Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer treten erneut gegeneinander an. (Foto: Imago/Eibner Europa)
Österreich

Stichwahl im Schatten des Brexit

Am 2. Oktober holen die Österreicher die ungültige Präsidentenwahl nach. Die erneute Auseinandersatzung um das höchste Amt im Staat dürfte äußerst intensiv und hart geführt werden. Schon jetzt geistern wilde Gerüchte durchs Internet. Das dominierende Thema jedoch ist der Verbleib des Landes in der Europäischen Union.

Eines muss man den Österreichern lassen. Ihren Humor haben sie nicht verloren. Für das Debakel bei der Stichwahl zum Bundespräsidenten und die vom höchsten Gericht angeordnete Wiederholung haben sie ein schönes Kürzel gefunden: Die Rede ist seither vom „Präxit“.

Das dürfte aber auch schon das einzige Lustige an der erneuten Stichwahl sein, die am 2. Oktober abgehalten werden soll. Der Ausgang wird wohl mindestens so spannend und knapp sein, wie bei der ungültigen Entscheidung. Laut einer aktuellen Gallup-Umfrage für die Zeitung Österreich liegt der Wahlsieger vom 22. Mai, Alexander Van der Bellen, erneut hauchdünn vor Norbert Hofer. Demnach käme der ehemalige ­Grünen-Chef auf 50,6 Prozent der Stimmen – auf den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer entfielen 49,4 Prozent. Erneut findet der Grüne seine Wähler vor allem unter Frauen, Jungen und Älteren sowie in den Städten, der FPÖ-Bewerber hat den größten Rückhalt bei Männern und auf dem Land.

Gerüchte im Internet

Angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens erwartet die Österreicher erneut ein äußerst harter Wahlkampf. Den ersten Vorgeschmack darauf gab es bereits. Grünen-Kandidat Van der Bellen wehrte sich in einem Interview gegen im Internet verbreitete Gerüchte: „Zum Beispiel, ich sei krebskrank, läge im Sterben oder hätte nur einen Lungenflügel. Allesamt erstunken und erlogen!“

Öxit als Wahlkampfthema

Das dominante Thema der erneuten Auseinandersetzung dürfte Österreichs Zukunft in der Europäischen Union sein. Die Debatte hat durch die Brexit-Entscheidung noch einmal an Schärfe gewonnen. So liebäugelt die FPÖ mit einem „Öxit“, dem Austritt Österreichs aus der EU. Nach dem Votum der Briten verlangte FPÖ-Kandidat Hofer, dass es innerhalb eines Jahres Veränderungen in der EU geben müsse, sonst werde es auch in Österreich zu einer Abstimmung über den Verbleib kommen. „Großbritannien hat bewiesen, dass die EU – diese EU – offenkundig weit weg von den Menschen ist“, sagte Hofer in einem Interview. „Daher bin ich überzeugt, dass eine Erneuerung der Europäischen Union notwendig ist, eine EU, die sich ihrer Grundwerte erinnern und bürgernäher sein muss.“ Die EU, so Hofer, müsse sich wieder darauf besinnen, eine wirtschaftliche Gemeinschaft zu sein. Darüber müssten neue Verträge ausgearbeitet werden. Sollte sich die Union dagegen zu einer zentralistischen Union entwickeln und die Türkei aufnehmen, dann müssten die Österreicher befragt werden.

FPÖ thematisiert innere Sicherheit

Ansonsten, erklärte der FPÖ-Politiker, werde er bei seinen bekannten Argumenten bleiben: „Ich habe ein tiefes politisches Credo und einige Anhaltspunkte in Bezug auf verschiedene Themen, wie die Leidenschaft für die direkte Demokratie, die Aversion gegenüber TTIP sowie auch das Problem der internen Sicherheit.“

Van der Bellen hingegen glaubt, der Brexit werde seiner Kampagne helfen. Wer jetzt noch nicht verstehe, dass England und das Vereinigte Königreich ernsthaft gefährdet sei, im Chaos zu versinken, dem sei leider nicht zu helfen, sagte der Grüne. „Jeder, der etwas von Wirtschaft versteht, weiß: Die Engländer können einem nur leid tun – insbesondere die, die an der Armutsgrenze leben und um ihre Jobs bangen“, so van der Bellen. „Ich sage: Finger weg von solchen Experimenten wie dem Brexit.“

Neue Chance für Wiener Koalition

Eine positive Wirkung aber, da sind sich viele Beobachter in Österreich einig, hat die erneute Stichwahl. Sie beendet die Spekulationen über eine baldige Neuwahl des Nationalrats und damit der Regierung. In der Vergangenheit wurde regelmäßig diese Möglichkeit ins Spiel gebracht – vor allem von den Oppositionsparteien FPÖ und NEOS. Die große Koalition aus SPÖ und ÖVP ist zerstritten. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann war nach dem verheerenden Abschneiden seiner SPÖ in der ersten Runde der Präsidentenwahl zurückgetreten und durch den ehemaligen Bahn-Manager Christian Kern ersetzt worden. In Umfragen erhielt die Regierungskoalition zuletzt keine Mehrheit mehr.

„Der dritte Hofburgwahlgang stellt alle Neuwahl-Zündler zumindest kurzfristig kalt“, schreibt der Kommentator der Tageszeitung Kurier. „Wer Österreich nach dem Präxit in eine weitere Neuwahl zwingt, begeht Harakiri mit Anlauf.“ Die Wahl zum Bundespräsidenten sei eine Chance zum Neustart der Regierung und verschaffe dem neuen Kanzler Kern etwas Zeit. Die Koalition, so der Autor, müsse diese Zeit allerdings nutzen – um zu arbeiten, nicht um zu streiten.