An der Grenze zwischen Bayern und Österreich wird aufgrund der Flüchtlingskrise stichprobenartig kontrolliert. (Bild: Imago/Roland Mühlanger)
Risikostudie

Flüchtlingskrise stellt EU vor die Zerreißprobe

Zerbricht die Europäische Union an den Folgen der Flüchtlingskrise? Das weltweit operierende Risikomanagement-Beratungsunternehmen „Control Risks“ sieht offensichtlich bereits erste Risse. Werde die Krise nicht gemeinschaftlich gelöst, könne der wirtschaftliche und politische Schaden für die EU immens sein, warnen die Risikoforscher.

Der Blick auf die Anfang dieser Woche veröffentlichte „Risk Map 2016“ des Unternehmens zeigt, dass es sich in Mitteleuropa vergleichsweise sicher lebt. Eine Garantie für anhaltenden Wohlstand ist das aber nicht. Die Flüchtlingskrise stellt die EU vor eine Zerreißprobe. Dabei ist laut Studie gar nicht mal nur die hohe Zahl der Asylsuchenden das Problem: „Die Bedrohung für Europas Wirtschaft entsteht, wenn die Themen Flüchtlinge und Terrorismus vermischt werden“, heißt es von der Control Risks Deutschland GmbH in Berlin.

Grenzschließungen sind größeres Risiko als EU-Austritt von Mitgliedsländern

Das mögliche Szenario ist alarmierend: So befürchtet „Control Risks“ einen weiteren Druck auf das Schengen-Abkommen, sollten die hohen Flüchtlingszahlen und die Art der Diskussion über sie in Europa anhalten. „Einige Länder könnten dann einen Sonderweg beschreiten, Grenzkontrollen einführen und verstärken sowie ihre Nachbarländer beeinflussen, es ihnen gleichzutun“, heißt es. Für Europas Wirtschaft mit grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten würde dies ein größeres Risiko darstellen, „als es der Austritt eines oder mehrerer Mitgliedsländer jemals war“, warnen die Forscher.

Es bleibt abzuwarten, wie die EU auf die weiteren Entwicklungen in 2016 reagieren kann und wird

Control Risks Deutschland GmbH

Die EU habe in den vergangenen Jahren eine große Anzahl Krisen absorbieren müssen, erinnert „Control Risks“ und nennt die Schuldenkrise in Griechenland, Russlands Annexion der Krim und die Intervention in der Ost-Ukraine sowie die anhaltende Flüchtlingskrise. Die Angriffe in Paris hätten die EU in Unruhe versetzt und Luftangriffe Frankreichs in Syrien ausgelöst. Es bleibe abzuwarten, wie die EU 2016 auf die weiteren Entwicklungen reagieren könne und werde.

Sorge über geringeres Wachstum in China

Zu den „Top 5“ der globalen Risiken zählt für die Risikoforscher neben der Zukunft der EU der Terrorismus des sogenannten Islamischen Staats (IS), der Bürgerkrieg in Syrien, Cyber-Risiken und „Chinas 6%-Realitiät“. Die Unsicherheit über Chinas Fähigkeit, sich an die neue Wachstums-Ära anzupassen führe dazu, „dass viele Unternehmen ihre Tätigkeiten in China kritischer hinterfragen“, meinen die Experten. Überdies erwartet „Control Risks“ eine steigende Anzahl an Nationen, die im Bereich der Cyber-Spionage tätig werden: „Die Angriffe und deren negative Auswirkungen werden zunehmen.“ Die Entwicklungen im Bürgerkrieg in Syrien und die Reaktionen der Internationalen Gemeinschaft müssten 2016 genau beobachtet werden, rät das Unternehmen. Russlands Beteiligung in dem Konflikt werde 2016 weitergehen und damit Einfluss auf dessen Ausgang nehmen.

IS-Terror auf Gefahrenliste an erster Stelle

Ganz oben auf der Gefahrenliste steht aber der IS: Die Anschläge in Beirut, Paris und Ankara hätten gezeigt, dass der IS nicht nur fähig sei in seinem Kerngebiet Syrien zu agieren, sondern auch weit außerhalb. Man sei dennoch der Meinung, dass 2016 der IS vor allem sein Ziel verfolgen werde, die Positionen in Syrien und im Nordwesten des Iraks auszubauen „und seine Version eines Kalifats im Nahen Osten zu etablieren“, heißt es von „Control Risks“.

„Control-Risks“-Deutschland-Chef Michael Müller sieht dennoch keinen Grund für Panik. Er rät Unternehmen und Investoren nicht zu vergessen, „dass trotz aller Risiken, die 2016 bereithält, die Welt schon immer unvorhersehbar war“. 2016 sei also keine Ausnahme: „Die Chancen sollten stets im Auge behalten werden.“