärisches Engagement: Frankreich wolle die militärischen Operationen übernehmen und Deutschland einen größeren Anteil der dann folgenden Aufbau- und Entwicklungsaufgaben überlassen, erläutert Le Monde. Gleichzeitig will Paris die militärische Partnerschaft mit Großbritannien ausbauen und konsolidieren − Brexit hin oder her.

Macronismus

Macron und Premierminister Philippe bildeten eine Regierung aus 18 Ministern und vier Staatssekretären, jeweils zur Hälfte Frauen und Männer. Das Innenministerium, das nach der Terrorserie der vergangenen Jahre großes Gewicht hat, übernimmt Gérard Collomb (69). Der Senator und Bürgermeister von Lyon kommt ursprünglich von den Sozialisten und war einer der ersten Unterstützer Macrons. Der Zentrumspolitiker François Bayrou führt das Justizministerium. Macron verdankt ihm viel: Bayrou hatte im März auf eine eigene Präsidentschaftskandidatur verzichtet, sich Macron angeschlossen und ihm damit die Wähler seiner Demokratischen Bewegung (MoDem) zugeführt – und vier bis sechs entscheidende Prozentpunkte in der ersten Wahlrunde.

Diese Regierung ist die schönste Illustration der Überzeugungen Macrons: liberal in der Wirtschaft, fortschrittlich bei den Werten, pragmatisch in der Sozialpolitik.

Le Monde

Die frühere Danone-Personalchefin Muriel Pénicaud wird als Arbeitsministerin eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit haben. Mehrere Vertreter der Zivilgesellschaft sitzen mit am Kabinettstisch: Zum Minister für den „Ökologischen und Solidarischen Wandel” machte Macron den Filmemacher und Umweltaktivisten Nicolas Hulot. Die Fechterin Laura Flessel wird Sportministerin, Verlegerin Françoise Nyssen Kulturministerin.

Das Regierungsteam sei unmittelbarer Ausdruck des Macronismus, deutet ein Kommentator der Tageszeitung Le Monde: „Wirtschaftlich ist Emmanuel Macron eher liberal und vertraut darum diesen Bereich Persönlichkeiten aus dem rechten Lager an.” Von den politischen Werten her gehöre er zu den Zentristen oder der linken Mitte und überlasse Politikern dieser Orientierung sozusagen die hoheitlichen Aufgaben. In der Sozialpolitik sei Macron vor allem Pragmatiker und übergebe diesen Bereich darum den „Experten” aus der Zivilgesellschaft.

Mit der Ernennung von Edouard Philippe hat er die Rechte annektiert. Die Sozialisten sind schon absorbiert.

Jean-Luc Mélenchon

Die Republikaner erklärten schon am Dienstag, die in die Regierung eingetretenen Konservativen gehörten nicht mehr zu ihrer Partei. „Der Präsident der Republik will die demokratische Debatte in einer inakzeptablen Alternative zwischen En Marche und den Extremen einschließen”, kritisierte Republikaner-Chef Bernard Accoyer. Die Sozialistische Partei reagierte ihrerseits empört auf das Gewicht konservativer Politiker in der Regierung. Macron wolle die die Herrschaft über die gesamte politische Klasse des Landes übernehmen, wetterte Jean-Luc Mélenchon, Chef der linksradikalen Partei „France Insoumise” – „rebellisches Frankreich”. Mélenchon: „Mit der Ernennung von Edouard Philippe hat er die Rechte annektiert. Die Sozialisten sind schon absorbiert.”

Macron will bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 11. und 18. Juni eine Mehrheit für seine Reformagenda erringen. Gelingt ihm das nicht, könnte er gezwungen sein, eine neue Regierung mit politischen Gegnern einzusetzen.