49 Tote, 53 Verletzte: Ermittler am Tatort, dem überwiegend von Homosexuellen besuchten Club "Pulse" in Orlando. (Foto: Imago/ZUMApress)
USA

Islamismus-Debatte nach dem Blutbad

Der afghanisch-stämmige Amerikaner Omar Mateen ermordet in einer Disco in Orlando 49 Besucher - die tödlichste Schießerei in der US-Geschichte. Der Täter reklamierte das Massaker für die Terrororganisation "Islamischer Staat", nach FBI-Ermittlungen hatte er aber keinerlei Verbindungen dorthin. Im Präsidentschaftswahlkampf dreht sich der Streit um den harten Zugriff auf den internationalen Terror.

Gegen 2 Uhr morgens beginnt das Blutbad. Gerade noch sind die Tänzer im Club „Pulse“ in Orlando (US-Bundesstaat Florida) zu Salsa- und Merengue-Rhythmen über die Tanzfläche geschwebt. Da eröffnet der Mann, den die US-Sicherheitsbehörden inzwischen als Omar Mateen, 29, identifziert haben, das Feuer. Innerhalb kurzer Zeit türmen sich Leichen auf dem Boden, Verwundete schreien, Blut fließt im wörtlichen Sinne in Strömen. Da Mateen schon zu Beginn seiner Attacke selbst die Notrufnummer 911 gewählt hat, um sich zur Terrororganisation IS zu bekennen, ist die Polizei schon auf dem Weg. Binnen Minuten folgen zahlreiche Hilferufe aus dem Club über die 911-Nummer.

Als die Polizei mit massivem Aufgebot anrückt, muss sie den Tatort stundenlang belagern, weil Mateen den noch nicht geflohenen Teil der Besucher als Geiseln nimmt. Beim Sturm auf das „Pulse“ erschießen Polizisten den Täter schließlich. So dass einschließlich ihm selbst 50 Menschen bei diesem Angriff auf die überwiegend von Homosexuellen besuchte Diskothek sterben, weitere 53 werden verletzt. Von ungefähr 320 Besuchern im „Pulse“, die sich in den frühen Morgenstunden dort aufhielten. Nach Zahl der Opfer ist dies die tödlichste Schießerei in der US-Geschichte, und die zweit-tödlichste weltweit: hinter dem Anschlag eines norwegischen Ultranationalisten auf ein Jugend-Sommerlager auf der Insel Utoya nahe Oslo.

Obamas Reaktion und Trumps Gegenreaktion

US-Präsident Barack Obama reagierte tief betroffen auf die Tragödie: „Im Angesicht von Hass und Gewalt, werden wir einander lieben. Wir werden nicht der Angst nachgeben und uns gegeneinander wenden. Stattdessen werden wir zusammenstehen als Amerikaner, um unsere Leute und unsere Nation zu verteidigen.“

Die Schüsse von Orlando hallen jedoch auch im US-Wahlkampf nach. Der mutmaßliche republikanische Präsidentschaftskandidat  Donald Trump griff Obama via Twitter an: Er bedanke sich für die Zustimmung, dass er recht behalten habe mit seiner Haltung zum „radikalen islamischen Terror“, schreibt Trump. Aber er wolle keine Zustimmung – „ich will Härte und Wachsamkeit“.  Eine indirekte Anspielung auf Obama, dem Trump in der Vergangenheit bereits Schwäche im Kampf gegen den Islamismus vorgeworfen hatte. Die wahrscheinliche Kandidaten der Demokraten, Hillary Clinton, veröffentlichte eine Statement: „Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um unser Land gegen Bedrohungen daheim und aus dem Ausland zu verteidigen. Das heißt, internationale Terrorgruppen zu besiegen und mit Partnern zusammenzuarbeiten, um sie zu verfolgen, wo immer sie sind.“

Ein „Homegrown“ Terrorist, der sich selbst radikalisierte, als Täter?

Zwar hat eine der Terrororganisation „Islamischer Staat“ nahestehende, selbst ernannte „Nachrichtenagentur“ die Tat von Orlando für den IS reklamiert. Doch in den USA ist eine Debatte darüber entstanden, ob Schütze Mateen dieser Organisation überhaupt zuzurechnen sei. Nach den Ermittlungen des FBI war der Mann zuletzt bei der Sicherheitsfirma G4S angestellt. Vor einigen Wochen hat er legal ein Gewehr und eine Pistole erworben. Gegenüber Kollegen soll der afghanisch-stämmige Täter durch schwulen-, schwarzen-, frauen- und judenfeindliche Äußerungen aufgefallen sein. Bislang deutet jedoch nichts darauf hin, dass er von Mitgliedern des IS trainiert worden sein könnte. Vielmehr könnte er sich selbst radikalisiert haben. Ins Visier des FBI war Mateen einmal im Jahr 2013 und 2014 geraten, als er sich gegenüber Kollegen mit Verbindungen zu Terroristen gebrüstet hatte. Einmal soll er behauptet haben, er kenne Moner Mohammed Abusalha – einen US-Amerikaner, der als Selbstmordbomber in Syrien starb. Aber nach Auskunft eines FBI-Agenten in Tampa (US-Staat Florida) seien nie Belege für diese Verbindungen gefunden worden.

Taktik der „Einsamen Wölfe“

Zu Beginn des Fastenmonats Ramadan hatte jedoch der IS-Sprecher Abu Muhammad al-Adnani die weltweiten Anhänger zu „Einsamer Wolf“-Attacken ermutigt. In diese Kategorie könnte Mateens Anschlag nach aktuellem Kenntnisstand schon eher fallen.