Was will Putin?
Russland will Weltordnung, aber nicht made in the US, sondern multipolar, mit Veto des Kreml über alle Weltangelegenheiten. Putin will das letzte Kapitel der Sowjetunion und die Zeit der Verluste seitdem revidieren. Es geht um die Erbfolge von Zaren und Kommissaren.
Moskau droht dem Westen

Was will Putin?

Kommentar Russland will Weltordnung, aber nicht made in the US, sondern multipolar, mit Veto des Kreml über alle Weltangelegenheiten. Putin will das letzte Kapitel der Sowjetunion und die Zeit der Verluste seitdem revidieren. Es geht um die Erbfolge von Zaren und Kommissaren.

Nuklearfähige Tupolew-Bomber fliegen von der Ostsee bis zur Biskaya. Vor Brisbane/Australien patrouillieren russische Kriegsschiffe just zu dem Zeitpunkt, da die G20 Chefs, eingeschlossen Angela Merkel, Sinn in die Weltpolitik zu bringen suchen.

Was will Putin? Zunächst und vor allem will er, nach dem langen Siechtum Russlands und seines Militärs, Flagge zeigen. Zum zweiten will er beweisen, dass Russland, militärisch jedenfalls, wieder Weltmacht ist. Zum dritten will er einschüchtern und nebenbei die Chinesen daran erinnern, ebenso wie die Amerikaner, dass ihnen die Welt nicht allein gehört. Der Ölpreis mag abgleiten, der Rubel fallen, die Börse stürzen: Militärisch jedenfalls, wo Putin Milliarden Petrodollars investiert hat, will Russland den verlorenen Rang zurück. Das bedeutet noch nicht Ernstfall, wohl aber die Botschaft, dass Russland auf den sieben Weltmeeren und im Luftraum darüber ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Auch ohne die Ukraine-Krise dieser Wochen und Monate würde es solche unerwünschten Besuche geben, würde Russland symbolisch Weltmacht darstellen. Aber die Ukraine-Krise unterlegt die Ereignisse von der Biskaya bis Brisbane mit der Warnung vor Krieg.

Der Westen denkt kaufmännisch, Russland geopolitisch – und militärisch

Die Epoche des Kalten Krieges ist vorbei, und sie wird nicht wiederkommen, nicht in der wilden Form bis zur Berlin- und Cuba-Krise, als Chruschtschow nukleare Macht umsetzen wollte in eine andere Landkarte Europas und Amerika aus der Nähe bedrohen wollte. Aber auch nicht in der durch Rüstungskontrolle und Inspektionen, diplomatische Kooperation und eine nukleare Straßenverkehrsordnung seitdem gezähmten Variante. Putin ist auf der Suche nach einer neuen Rolle Russlands, die viel von der alten in sich trägt. Dafür geht er bis an den Rand des Ernstfalls via Hybrid-Krieg.

Das Jahrestreffen des Valdai-Clubs in Sochi, mit Putin als Hauptredner, stellten die russischen Gastgeber unter die ominöse Formel: „New Order or no Order“. Russland will Weltordnung, aber nicht made in the US, sondern multipolar, mit Veto des Kreml über alle Weltangelegenheiten. Putin will das letzte Kapitel der Sowjetunion und die Zeit der Verluste seitdem revidieren. Es geht um die Erbfolge von Zaren und Kommissaren. Das Ringen um die Ukraine ist der gefährlichste, gewagteste und unberechenbarste Teil davon.

Dieser Kampf ums Erbe ist noch lange nicht zu Ende, und die westlich en Sanktionen werden Russland zwar schaden, aber nicht zur Preisgabe der Krim führen – das bleibt eingefrorener Konflikt. Der Westen eskaliert wirtschaftlich und finanziell, Russland militärisch. Der Westen denkt kaufmännisch, Russland geopolitisch. Beides lässt sich nicht verrechnen. Deshalb ist die Lage brandgefährlich, und ehe sie besser wird, wird sie noch brenzliger.

Selten waren Staatskunst und Diplomatie so notwendig, und selten so knapp im Angebot.