Atom-Deal in Wien
Nach 13 Jahren Atom-Streit mit dem Iran ist das Nuklear-Abkommen da. Für die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen muss Teheran sein Atomprogramm dramatisch herunterfahren – und gewinnt dafür Handlungsfreiheit in der Region. Was der Grund dafür ist, dass Israel und Saudi-Arabien das Abkommen scharf kritisieren.
Irans Atomprogramm

Atom-Deal in Wien

Nach 13 Jahren Atom-Streit mit dem Iran ist das Nuklear-Abkommen da. Für die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen muss Teheran sein Atomprogramm dramatisch herunterfahren – und gewinnt dafür Handlungsfreiheit in der Region. Was der Grund dafür ist, dass Israel und Saudi-Arabien das Abkommen scharf kritisieren.

Vielleicht werden Anfang des neuen Jahres Öl – und Benzin – wieder etwas günstiger. Jedenfalls könnte das eine spürbare Folge der Einigung im 13 Jahre währenden Atomstreit mit dem Iran sein. Denn wenn bis Dezember der Direktor der  Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der Japaner Yukiya Amano, bestätigt, dass Teheran all seinen Verpflichtungen aus der heute geschlossenen Vereinbarungen nachgekommen ist, dann sollen Anfang des Jahres die ersten Wirtschaftssanktionen gegen den Iran fallen: unter anderem Beschränkungen für Irans Banken und eben das Öl-Embargo. Iran kann von da an wieder viel mehr Öl exportieren und wird das sicher auch gleich tun wollen.

13 Jahre lang haben Teheran und die sogenannten 5+1 aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA – sowie Deutschland, bitter um das Abkommen gefeilscht, das heute zustande gekommen ist. Es ging darum, zu verhindern, dass Teheran in den Besitz von Atomwaffen gelangt – und die ganze ohnehin chaotische mittelöstliche Region in noch größeres Chaos stürzt. Für die Iraner ging es darum, die immer drückenderen wirtschaftlichen Sanktionsfesseln loszuwerden.

Das ist der gute Deal, den wir angestrebt haben.

John Kerry, US-Außenminister

Offenbar haben beide Seiten Grund zur Zufriedenheit: „Jeder Pfad zu einer Nuklearwaffe ist abgeschnitten“, erklärte US-Präsident Barack Obama nach Fertigstellung des Abkommens. Obama: „Der Deal beruht nicht auf Vertrauen, sondern auf Überprüfung.“ „Das ist der gute Deal, den wir angestrebt haben“, ergänzte vom Verhandlungsort in Wien sein Außenminister John Kerry. „Diese Verhandlungen konnten nie mit einer Sieger-Verlierer-Lösung enden. Wir wollten, dass alle Seiten als Sieger dastehen“, pries in Teheran Präsident Hassan Ruhani die Übereinkunft. Und fügte hinzu: „Wir haben es geschafft, unsere nationalen Interessen zu wahren und einen Wendepunkt zu erzielen.“

Fast keine Uran-Anreicherung und das Waffenembargo bleibt

Ein Blick auf das knapp 100 Seiten lange Abkommen, das die iranische Seite schließlich unterzeichnet hat, macht tatsächlich Hoffnungen. Teheran musste sich auf folgende Punkte verpflichten:

  • • Zehn Jahre lang darf Iran nicht 19.000, sondern nur 6000 Zentrifugen zur Urananreicherung einsetzen. Es dürfen auch keine modernen, sondern nur alte, weniger leistungsfähige Zentrifugen sein.
    • 15 Jahre lang muss Teheran seinen Vorrat von angereichertem Uran von derzeit 12.000 Kilogramm auf nur 300 Kilogramm reduzieren.
    • Iran muss Einschränkungen bei seinen Atomanlagen hinnehmen: Der Schwerwasserreaktor Arak wird in einen Forschungsreaktor umgebaut, der sehr viel weniger Plutonium produziert. Der bisherige Reaktorkern wird demontiert. Auch die ehemals geheime Anreicherungsanlage Fordo wird zum Atom-Forschungszentrum. Nur in Natans darf noch Uran angereichert werden.
    • Lange gestritten wurde über die Verifikation, also darüber welche Überprüfungsrechte die IAEA erhalten sollte. Teheran muss jetzt das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterschreiben, das der IAEA das Recht gibt, kurzfristig unangemeldete Überprüfungen vorzunehmen – offenbar auch von angeblichen Militäranlagen, denn von Ausnahmen für das Inspektionsregime ist bislang nichts bekannt.
    • Das von der UN verhängte Waffenembargo gegen den Iran wird um fünf Jahre verlängert. Raketentechnologien darf der Iran sogar acht weitere Jahre lang nicht einführen.
    • Wenn der Iran gegen Auflagen des Abkommens verstößt und die Angelegenheit nicht innerhalb von 65 Tagen zufriedenstellend geklärt und ausgeräumt werden kann, sollen bestimmte Sanktionen wieder automatisch „zurückschnappen“ und wieder wirksam werden.
    • Die Wirtschaftssanktionen werden erst dann schrittweise aufgehoben, wenn die IAEA erklärt und bestätigt, dass Teheran allen Pflichten nachgekommen ist – also voraussichtlich ab Ende 2015.

