Anklage gegen Regensburger OB
Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat gegen den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) Anklage erhoben. Sie wirft ihm unter anderem Bestechlichkeit in zwei Fällen, Vorteilsannahme und Verstöße gegen das Parteiengesetz vor.
Affäre

Anklage gegen Regensburger OB

Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat gegen den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) Anklage erhoben. Sie wirft ihm unter anderem Bestechlichkeit in zwei Fällen, Vorteilsannahme und Verstöße gegen das Parteiengesetz vor.

Nach umfangreichen Ermittlungen zur Regensburger Korruptionsaffäre hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) erhoben. Ihm werden Bestechlichkeit in zwei Fällen, Vorteilsannahme, zwei wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen und fünf Verstöße gegen das Parteiengesetz vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mitteilte. Außerdem angeklagt wurden ein Bauunternehmer, ein früherer Mitarbeiter des Unternehmers und der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende im Regensburger Stadtrat.

Vorwürfe auf sieben Seiten

Die Haftbefehle gegen Wolbergs, den Bauunternehmer und dessen ehemaligen Mitarbeiter bleiben in Kraft, sind aber weiter außer Vollzug gesetzt. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Theo Ziegler, erklärte am Donnerstag, dass weder der dringende Tatverdacht noch die Haftgründe Verdunkelungsgefahr und Fluchtgefahr weggefallen seien. Er betont aber auch, dass bis zu einem Urteil weiterhin die Unschuldsvermutung für die vier angeklagten Personen gilt. Das Landgericht Regensburg prüft die Anklagen jetzt – erst wenn sie diese zulässt, kommt es zum Prozess.

Jeder, der einen Rest Anstand und Ehre hat, würde spätestens zu diesem Zeitpunkt jetzt zurücktreten.

Franz Rieger, CSU

Auf sieben Seiten listet die Anklagebehörde akribisch die Ermittlungsergebnisse auf, die jetzt zu den Anklagen geführt haben. Das alles liest sich wie ein Wirtschaftskrimi, bei dem einflussreiche Personen ihre jeweiligen Positionen schamlos ausnutzten in einem für Außenstehende schwer durchschaubaren Spendensumpf.

Verschleierte Parteispenden?

Wolbergs soll demnach den Bauunternehmer bei der Vergabe eines früheren Kasernenareals im Oktober 2014 bevorzugt haben. Im Gegenzug soll der Firmenchef an die Regensburger SPD von September 2011 bis März 2016 rund 475.000 Euro gespendet haben. Um die Herkunft des Geldes zu verschleiern und die Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro nach dem Parteiengesetz zu unterschreiten, sei das Geld in 48 Einzelbeträgen zu je 9.900 Euro über Strohmänner an die Partei geflossen.

Dem Unternehmer wird Bestechung in zwei Fällen, Vorteilsgewährung sowie Mittäterschaft bei den widerrechtlichen Absprachen vorgeworfen. Er soll Wolbergs, oder Personen, die diesem nahestehen, geldwerte Vorteile verschafft haben – etwa Vergünstigungen für zwei Eigentumswohnungen in Höhe von insgesamt rund 100.000 Euro. Weitere 200.000 Euro sollen an Wolbergs geflossen sein, damit dieser im Stadtrat darauf hinwirke, ein Grundstück des Unternehmers für eine Wohnbebauung umzuwidmen.

Günstiger Millionenkredit

Im Fall des 35 Hektar großen Kasernengeländes war die Baufirma des angeklagten Unternehmers nicht als Sieger aus der ersten Ausschreibung hervorgegangen. Bereits an seinem ersten Tag im Amt als neuer Regenburger OB im Jahr 2014 habe Wolbergs dann aber eine neue Ausschreibung angeordnet. Diese sei auf das Unternehmen zugeschnitten worden, ohne dass der Stadtrat davon gewusst habe. Der Firmenchef soll die neue Ausschreibung sogar selbst mitgestaltet haben: Laut Staatsanwaltschaft schickte ihm dazu der frühere SPD-Fraktionschef die Unterlagen vorab zu, Änderungswünsche sollte er rot markieren – was dieser dann auch getan habe.

Zwei Jahre später soll Wolbergs dann dem Unternehmer zu einem Kredit über 4,5 Millionen zu einem Zinssatz von 0,6 Prozent bei der Sparkasse Regensburg verholfen haben: Der OB stimmte als Vorsitzender des Kreditausschusses der Sparkasse dem Kredit zu, förmliche Sicherheiten seien nicht verlangt worden.

Wolbergs weist Anschuldigungen zurück

Auch der Fußballverein SSV Regensburg soll in die Affäre verwickelt sein. Wolbergs wurde 2014 Mitglied des Aufsichtsrates. Im Gegenzug für den Zuschlag für das Kasernengelände soll der Unternehmer dem Verein eine Kapitalerhöhung von knapp drei Millionen Euro ermöglicht haben – nur sechs Tage, nachdem der Stadtrat über die Vergabe des Kasernenareals zugunsten von dessen Baufirma entschieden hatte.

Wolbergs war am 18. Januar 2017 verhaftet worden und kam zunächst in Untersuchungshaft. Das Landgericht Regensburg setzte den Haftbefehl am 28. Februar außer Vollzug, verhängte jedoch mehrere Kontaktverbote – damit Wolbergs nicht auf mögliche Zeugen einwirken kann.

Wolbergs‘ Anwalt teilte mit, an der Haltung seines Mandanten habe sich nichts geändert – „die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weist er unverändert entschieden zurück“. Der Anwalt warf der Staatsanwaltschaft vor, sie habe der Verteidigung mit der Anklageerhebung die Möglichkeit einer vorherigen abschließenden Stellungnahme genommen und damit gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen. Eine zugesicherte umfassende Akteneinsicht habe es bis heute nicht gegeben. Ebenso seien Kopien der Mitschnitte von Telefonüberwachungen nicht zugesandt worden.

CSU verlangt Rücktritt des OB

Auch nach der Anklageerhebung sind Neuwahlen in Regensburg weiterhin nicht möglich: Dazu müsse Wolbergs entweder als Oberbürgermeister zurücktreten oder nach einer Verurteilung vollständig seines Dienstes enthoben werden, erläutert die stellvertretende Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD). Sie führt seit gut sechs Monaten die Amtsgeschäfte im Rathaus.

Der Regensburger CSU-Chef und Landtagsabgeordnete Franz Rieger forderte Wolbergs zum Rücktritt auf: „Jeder, der einen Rest Anstand und Ehre hat, würde spätestens zu diesem Zeitpunkt jetzt zurücktreten. Das wäre notwendig – für uns alle, für die Stadt und auch für weitere politische Entwicklungen. Das würde bedeuten: in drei Monaten Neuwahlen. Dann hätten wir Klarheit und dann könnte ein neuer Oberbürgermeister neue Politik machen und in der Verwaltung weiter aufklären.“