Freunde im Herzen Europas
Das war vor zehn Jahren noch undenkbar: Die CSU-Landtagsfraktion und Ministerpräsident Horst Seehofer reisen zu dreitägigen Gesprächen nach Prag. Am heutigen Mittwoch trifft Horst Seehofer den tschechischen Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka.
Prag

Freunde im Herzen Europas

Das war vor zehn Jahren noch undenkbar: Die CSU-Landtagsfraktion und Ministerpräsident Horst Seehofer reisen zu dreitägigen Gesprächen nach Prag. Am heutigen Mittwoch trifft Horst Seehofer den tschechischen Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka.

Es soll der Höhepunkt der dreitägigen CSU-Fraktionsreise nach Prag sein: Heute will Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer den tschechischen Premierminister Bohuslav Sobotka treffen. Seehofer hatte vorab angekündigt, er wolle mit Sobotka über sämtliche aktuelle Themen reden, von der Wirtschafts- über die Flüchtlings- bis zur Verkehrspolitik. Nötig seien etwa bessere Bahnverbindungen zwischen den beiden Nachbarländern.

Das ist auf einem sehr guten Weg.

Ministerpräsident Horst Seehofer über die Beziehungen zwischen Bayern und der Tschechischen Republik

Allerdings war noch nicht völlig klar, ob das Treffen tatsächlich stattfindet. Hintergrund ist der Rücktritt von Sobotkas Regierung, den Sobotka der Agentur CTK zufolge am Dienstag angekündigt hatte. Er will Staatspräsident Milos Zeman bis Freitag das offizielle Rücktrittgesuch überreichen. Grund seien Steuerbetrugs-Vorwürfe gegen Finanzminister Andrej Babis, den Vorsitzenden des Koalitionspartners ANO. Er wolle mit diesem Schritt einen Ausweg aus der politischen Krise ermöglichen, gab Sobotka überraschend bekannt. Die letzte Entscheidung liegt nun bei Zeman.

Freundschaftliche Beziehungen

Seehofer hatte am Dienstag betont, die Weiterentwicklung der politischen Beziehungen zum Nachbarland Tschechien sei „auf einem sehr guten Weg”. Vor einigen Jahren sei es noch undenkbar gewesen, dass die beiden Nachbarn normale Beziehungen pflegen könnten. Nun könne man sogar schon von freundschaftlichen Beziehungen sprechen.

Wegen der Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Krieg war das Verhältnis zwischen den Regierungen von Tschechien und Bayern lange angespannt. So hatte Ex-Regierungschef Edmund Stoiber (CSU) wegen der sogenannten Benes-Dekrete, die die Vertreibung legitimierten und es noch immer tun, stets einen offiziellen Besuch in Prag abgelehnt. Hintergrund war, dass die bayerische Regierung in den 1950er Jahren die Schirmherrschaft für die vertriebenen Sudetendeutschen übernommen hatte. Erst Seehofer sorgte für eine Normalisierung.

Nach Jahrzehnten der Feindschaft und Trennung sind wir Nachbarn und Freunde im Herzen Europas.

Ministerpräsident Horst Seehofer

Die ist inzwischen weit fortgeschritten. So eröffnete Seehofer am 4. Dezember 2014 die Repräsentanz des Freistaats Bayern in Prag, im Beisein von Ministerpräsident Sobotka. In seiner Rede würdigte Seehofer damals die Einrichtung einer bayerischen Vertretung in Tschechien als Symbol für die gewachsene Freundschaft zwischen Bayern und Tschechien und für ein gemeinsames Europa. Seehofer sagte damals: „100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs, 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs und 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs können wir dankbar und glücklich feststellen: Tschechien und Bayern haben gemeinsam viel erreicht. Nach Jahrzehnten der Feindschaft und Trennung sind wir Nachbarn und Freunde im Herzen Europas.“ Mit der Eröffnung der Repräsentanz in Prag seien Tschechien und Bayern noch enger zusammengerückt.

Kontakte der Landtagsfraktion

Die CSU-Landtagsfraktion will nun das Verhältnis zwischen Bayern und Tschechien weiter verbessern und die Zusammenarbeit ausbauen. „Wir haben in den vergangenen Jahren sehr gute politische Beziehungen zu unserem Nachbarland Tschechien aufgebaut”, sagte Fraktionschef Thomas Kreuzer. Auf der Tagesordnung stehen die Themen Verkehr, insbesondere die mögliche künftige Modernisierung der Bahnverbindung Prag-München, die Wirtschaftsbeziehungen sowie Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kultur. Bayern ist für Tschechien der wichtigste Handelspartner in Deutschland.

Die Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik, bei Infrastrukturmaßnahmen oder auch im kulturellen Bereich ist sichtbares Zeichen unserer guten Nachbarschaft.

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer

Darüber hinaus will die Landtags-CSU politische Gespräche mit Fachpolitikern des Parlaments führen − unter anderem mit dem Vorsitzenden des Senats, Milan Stech, Finanzminister Andrej Babis und dem Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, Jan Hamacek. „Die Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik, bei Infrastrukturmaßnahmen oder auch im kulturellen Bereich ist sichtbares Zeichen unserer guten Nachbarschaft”, betonte Kreuzer. „Wir werden unsere Gespräche nutzen, um diese gute Zusammenarbeit weiter auszubauen.”

Das Problem der Benes-Dekrete

Teilnehmer der Informationsfahrt ist auch Steffen Hörtler, Landesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft: „Wir freuen uns sehr, dass uns der Landesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Prag begleitet. Das ist ein sichtbares Zeichen der Verständigung und Aussöhnung zwischen unseren Ländern. Diesen Prozess wollen wir weiter verstetigen”, sagte Kreuzer.

Der Freistaat Bayern hat seit 1954 die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen übernommen. Als Sudetendeutsche bezeichnen sich die nach dem Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei vertriebenen Deutschen. 2,8 Millionen Sudetendeutschen wurden damals aufgrund der sogenannten Benes-Präsidentendekrete zu Staatsfeinden erklärt, enteignet und vertrieben. Viele von ihnen kamen nach Bayern. Angaben von Historikern zufolge sind bei der Vertreibung 60.000 bis 70.000 Sudetendeutsche ums Leben gekommen.

Die zum Teil schon während des Während des Zweiten Weltkrieges von der tschechoslowakischen Exilregierung in London erlassenen 143 Benes-Dekrete wurden1946 vom Parlament in Prag gebilligt. Sie haben noch heute Gesetzeskraft, was das slowakische Parlament 2007 eigens bekräftigte. Die Enteignungs- und Vertreibungsdekrete und ihre fortdauernde Gültigkeit haben jahrzehntelang zu bitterem Konflikt zwischen Vertriebenenverbänden in Deutschland und Österreich auf der einen und der Tschechoslowakei beziehnungsweise deren Nachfolgestaaten Tschechien und der Slowakei geführt. (dpa)