Nicht perfekt, aber besser als alle Alternativen

Das Abkommen sei nicht perfekt, kommentiert etwa die britische Wochenzeitung The Economist, „aber viel viel besser als alle plausiblen Alternativen“. Selbst wenn einzelne Bedingungen nach zehn oder 25 Jahren auslaufen, wird das iranische Atomprogramm sehr viel transparenter sein als bisher. Solange zukünftige US-Präsidenten entschlossen blieben, den Iran daran zu hindern in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen, notfalls mit Waffengewalt, so das britische Wochenblatt, „sollte die Abschreckung funktionieren“.

Aber das Abkommen hat im US-Kongress noch viele Gegner. Nicht nur republikanische, sondern auch einige demokratische Senatoren und Kongressabgeordnete misstrauen Teheran, das sich über zehn Jahre lang in der Tat viel Nuklear-Betrug und Täuschung hat zu Schulden kommen lassen. Der Kongress hat jetzt 60 Tage Zeit, um das Abkommen per Resolution zu stoppen. Dagegen würde dann Obama sein Präsidenten-Veto einlegen, das der Kongress nur mit Zweidrittel-Mehrheit in beiden Kammern stoppen könnte.

Nicht ungefährlich: Das Ende der Sanktionen

Vehement gegen das Abkommen ist nach wie vor Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Qua Geographie fühlt sich Israel völlig zurecht vom Iran sehr viel mehr und sehr viel näher bedroht als etwa die USA oder die Europäer. Und nicht nur von iranischen Atomwaffen, sondern schon durch das Ende der Sanktionen, wie Netanjahu jetzt wieder in Erinnerung ruft:

Der Iran gewinnt den Jackpot, Hunderte Milliarden Dollar, mit denen das Land weiter Aggression und Terror in der Region und der Welt vorantreiben kann. Dies ist ein schlimmer Fehler historischen Ausmaßes.

Benjamin Netanjahu, Israels Premierminister

Der Netanjahu-Einwand ist nicht völlig unbegründet. Teheran ist in der Region nicht das, was man einen Ruhepol nennen könnte. Der Iran ist vielmehr was Historiker und Politikwissenschaftler eine „revolutionäre Macht“ nennen, die das regionale Gleichgewicht und Mächtesystem umstürzen und verändern will. Der Iran gilt – oder galt – auch als Macht, die weltweiten Terror unterstützt und finanziert. Befreit von den Sanktionen gewinnt Teheran sehr viel größere Handlungsfreiheit – und eben die finanziellen Mittel dazu.

Mindestens so beunruhigt wie Israel: Saudi-Arabien

Das beunruhigt nicht nur Israelis, sondern fast noch mehr Amerikas anderen Partner in der Region: Saudi-Arabien. Riad ist Teherans großer regionaler Gegenspieler und will unbedingt verhindern, das Irans Einfluss in der arabischen Welt weiter wächst. Was der Grund dafür ist, dass eben auch Riad dem Ende der Sanktionen gegen Teheran mit Unruhe entgegen sieht. Immerhin kämpfen die Saudis derzeit an drei Orten gegen so verstandene iranische Einflussnahme: im Irak, in Jemen und in Syrien. Wenn der Iran nun über mehr Geld verfügt, kann das kaum einfacher werden.

Um die Wirkung des Atomabkommens mit dem Iran zu beurteilen, wird man die Region genau beobachten müssen. Spannend wird vor allem sein, wie Riad darauf reagiert und wie es sich nun positioniert gegenüber dem Iran – und gegenüber den USA, die ihre Beziehungen zu Saudi-Arabiens großem regionalen Gegenspieler auf eine neue Grundlage gestellt haben.