Im Krieg: Russland greift die Ukraine an. Bild: Fotolia/rangizzz
51. Sicherheitskonferenz

Die Grenzen Europas bleiben unverrückbar

Eine Reise einiger europäischer Regierungschefs nach Moskau überrascht die Welt: Die Münchner Sicherheitskonferenz geriet zum Zentrum dramatischer Krisendiplomatie. Antworten auf die Frage, wie der Eskalation des Bürgerkrieges in der Ostukraine zu begegnen sei, hatte niemand.

Dass hat es in über 50 Jahren Sicherheitskonferenz noch nicht gegeben: Die Münchner Sicherheitskonferenz als bedrohlicher Thriller, nicht auf dem Bildschirm, sondern in der Realität, mitten in Europa. Völlig überraschend hatten am Tag vor Beginn der Konferenz Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande angekündigt, gemeinsam erst nach Kiew und dann nach Moskau zu Präsident Putin fliegen zu wollen. Bislang hatte Merkel vor einem Treffen mit Putin den Minsker Waffenstillstand erfüllt sehen wollen. Plötzlich galt das nicht mehr, was alle Münchner Beobachter als Alarmsignal werteten: Die Ukraine-Krise wird gefährlich, für ganz Europa. Hollandes Pariser Kommentar klang danach: Die Ukraine-Krise sei zum Konflikt und vom Konflikt zum Krieg geworden, der jetzt zum „totalen Krieg“ zu werden drohe. In der Ostukraine untermalte Kanonendonner Hollandes Wort.

Die beiden wichtigsten europäischen Staats- und Regierungschefs stürmten sozusagen Präsident Putins Büro im Kreml – so etwas hat es kaum je gegeben. Würde Kanzlerin Merkel wirklich, wie geplant, zur Sicherheitskonferenz erscheinen? Welche Nachrichten würde sie aus Moskau mitbringen? Die Kanzlerin kam tatsächlich, aber ohne die erhoffte Botschaft der Erleichterung. „Es ist ungewiss, ob sie Erfolg haben“, berichtete sie über die „Gespräche gestern in Moskau“. Ein unversöhnlicher Auftritt von Russlands Außenminister Sergej Lawrow, gleich nach Merkel, stimmte nicht optimistischer.

Etwas Hoffnung kam erst am Sonntag, nach stundenlanger Telefondiplomatie von München aus: Merkel, Hollande, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und Putin würden sich in Minsk zum Gipfel treffen. Nur wenn Kiew Bedingungen erfüllte, schob Putin einen Tag später hinterher. Da war Kanzlerin Merkel schon in Washington, um sich mit Präsident Barack Obama zu besprechen.

Joe Biden: „Wir erkennen keine Einflussspähren an“

Kein Wunder, dass es im Münchner Konferenzsaal und auf den Fluren des Konferenzhotels fast ausschließlich um die Ukraine ging – und um den transatlantischen Zusammenhalt. Keinesfalls werden die Europäer europäische Grundwerte aufgeben, betonte Merkel: „Die Grenzen Europas sind und bleiben unverrückbar. Die Völker Europas sind und bleiben frei, ihre Zukunft selbst zu bestimmen.“ „Wir werden nicht anerkennen, dass irgendeine Nation Einflusssphären beansprucht“, ergänzte US-Vizepräsident Joseph Biden.

Außenminister Lawrow verlor kein Wort über die Moskauer Gespräche. Dafür provozierte er seine Zuhörer fast mit jedem Satz: Die Annexion der Krim folge dem in der „UN-Charta fixierten Recht auf Selbstbestimmung“. Anders als die Wiedervereinigung Deutschlands sei der Anschluss der Krim an Russland sogar die Folge eines Referendums gewesen. Überhaupt: Schon die Sowjetunion sei immer für die Einheit Deutschlands eingetreten.

 Angela Merkel: „Militärisch ist das für die Ukraine nicht zu gewinnen, das ist die bittere Wahrheit.“

Wenn Bundeskanzlerin Merkels Krisen-Diplomatie scheitert, was dann? Soll man dann Kiew mit „Verteidigungswaffen“ versorgen, damit sich die Ukraine verteidigen könne und um Moskau abzuschrecken? Präsident Poroschenko warb dafür. Einige amerikanische Gäste setzten sich offen dafür ein, manche ost- und nordeuropäischen Teilnehmer auch. Kanzlerin Merkel hielt dem ein gutbegründetes „Nein“ entgegen: „Militärisch ist das für die Ukraine nicht zu gewinnen, das ist die bittere Wahrheit.“ US-Vizepräsident Joe Biden gab ihr recht, fügte aber hinzu: „Wir glauben aber auch, dass das ukrainische Volk ein Recht hat, sich selbst zu verteidigen.“ Die Krise könne nicht militärisch enden, meinte auch US-Außenminister John Kerry – „aber je länger sie dauert, desto mehr sind wir gezwungen für Russland die Kosten zu erhöhen.“ Von Lawrow kam zu der Diskussion nur eine kaum verhohlene Drohung mit der Invasion der Ukraine: Westliche Unterstützung steige den Ukrainern zu Kopf, „so wie sie 2008 Sakaschwili [in Georgien] zu Kopf gestiegen ist, und wir wissen wie das ausgegangen ist.“