Was vom Aufstand übrig blieb: Die Straße des 17. Juni erinnert in Berlin an die Opfer von 1953. (Bild: Imago-STPP)
17. Juni 1953

Gedenken an den DDR-Volksaufstand

Am 17. Juni ist es 63 Jahre her, dass DDR-Bürger die SED-Diktatur mit einem Aufstand beseitigen wollten. Nur die sowjetischen Panzer konnten die kommunistische Führungsriege um Walter Ulbricht retten. Angefangen hatte alles jedoch mit einer Wirtschaftskrise und der Anhebung von Arbeitsnormen.

Heute wird an den Aufstand in der DDR vom 17. Juni 1953 erinnert. Bei einem gemeinsamen Gedenken mit der Bundesregierung werden am Vormittag in Berlin Kränze am Mahnmal für die Opfer niedergelegt. Rund eine Million Menschen waren damals in der DDR auf die Straße gegangen. Der Protest wurde mit Panzern der sowjetischen Besatzungsmacht niedergeschlagen. Berlins Innensenator Henkel forderte, den 17. Juni zu einem bundesweiten Gedenk- und Feiertag zu machen. Nach Ansicht des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Jahn, wäre dies ohnehin der bessere deutsche Nationalfeiertag. Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 rufe auch in Erinnerung, dass Freiheit und Menschenrechte auf Dauer nicht zu unterdrücken seien (der Bayernkurier berichtete).

Ein Grüner missbraucht den Gedenktag

Ausgerechnet Thüringens Ministerpräsident, Bodo Ramelow von der Linkspartei, also den Rechtsnachfolgern der SED, forderte vor dem Jahrestag des Aufstands eine weitere Aufarbeitung von Unrecht und politischer Willkür in der DDR. Sein Migrationsminister Dieter Lauinger von den Grünen spielte dann das übliche, völlig unangebrachte Spiel seiner Partei. Er zog den thematisch weit überspannten Bogen von einem Volksaufstand gegen ein sozialistisches Unterdrückerregime hin zur grünen Multikulti-Ideologie. Zunehmende Aggressionen gegen Fremde und Andersdenkende zeigten, dass Einmischung, Beteiligung und Zivilcourage immer gefragt sind, so Lauinger. Immerhin einen Zusammenhang gibt es: auch die Grünen neigen wie einst die SED dazu, ihre Ansichten als allein gültig und alle glücklich machend anzusehen.

In Thüringen ist der 17. Juni heuer erstmals Gedenktag. Es sei nicht einfach gewesen, für diese Erinnerungskultur zu werben, erinnerte der CDU-Politiker Herbert Wirkner. Umso mehr sei das ein wichtiges Zeichen für alle Opfer der SED-Diktatur. Zunächst hatte der Thüringische Landtag nämlich nur den 8. Mai als Gedenktag für die Opfer des Zweiten Weltkriegs beschlossen. An den Volksaufstand von 1953 wird in dem Bundesland erst jetzt mit verschiedenen Veranstaltungen erinnert.

Die Vorgeschichte des Aufstandes

Anfang der 1950er-Jahre erlebte die Bundesrepublik ein Wirtschaftswunder. Der DDR dagegen ging es wegen der sozialistischen Planwirtschaft, zunehmender Repressionen, immer höheren Ausgaben für Sicherheitsorgane und Armee sowie aufgrund der Demontagen durch die sowjetischen „Brüder“ vier Jahre nach ihrer Gründung schlecht. Es drohte sogar eine Versorgungskatastrophe in der brachliegenden Konsumgüterindustrie und der zwangskollektivierten landwirtschaftlichen Produktion. Immer mehr Menschen flohen in den Westen. Im März 1953 starb der große Unterdrücker Stalin, ein Hoffnungszeichen für viele DDR-Bürger. Und dann beschloss das SED-Regime am 14. Mai 1953, die Arbeitsnormen in der DDR-Industrie um satte 10,3 Prozent zu erhöhen. Das bedeutete, jeder Arbeiter musste zehn Prozent mehr arbeiten, ohne aber mehr Lohn zu erhalten.

