Die Proteste im Iran gegen das Mullah-Regime eskalieren zunehmend. (Bild: Imago/Kyodo News)
Iran

Kampf gegen die Mullahs

Die regimekritischen Proteste im Iran weiten sich stark aus und eskalieren zunehmend. Die Jugend lehnt sich gegen das streng religiöse Regime auf. Bis Dienstag sind nach Angaben des Staatsfernsehens mindestens 19 Personen ums Leben gekommen.

Zehn Demonstranten starben bis Montag bei Protesten im Zentral-, West und Südwestiran. Zwei weitere Menschen – ein alter Mann und ein Kleinkind – kamen bei einem Unfall während der Proteste im westiranischen Dorud um.

Seither soll es nach Angaben des staatlichen Fernsehens Irib weitere neun Tote gegeben haben. Es war aber zunächst unklar, ob es sich dabei um Demonstranten, Polizisten oder Revolutionswächter handelte.

Nach Angaben des Staatsfernsehens griffen in mehreren Städten angeblich bewaffnete Demonstranten staatliche Einrichtungen an. Angriffe auf Polizeiwachen sowie Militärkasernen seien jedoch von Polizei und Sicherheitskräften vereitelt worden, berichtete das Staatsfernsehen ohne weitere Angaben.

Krisensitzung in Teheran

Am Montag fand im Parlament in der Hauptstadt Teheran eine Krisensitzung statt, an der Präsident Hassan Ruhani und Mitglieder der Sicherheitskommission teilnahmen. Ruhani sagte in der Sitzung, es wäre ein Fehler, die Proteste nur als ausländische Verschwörung einzustufen. „Auch sind die Probleme der Menschen nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten“, sagte der Präsident. Er kritisierte damit indirekt die religiösen Hardliner, die seit langem die Umsetzung seiner politischen und kulturellen Reformen blockieren.

„Aber die Regierung hat nicht alles unter ihrer Kontrolle“, sagte Ruhani, der als Präsident bei vielen strategischen Belangen nicht immer das letzte Wort hat und sich dem erzkonservativen schiitischen Klerus beugen muss. Seiner Meinung nach sollten die Proteste daher nicht als Gefahr, sondern als Chance angesehen werden.

Präsident geht auf Kritiker zu

In seiner ersten Reaktion am Sonntag war Ruhani auf die Demonstranten zugegangen. Er bezeichnete in einer Rede Proteste als ihr legitimes Recht, warnte aber zugleich vor Ausschreitungen, die die Sicherheit des Landes gefährden könnten. Wie zuvor sein Innenminister rief auch Ruhani dazu auf, Proteste über legale Kanäle zu beantragen. Dann würde es auch nicht zu gewalttätigen Ausschreitungen und Polizeieinsätzen kommen.

Ausweitung der Proteste

Seit Donnerstag ist es in mehreren Städten im Iran zu heftigen Protesten gekommen. Die Kundgebungen richteten sich zunächst gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik der Regierung, wurden aber zunehmend systemkritisch. In Maschhad, der zweitgrößten Stadt des Landes, kam es zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften.

Am Samstag griffen die Proteste auch auf die Hauptstadt Teheran über. Nach Augenzeugenberichten griff die Polizei in der Nacht zum Montag in verschiedenen Teilen Teherans mit Wasserwerfern und Tränengas ein, um die Proteste aufzulösen. Dem Vizegouverneur von Teheran zufolge sollen alleine in der Hauptstadt in den vergangenen drei Tagen 450 Demonstranten verhaftet worden sein.

Nach Augenzeugenberichten wurden in mehreren Teilen der Hauptstadt Teheran Sondereinheiten der Polizei stationiert. 2009 hatte das Mullah-Regime Proteste blutig niedergeschlagen mit vielen Toten und Tausenden Verhafteten.

Mullahs reagieren mit Gewalt

Ein iranischer Abgeordneter sprach von zwei Demonstranten, die in der Nacht zum Montag in der Stadt Iseh (117.000 Einwohner) im Südwestiran getötet worden seien. Es habe auch Verletzte und Festnahmen gegeben, sagte Hodschatollah Chademi der Nachrichtenagentur Ilna. Bei einigen der Festgenommenen seien auch Waffen, Munition und Sprengstoff entdeckt worden. Nach unbestätigten Berichten in sozialen Netzwerken soll Iseh kurzfristig sogar von Regimegegnern besetzt gewesen sein.

Ruhanis Vorschlag, Demonstrationen zu beantragen, wurden in den sozialen Netzwerken als Rhetorik zurückgewiesen. Das Innenministerium würde nach Meinung vieler Iraner niemals Anträge auf Proteste genehmigen, die nur ansatzweise Kritik am Establishment üben würden. In der Tat werden in der Regel nur Demos genehmigt, die sich gegen die politischen Erzfeinde USA oder Israel richten.

Kommunikation über soziale Medien

Am Montagmorgen funktionierte das Internet im Iran zunächst wieder normal. Da die iranischen Medien über die Proteste selbst kaum berichten, werden viele Berichte und Videos über soziale Netzwerke und unseriöse Nachrichtenportale verbreitet. Eine neutrale Verifizierung der Ereignisse ist daher fast unmöglich. Berichten in diesen Netzwerken zufolge wurden landesweit zwischen 100 und 800 Demonstranten festgenommen.

Auf Videos waren am Wochenende Demonstranten zu sehen, die Slogans gegen den regierenden Klerus skandierten – etwa „Mullahs schämt Euch, lasst unser Land in Ruhe“. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars riefen Dutzende Demonstranten vor der Teheraner Universität „Tod den Taliban“ und verglichen damit das iranische Establishment mit den radikalen Islamisten in Afghanistan. Seit langem ist die überwiegend junge Bevölkerung des Landes unzufrieden mit dem streng religiösen Mullah-Regime.

Trump stützt Demonstranten

Ruhani äußerte sich in seiner Rede auch kritisch zu den Tweets von US-Präsident Donald Trump. Jemand, „der von Kopf bis Fuß“ gegen den Iran sei, sollte nun nicht den Besorgten vorheucheln, sagte Ruhani. Trump twitterte am Sonntag, die Menschen im Iran hätten endlich begriffen, „wie ihr Geld und ihr Wohlstand zugunsten von Terrorismus gestohlen und vergeudet wird. Wie es aussieht, werden sie es nicht länger hinnehmen“. Am Freitag warnte Trump bereits die Führung in Teheran: „Die Welt schaut hin“. Und weiter: „Irans Führer haben ein wohlhabendes Land mit einer reichen Geschichte und Kultur in einen wirtschaftlich verdorrten Schurkenstaat verwandelt, dessen Hauptexporte Gewalt, Blutvergießen und Chaos sind.“

Die Bundesregierung verfolgt die Berichte über die Demonstrationen im Iran sehr aufmerksam, wie das Auswärtige Amt am Sonntag der dpa mitteilte. „Wir rufen die Regierung von Präsident Ruhani auf, die Rechte der Protestierenden zu achten und besonnen zu handeln. Gleichzeitig appellieren wir an alle Beteiligten, ihre Anliegen friedlich zum Ausdruck zu bringen“, betonte das Außenamt.

(dpa/BK)