Das Rentenniveau dürfe nicht „endlos abrutschen“, sagt Seehofer. (Bild: Imago/Eckhard Stengel)
Rentenreform

„Irgendwann ist Zahltag“

Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD wollen in Berlin ausloten, ob sie eine Rentenreform anschieben können. Die junge Generation der CDU mischt sich in die Debatte ein. Sie fordert ein höheres Renteneintrittsalter ab 2030 und keinen Wettbewerb darum, wer "mehr Millionen ins Schaufenster stelle".

Die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) wollen sich noch vor der Bundestagswahl auf eine Rentenreform einigen. Am Abend des 8. November treffen sie sich zum Gespräch. Dabei geht es um Verschiedenes: Untergrenzen für die Ruhegelder, Obergrenzen für die Beiträge, Angleichung der Renten in Ost und West bis 2020. Dazu die Erhöhung der Rente für Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben. Das alles wird teuer, laut Schätzungen elf Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr.

Im Gespräch ist insbesondere die sogenannte doppelte Haltelinie, nach der die Rente bis 2045 nicht unter ein bestimmtes Niveau abrutschen und zugleich die Beiträge einen bestimmten Wert nicht übersteigen sollen. Seehofer hält die Frage des Rentenniveaus für die „allerwichtigste Frage“. Davon hänge ab, ob und in welchem Umfang es künftig Altersarmut geben werde oder nicht. Man brauche also hier eine erste „Haltelinie“. Das Rentenniveau dürfe nicht „endlos abrutschen“, betonte der bayerische Ministerpräsident.

Junge Union fordert 47 Beitragsjahre

In die Diskussionen eingemischt haben sich führende Vertreter der jungen Generation in der CDU. Sie fordern in einem Positionspapier ein höheres Renteneintrittsalter ab 2030. Die heute Jungen dürften „nicht über die Maßen belastet werden“, heißt es in dem Papier des Netzwerks „CDU 2017“. Jens Spahn, CDU-Präsidiumsmitglied und Mitglied der „Jungen Gruppe“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warnte gegenüber der Rheinischen Post davor, in einen Wettbewerb um die teuersten Zugeständnisse zu fallen.

Es darf jetzt keinen Wettbewerb geben, wer stellt vor der Wahl mehr Milliarden ins Schaufenster. Das fällt uns allen auf die Füße, denn irgendwann ist Zahltag.

Jens Spahn, CDU-Präsidiumsmitglied

Die Gruppe der rund 80 jungen CDU-Politiker aus Bund und Ländern spricht sich zudem für eine Anpassung bei der Berechnung des Rentenniveaus an die verlängerte Lebensarbeitszeit aus. „Wir sollten in der Berechnung des Rentenniveaus schrittweise und im Gleichklang mit der Rente mit 67 zu einer Betrachtung von 45 auf 47 Beitragsjahre übergehen“, heißt es in dem Papier. Dadurch werde auch das durchschnittliche Rentenniveau höher liegen.

Wer zahlt die Mütterrente?

Für Disput sorgte bereits der Streit um die Mütterrente. Die CSU-Forderung nach Gleichstellung aller Mütter sei zwar berechtigt, sagte Paul Ziemiak, Vorsitzender der Jungen Union Deutschland. Sie solle aber auch sagen, was sie an anderer Stelle zu kürzen bereit sei. Schon heute gebe es zehn Mal so viele alleinerziehende Mütter wie Rentner, die auf Grundsicherung angewiesen seien. Ziemiak warnte, die CDU dürfe keinem Kompromiss mit Lebensleistungsrente, Ost-West-Angleichung und Mütterrente zustimmen, wenn der Rentenbeitrag dann von jetzt 18,4 auf 25 Prozent des Bruttogehalts stiege. Auch beim CSU-Parteitag gab es Stimmen aus der JU Bayern, die warnten, man dürfe nicht vergessen, dass es künftig immer weniger Beitragszahler und immer mehr Rentner gebe. Die Prognosen sind in der Tat schwierig: Heute sorgen 100 Arbeitnehmer für rund 30 Rentner – umgerechnet also ein Rentenzahler für 0,3 Rentner. Laut Studien wird in absehbarer Zeit ein Arbeitnehmer für einen Rentner aufkommen müssen.

