Migration bremsen – aber wie?
Europäische und nordafrikanische Länder wollen Migranten auf ihrem Weg nach Europa aufhalten und Schleppern das Handwerk legen. Das haben in Rom die Innenminister unter anderem aus Italien, Deutschland, Frankreich, Österreich und Slowenien mit Vertretern aus Algerien, Tunesien und Libyen besprochen. Derzeit kommen 50 Prozent mehr Migranten aus Afrika als im Vorjahr.
Flüchtlinge

Migration bremsen – aber wie?

Europäische und nordafrikanische Länder wollen Migranten auf ihrem Weg nach Europa aufhalten und Schleppern das Handwerk legen. Das haben in Rom die Innenminister unter anderem aus Italien, Deutschland, Frankreich, Österreich und Slowenien mit Vertretern aus Algerien, Tunesien und Libyen besprochen. Derzeit kommen 50 Prozent mehr Migranten aus Afrika als im Vorjahr.

Mit einer neuen, gemeinsamen Initiative wollen europäische und nordafrikanische Länder Migranten an der lebensgefährlichen Überfahrt nach Europa hindern. Bei einem Treffen der Innenminister, unter anderem aus Italien, Deutschland, Frankreich, Österreich, Malta und Slowenien, und Vertretern aus Tunesien und Libyen wurde am Montag in Rom eine ständige „Kontaktgruppe” ins Leben gerufen. Erst am Wochenende waren wieder Tausende Migranten aus Seenot „gerettet” worden, in die sie sich selber gebracht hatten.

Wir wollen versuchen, aus dem Gegeneinander − hier die Europäer, dort die Nordafrikaner − eine Gemeinsamkeit zu stiften.

Thomas de Maizière

„Natürlich haben wir nicht alles gelöst und niemand von uns hat eine Lösung schon in der Tasche”, sagte Italiens Innenminister Marco Minniti. Aber es gehe darum, gemeinsam zu handeln. Die Gruppe soll regelmäßig zusammenkommen. Zentrale Punkte sind unter anderem die Stärkung der Küstenwache und des Grenzschutzes in Libyen. Fluchtursachen in afrikanischen Ländern sollen bekämpft und die Flüchtlinge besser geschützt werden.

Problem Libyen

„Wir wollen versuchen, aus dem Gegeneinander − hier die Europäer, dort die Nordafrikaner − eine Gemeinsamkeit zu stiften”, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor Beginn des Treffens, das auf Initiative Italiens zustande kam. Die beteiligten Staaten müssten versuchen, die Menschen aufzuhalten, „sich durch Libyen auf den Weg zu machen”, sagte de Maizière. „Das Ziel ist, das Geschäftsmodell der Schlepper und Schleuser zunichte zu machen.” An die Migranten müssten klare Botschaften gesendet werden: Dass der Weg durch Libyen schwer ist, sie an der Küste von ihrer Flucht abgehalten werden und sie in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden, sollten sie es bis nach Europa schaffen. Problem: Genau das geschieht eben nicht. Derzeit nehmen europäische Schiffe die Migranten unmittelbar vor der Küste Libyens auf, bringen sie dann nach Italien und Europa und befördern so indirekt das Geschäft der Schlepper. Von Italien oder Europa zurückgeschickt werden, wenn überhaupt, nur sehr wenige afrikanische Migranten.

Die von EU und Uno gestützte Regierung Sarradsch hat nicht einmal ganz Tripolis unter Kontrolle.

Die Stabilisierung des libyschen Staates ist aus Sicht des EU-Kommissars für Migration und Inneres, Dimitris Avramopoulos, der Schlüssel für die Lösung der Migrationskrise. Denn die Lage in dem Bürgerkriegsland ist denkbar schwierig: Trotz vor allem westlicher Unterstützung schaffte es die unter UN-Vermittlung aufgestellte Einheitsregierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch im vergangenen Jahr nicht, ihre Macht nennenswert auszubauen. Zwei Gegenregierungen − eine in Benghasi, eine in Tripolis − machen seiner Führung schwer zu schaffen. Die Regierung Al-Sarradsch muss sich auf unzuverlässige Milizen stützen und hat nicht einmal ganz Tripolis unter Kontrolle, wo zuletzt heftige Gefechte tobten. Al-Sarradsch war bei dem Treffen in Rom ebenfalls dabei.

Immer mehr Migranten aus Schwarzafrika

Italien ist von der Flüchtlingskrise besonders betroffen, da dort derzeit die meisten der fast ausschließlich schwarzafrikanischen Migranten über das Mittelmeer ankommen. Vom 1. Januar bis zum 16. März waren es nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) rund 15.852. Das sind ziemlich genau 50 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres mit 10.727 Migranten. Wenn der Trend anhielte, müssten Italien − und Europa − für dieses Jahr auf der zentralen Mittelmeerroute mit fast 300.000 Migranten aus Afrika rechnen. Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni forderte mehr Engagement anderer EU-Staaten. „Nicht nur die Geografie entscheidet, wer sich auf gemeinsamem Territorium einbringt.”

Tausende wagen die Überfahrt

Doch trotz mehrerer Gipfel und Erklärungen zur Migration begeben sich immer noch Tausende Migranten von Libyen aus auf die lebensgefährliche Überfahrt. Allein am Wochenende wurden innerhalb von 24 Stunden mehr als 3000 Migranten bei mehr als 20 Operationen geborgen. Davon rettete die deutsch-französisch-italienische Initiative SOS Mediterranee fast 1000 Migranten, darunter fast 200 Kinder und Jugendliche, von neun Booten, wie es auf ihrer Webseite hieß. Grund für die vielen Überfahrten ist das derzeit günstige Wetter. Die Europäische Kommission gibt 12,2 Millionen Euro für die italienische Küstenwache, um die Rettungsaktionen zu unterstützen.

(Mit Material von dpa)