Überfälliger Schritt: Die Ära Sepp Blatter endet Anfang 2016. Bild: Imago/Sven Simon
Neuer FIFA-Präsident

Neue Spitze, altes System?

Nach all den Querelen wählt die FIFA an diesem Wochenende ihren neuen Präsidenten. Die aussichtsreichsten Kandidaten sind der UEFA-Generalsekretär Infantino und der Scheich Al-Chailfa. Vom viel beschworenen Neuanfang des Weltverbands ist allerdings schon im Vorfeld nicht mehr viel übrig. Denn egal, wer am Ende Sepp Blatters Nachfolger wird: Beide Kandidaten sind schon jetzt in der Kritik.

Wer wird neuer FIFA-Präsident? An diesem Wochenende soll für den Fußball-Weltverband eigentlich eine neue Ära anbrechen. Nach den Querelen um Sepp Blatter und seinen eigentlich designierten Nachfolger Michel Platini – Korruptionsvorwürfe, dubiose Zahlungen, Rücktrittsposse – will die FIFA einen Neuanfang wagen. Eine veränderte Struktur soll die bisherige faktische Allmacht des Präsidenten brechen, die Positionen der Generalsekretärs und des FIFA-Kommitees sollen gestärkt werden.

Zwei Kandidaten können sich Hoffnungen machen

Die wichtigste Figur im FIFA-Zirkel bleibt aber dennoch nach wie vor: der Präsident. Dabei gibt es mehrere Kandidaten – und ein neues Wahlsystem. Zwei der Bewerber gelten als Favoriten, drei weitere werden eher als Zählkandidaten gesehen. Scheich Salman bin Ibrahim Al-Chalifa (Bahrain) oder UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino (Schweiz) haben die größten Chancen, die Fifa künftig zu führen. Außerdem bewerben sich Prinz Ali bin al-Hussein (Jordanien), Jérôme Champagne (Frankreich) und Tokyo Sexwale (Südafrika) um das Amt. Sie können höchstens auf ein paar Stimmen hoffen. Sie werden dadurch aber zu den Präsidentenmachern. Ab dem zweiten Wahlgang fliegt der Schwächste raus – die Delegierten, die sich für einen der ausgeschiedenen Kandidaten entschieden haben, können sich dann neu entscheiden.

Skandale schon vor der Wahl

Die beiden aussichtsreichen Bewerber könnten unterschiedlicher kaum sein: Infantino ist ein UEFA-Urgestein, der Schweizer Rechtsanwalt arbeitet seit 16 Jahren für den europäischen Verband. Al-Chalifa ist ein Sproß der bahrainischen Königsfamilie und erst seit wenigen Jahren als internationaler Sportfunktionär tätig. Einige Dinge aber haben die zwei Kandidaten gemeinsam: Sie versprechen eine grundlegende Reform der FIFA – und haben schon vor dem offiziellen Wahltag mit Skandalen zu kämpfen.

Gianni Infantino wird von vielen als ein Kandidat gesehen, mit dem ein echter Neuanfang nicht möglich ist. Er kennt die Vorgänge in der FIFA zur Genüge und ist daher womöglich Teil des Systems. Das zumindest führen seine Gegner – allen voran natürlich Scheich Al-Chalifa – als Argument gegen den Schweizer ins Feld. Hinzu kommt, dass die UEFA den Wahlkampf Infantinos mit 500.000 Euro unterstützt hat. Auch wollen die meisten europäischen Verbände für ihn stimmen. Das erweckte besonders außerhalb Europas den Eindruck, der einflussreiche Unterverband wolle unter allen Umständen einen Kandidaten „mit Stallgeruch“ an der FIFA-Spitze installieren.

Kritik an Al-Chalifas Rolle im Arabischen Frühling

Eine noch größere politische Dimension haben aber die Vorwürfe, denen sich Scheich Al-Chalifa ausgesetzt sieht. Der Bahrainer muss sich den Vorwurf gefallen lassen, beim Arabischen Frühling 2011 auf der „falschen Seite“ gestanden zu haben. Er soll die Greueltaten, die auch in Bahrain stattgefunden haben, ebenso zumindest toleriert haben wie die Festnahme diverser Leistungssportler in seinem Land. In einem Interview mit dem Schweizer Blatt „Blick“ reagierte der Scheich hier auch geradezu naiv und ahnungslos. Auf die Frage, was er denn als künftiger FIFA-Präsident beitragen könne, damit sich die Situation in der Region verbessert, antwortete er: „Als FIFA-Präsident gar nichts, denn politische Kampagnen haben mit der FIFA nichts zu tun.“ Ein Vorteil für Al-Chalifa: In vielen Ländern außerhalb Europas ist die Menschenrechtslage kein Thema – allein knapp 100 Stimmen aus Afrika und Asien sind dem Scheich daher so gut wie sicher.

Bleibt alles, wie es immer war?

Bei der Wahl werden Al-Chalifa trotz aller Kritik die besseren Chancen eingeräumt, zumal er auch als guter Strippenzieher gilt. Doch unabhängig davon, wer der beiden aussichtsreichen Bewerber am Ende die Nase vorn hat: Ein echter Neuanfang erscheint sowohl mit Gianni Infantino als auch mit Scheich Ibrahim Al-Chalifa so gut wie ausgeschlossen. Denn grundlegende Probleme bleiben, darunter die gleiche Stimmenzahl für winzige Inselstaaten wie beispielsweise Tonga und andererseits für den weltweit mitgliederstärksten Verband, den DFB. Hier spielt auch weiter keine Rolle, wie bedeutsam ein Land (und seine Liga) im internationalen Fußball ist – ohne die europäischen und südamerikanischen Staaten wäre Fußball schließlich nicht das, was es heute ist. Zudem kann die Korruptionsanfälligkeit der Funktionäre aus vielen Staaten kaum verringert werden, auch wenn jetzt viele davon vom FBI und anderen Strafermittlern erwischt wurden. Sie werden in Zukunft schlicht und einfach noch vorsichtiger bei ihren Deals sein. Auch kann man weiterhin weder dubiose Personen aus dem Funktionärskreis fernhalten, noch dubiose Diktaturen von einer WM-Kandidatur abhalten. Für den internationalen Fußball könnte nach der qualvollen Ära Blatter die Leidenszeit also weitergehen.