Wenn mehr Leute mehr als 1,5 Kinder bekommen, hätten wir mehr Arbeitnehmer und damit mehr Zahler. 2,1 Kinder – dann gibt es kein Problem mehr mit den Renten.

Dorothee Bär, weist auf die steigende Geburtenrate hin

Die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär (CSU) besteht darauf, die Mütterrente auszuweiten. Das sei „ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit“, sagte sie in der Talkshow „Hart aber fair“ bei Frank Plasberg. Sie verweist auf eine Ungleichbehandlung: Schließlich sei es nicht ersichtlich, warum Mütter von Kindern, die vor 1992 geboren wurden, anders behandelt werden sollen, als die mit den danach geborenen Kindern. Zudem trat Bär für mehr Flexibilität bei Renteneintrittsalter und Rentenbemessung ein: „Wir brauchen bei der Rente keinen Kommunismus-Sozialismus-Alles-über-einen-Kamm. Wir schauen uns den einzelnen Menschen an.“

Worum geht’s bei der Rentenreform?

Doppelte Haltelinie: Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) will eine Mindestgrenze beim Rentenniveau für 2045 – aber ohne Explosion der Beiträge. Wie Nahles hat auch CSU-Chef Horst Seehofer von einer „doppelten Haltelinie“ gesprochen. Ohne Reformen dürfte das Verhältnis der Rente zum Durchschnittslohn laut Regierung bis 2045 von heute 47,8 auf 41,6 Prozent fallen, die Beiträge von 18,7 auf 23,4 Prozent steigen. Für ein stabileres Niveau als derzeit prognostiziert sind auch CDU-Rentenexperten, Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der CDU-Wirtschaftsflügel warnt vor den Kosten. Ohne Einigung bliebe die Koalition hinter den selbst geweckten Erwartungen zurück.

Ost-West-Angleichung: Nahles will die Ostrenten bis 2020 vollständig auf Westniveau anheben. Das soll aber nicht aus der Rentenkasse finanziert werden. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wehrt sich gegen eine Steuerfinanzierung. Die Aufwertung der im Schnitt geringeren Ostlöhne bei der Rente soll bis 2020 im Gegenzug wegfallen – künftige Ostrentner bekommen dann weniger. Ostdeutsche Unionspolitiker wehren sich dagegen, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Renteneinheit versprochen. Ein Kompromiss ist wahrscheinlich.

Betriebsrente: Für Unternehmen soll die betriebliche Altersvorsorge durch den Wegfall von Rentengarantien erleichtert werden, dazu sind neue Zuschüsse und eine höhere Steuerförderung geplant. Ein Entwurf ist fertig und soll bald ins Gesetzgebungsverfahren kommen.

Lebensleistungsrente: Von dem Vorhaben, kleine Renten aufzuwerten und so Geringverdiener vor Altersarmut zu schützen, will sich die Koalition wohl verabschieden. Denn viele Kleinrentner sind wegen anderer Einkünfte oder Einkünften des Ehepartners gar nicht arm. Nahles will eine Alternative vorschlagen. Im Gespräch sind in der Koalition Zuschläge aus Steuermitteln und Freibeträge. Auch Erwerbsgeminderte sollen bessergestellt werden.

Mütterrente: Die CSU fordert eine Ausweitung – Mütter, die vor 1992 Kinder zur Welt gebracht haben, sollen denen mit jüngeren Kindern gleichgestellt werden und drei Jahre Kindererziehungszeiten bei der Rente angerechnet bekommen. CDU und vor allem SPD sind wegen der hohen Kosten dagegen.

Selbstständige: Nahles will die Absicherung der Selbstständigen im Alter stärken. Doch während die SPD eine Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung favorisiert, will die Union die Betroffenen nicht gleich dort hineinzwingen. Sie fordert einen Versicherungspflicht für die Altersvorsorge.

Rentenalter: Schäuble ist für einen weiteren Anstieg des Rentenalters – durch eine Kopplung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung. Gesetzeslage ist ein Anstieg bis 2029 auf 67 Jahre. Die SPD will keinesfalls mehr – die Einigungschancen sind gering.