Der Druck im Kessel stieg gewaltig an, was aber nur die Besatzer erkannten. Am 9. Juni verkündete auf sowjetischen Druck hin das Politbüro der SED in einer Mitteilung einen „Neuen Kurs“, der den Ausbau der Schwerindustrie zugunsten der Konsumgüterindustrie drosseln, die Kollektivierung der Landwirtschaft verlangsamen, Enteignungen rückgängig machen und entsprechende Strafurteile überprüfen sollte. Für die Bevölkerung, die auf politische Veränderungen, bessere Lebensbedingungen, Freiheit, Einheit und Demokratie hoffte, war das aber nur ein ersehntes Zeichen der Schwäche.

Der Sturm bricht los

Am 16. Juni kam es daher in Berlin zu ersten Protesten von rund 10.000 Menschen eigentlich nur gegen diese Normerhöhungen. Sie riefen zum Generalstreik am nächsten Tag auf. Am 17. Juni brach dann aber ein Volksaufstand aus, der sich auf die gesamte DDR ausweitete. Ohne sich abgesprochen zu haben, versammelten sich in mehr als 700 Städten und Gemeinden der DDR über eine Million Menschen, zahlreiche Betriebe wurden bestreikt. Bald hörte man auch andere Forderungen: Den Rücktritt der SED-Marionetten, freie Wahlen, Einheit und Abzug der Sowjets. In Berlin und anderen Städten vor allem im industriellen Süden der DDR kam es dann zu schweren Auseinandersetzungen mit dem von den Sowjets gestützten kommunistischen Regime. Aufgebrachte Menschen stürmten Stadtverwaltungen, Gefängnisse und SED-Häuser. SED-Chef Walter Ulbricht und DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl mussten in das Hauptquartier der Sowjets nach Berlin-Karlshorst fliehen.

Der Kommunismus schlägt zurück

Mit aller Härte schlugen dann hauptsächlich die sowjetische Besatzungsmacht, aber auch die SED mit ihrer „Kasernierten Volkspolizei“ zurück. Mittags verhängten die Sowjets in weiten Teilen des Landes das Kriegsrecht. Panzer rollten, es wurde vielerorts geschossen und der Aufstand blutig niedergeschlagen. Mindestens 75 Menschen starben, 19 Demonstranten wurden standrechtlich erschossen, Hunderte verletzt, rund 6.000 verhaftet. Bis Anfang 1954 wurden durch DDR-Gerichte 1524 Zuchthausurteile und zwei Todesstrafen verhängt. Viele der sogar gesondert gekennzeichneten Häftlinge starben aufgrund ihrer besonders schlechten Behandlung in den Gefängnissen oder erlitten schwere gesundheitliche Schäden. Den Ehefrauen der Verurteilten wurde oft zur Scheidung geraten oder mit der Wegnahme ihrer Kinder gedroht.

Die Zahl der Urteile durch das sowjetische Militärtribunal war noch höher, ist aber nicht genau bekannt. Viele Menschen verschwanden spurlos in sowjetischen Gulag-Straflagern.

Die Folgen

Die DDR-Führung nannte den Volksaufstand vom 17. Juni einen „konterrevolutionären Putsch“, nahm aber die Normerhöhungen noch am 17. Juni zurück. Für sie war es traumatisch: Ausgerechnet die Arbeiterklasse hatte der SED das Vertrauen entzogen. Ihre Reaktion war nur noch mehr Härte, mehr Bespitzelung und Unterdrückung sowie 1961 der Bau der Mauer. Die Arbeiterklasse allerdings wurde in der Folgezeit mit allerlei Sozialleistungen verhätschelt.

Damals ist einem die ganze deutsche Ohnmacht wieder bewusst geworden.

Franz Josef Strauß

In Westdeutschland wurde der 17. Juni zum Symbol für den Freiheitswillen der DDR-Bevölkerung. Schon wenige Tage nach dem Aufstand wurde der Tag in der Bundesrepublik zum Gedenktag erklärt und bis zur Einheit 1990 auch als „Tag der deutschen Einheit“ begangen. Er zeigte aber auch das beginnende Erstarren der beiden großen Machtblöcke und zementierte die deutsche Teilung. „In Bonn gab es keine Möglichkeit zu ernsthaftem Handeln. Es gab Erklärungen, Sympathiekundgebungen, Appelle an die Siegermächte – was sollte die Bundesregierung anderes tun? Damals ist einem die ganze deutsche Ohnmacht wieder bewusst geworden“, schrieb Franz Josef Strauß später in seinen Erinnerungen.