Schutz vor der Justiz
Wegen Korruptionsermittlungen gegen Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva lehnt ein Bundesrichter dessen Ernennung zum Kabinettschef der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff ab. Im ganzen Land wächst der Unmut, weil die Ernennung Lulas zum Minister ausschließlich als Schutz vor der Justiz durch seine Nachfolgerin gesehen wird.
Brasilien

Schutz vor der Justiz

Wegen Korruptionsermittlungen gegen Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva lehnt ein Bundesrichter dessen Ernennung zum Kabinettschef der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff ab. Im ganzen Land wächst der Unmut, weil die Ernennung Lulas zum Minister ausschließlich als Schutz vor der Justiz durch seine Nachfolgerin gesehen wird.

Brasilien rutscht kurz vor den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro immer tiefer in eine schwere politische Krise. Nach der Ernennung von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zum Kabinettschef der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff lehnte ein Bundesrichter diese in einer vorläufigen Entscheidung ab. Er begründete das mit den Korruptionsermittlungen gegen Lula. Der frühere Justizminister José Eduardo Cardozo sagte der Zeitung Folha de Sao Paulo, Lula sei zwar nun formell Minister, könne aber vorerst nicht auf einige Privilegien zählen: diese könnten ihn ansonsten vor Untersuchungshaft und einem Korruptionsprozess bewahren.

60 Politiker in Korruptionsskandal verwickelt

Als Minister mit allen Privilegien wäre nur der Oberste Gerichtshof für Lula zuständig. Und nicht mehr der rigoros ermittelnde Richter Sérgio Moro – er führt die Ermittlungen im größten Korruptionsskandal Brasiliens. Fast 60 Politiker sollen in Schmiergeldzahlungen bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras verwickelt sein – von der linken Arbeiterpartei bis hin zu führenden Oppositionspolitikern. Moro ordnete auch den Mitschnitt von Telefonaten Lulas an, auch ein Gespräch mit Rousseff wurde publik und an die Medien weitergereicht. Es legt den Verdacht nahe, dass Lula nicht nur der Regierung beim Überwinden der Rezession und politischen Problemen helfen, sondern vor Attacken der Justiz geschützt werden soll. Zunehmend eskaliert der Konflikt zwischen Judikative und Exekutive. Rousseff sagte in ungewöhnlich scharfer Form: „So fangen die Staatsstreiche an.“

Venezuela warnt vor Staatsstreich

Im ganzen Land wächst der Unmut gegen Lula und Rousseff, weil die Ernennung zum Minister als Flucht vor der Justiz gesehen wird. Im Abgeordnetenhaus wurde eine 65-köpfige Sonderkommission gebildet, die ein Amtsenthebungsverfahren der bis Ende 2018 gewählten Rousseff koordinieren soll. Durch die Nominierung Lulas scheint ihr nicht der erhoffte Befreiungsschlag zu gelingen – eher im Gegenteil. Es kam am Abend des 17. März erneut zu Demonstrationen in mehreren Städten.

Für Spekulationen über einen kurz bevorstehenden Koalitionsbruch sorgte das Fernbleiben von Brasiliens Vizepräsident Michel Temer bei Lulas Amtseinführung am 17. März – er ist Parteichef der PMDB (Partido do Movimento Democrático Brasileiro), dem wichtigsten Koalitionspartner der seit 2003 regierenden linken Arbeiterpartei.

Einen dubiosen Verbündeten hat Rousseff immerhin: Venezuelas sozialistischer Staatschef Nicolás Maduro forderte „weltweite Solidarität“ mit Rousseff und Lula. In Brasilien werde von Medien und Justiz an einem Staatsstreich gearbeitet, meinte Maduro, der schon im eigenen Land wegen seiner undemokratischen Anwandlungen kritisiert wird.

Brasilien im Waschgang

Mehr als drei Millionen Menschen demonstrierten bereits Anfang der Woche für eine Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff. Das Portal „O Globo“ berichtete unter Verweis auf Polizeiangaben von bis zu 3,6 Millionen Teilnehmern – es waren die bisher größten Kundgebungen gegen die Präsidentin der linken Arbeiterpartei. Hauptkritikpunkt ist ein Korruptionsskandal. Mehr dazu lesen Sie hier.

(dpa/AS)