Land unter in Simbach am Inn. (Bild: Imago/argum/Thomas Einberger)
Überschwemmungen

Land unter in Niederbayern

Der Landkreis Rottal-Inn hat wegen schwerer Überschwemmungen in mehreren Gemeinden Katastrophenalarm ausgelöst. Besonders betroffen sind nach Angaben der Behörden Triftern bei Pfarrkirchen und Simbach am Inn sowie die Gemeinde Tann. 250 Schulkinder saßen stundenlang in einer Schule in Triftern fest. Sechs Menschen kamen bei den Überschwemmungen bisher ums Leben, drei werden noch vermisst.

Plötzlich auftretende Überschwemmungen haben im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn mindestens sechs Menschenleben gefordert und große Teile der Region verwüstet. In Triftern wurden nach Polizeiangaben Menschen mit Hubschraubern von Hausdächern gerettet. In Simbach musste die Polizeidienststelle evakuiert werden. „Da steht das Wasser meterhoch“, sagte ein Polizeisprecher.

In Triftern wurde der Ortskern überschwemmt. „Es herrscht Land unter. Die Wassermassen kamen sehr schnell“, sagte Emil Bumberger von der Polizei in Pfarrkirchen. „Die Situation hat sich in den letzten Stunden dramatisch zugespitzt. Der ganze Ortskern wurde von dem Altbach überspült“, sagte der Bürgermeister von Triftern, Walter Czech (CSU). Von den Wassermassen sind auch die Schule und die beiden Kindergärten von Triftern betroffen. „Etwa 250 Schulkinder sind noch in ihren Klassen. Zum Glück liegt das Gebäude aber auf einem Berg. Vielleicht müssen die Kinder aber die Nacht in der Turnhalle verbringen, weil die Zufahrtswege nicht passierbar sind“, erläuterte Czech. Es sei noch nicht klar, ob sie bis zum Abend nach Hause kommen könnten, sagte Czech. Die Kinder konnten jedoch letztlich nach Hause gebracht werden.

An zahlreichen Orten waren Rettungshubschrauber im Einsatz, um von den Wassermassen eingeschlossene Menschen zu retten. Zufahrtsstraßen und Brücken wurden überschwemmt. Bislang mussten die Einsatzkräfte fünf Todesopfer bergen, drei weitere Personen werden noch vermisst.

In ersten Reaktionen zeigten sich viele Einwohner der betroffenen Gemeinden schockiert über Ausmaß und Geschwindigkeit, mit der sich die eigentlich kleinen Flüsse und Bäche über die Ufer ausbreiteten. Binnen weniger Stunden waren aufgrund heftigen Regens aus kleinen Bächen reißende Flüsse geworden, die Häuser meterhoch unter Wasser stellten.

Katastrophenalarm in Simbach

Im bayerischen Simbach am Inn musste eine Asylbewerberunterkunft in einer ehemaligen Turnhalle nach Auskunft des Landratsamtes Rottal-Inn geräumt werden. Die Behörde hatte Katastrophenalarm ausgelöst. Zahlreiche Bewohner in der Region wurden von Wassermassen eingeschlossen und mussten mit Hubschraubern gerettet werden. Rettungskräfte berichteten, dass Lastwagenfahrer auf der Bundesstraße 12 auf die Dächer ihrer Fahrzeuge geklettert waren, weil sie Angst hatten, von den Fluten davon geschwemmt zu werden.

Mit dieser Wucht hat wohl niemand gerechnet.

Landratsamt Rottal-Inn

Auch am Grenzübergang zum österreichischen Braunau herrschte Land unter: Eine Brücke war komplett überspült. Eine Entspannung war am Nachmittag zunächst nicht in Sicht: „Es hört nicht zu regnen auf“, sagte ein Sprecher des Landratsamtes. Die Fluten waren so stark, dass sie Autos mit sich rissen. „Mit dieser Wucht hat wohl niemand gerechnet“, sagte der Behördensprecher. Polizisten seien auch von Grenzübergängen abgezogen worden. Auch auf österreichischer Seite herrsche Alarmbereitschaft. Mittlerweile hat sich die Wettersituation in der Region ein wenig entspannt – damit können die Aufräumarbeiten langsam beginnen.

In Regen wurde auch eine Schulklasse bei einem Bootsausflug vom Unwetter überrascht. 20 Kinder strandeten auf einer Insel und mussten gerettet werden. Ein Mädchen erlitt einen Schock, eins eine Unterkühlung. „Letztlich ist das aber glücklich ausgegangen“, sagte der Polizeisprecher.

Seehofer zeigt sich „tief betroffen“

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sagte in einer ersten Reaktion, das schreckliche Ausmaß der Überschwemmungen machten ihn „tief betroffen“. „Den Todesopfern und ihren Angehörigen gelten unsere Gedanken und unsere Anteilnahme. Die Schäden der Flutkatastrophe lassen sich zur Stunde noch nicht abschätzen“, so der CSU-Chef. Klar sei: „Der Freistaat Bayern wird die Geschädigten, die zum Teil ihr ganzes Zuhause verloren haben, nicht alleine lassen, sondern – wo immer nötig – schnell und unbürokratisch helfen.“ Man werde ein entsprechendes Hilfsprogramm beschließen, wie in vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit. Seehofer dankt den zahlreichen Helferinnen und Helfern vor Ort, die sich „unermüdlich und selbstlos“ für die Rettung von Menschen und die Beseitigung der Schäden eingesetzt hätten. „In diesen schweren Stunden zeigt sich einmal mehr: Wir Bayern stehen zusammen und helfen uns gegenseitig“, so der Ministerpräsident.

Hier sind Bäche, die sonst von völlig untergeordneter Bedeutung sind, aufgrund extremer Niederschläge extrem angeschwollen, und das Wasser war plötzlich an Stellen unterwegs, wo das nicht zu erwarten ist.

Joachim Herrmann

Nach dem verheerenden Hochwasser in Niederbayern hat auch Innenminister Joachim Herrmann finanzielle Hilfen des Freistaats für Betroffene angekündigt. „Wir werden so gut es geht helfen“, sagte Herrmann am Donnerstag dem Bayerischen Rundfunk. „Es geht jetzt darum, dass der Freistaat denen, die das dringend brauchen, unmittelbar finanzielle Hilfen bereitstellt.“ Zusammen mit Umweltministerin Ulrike Scharf, Finanzminister Markus Söder und Landwirtschaftsminister Helmut Brunner will sich der Innenminister am Donnerstag ein Bild von der Lage im Landkreis Rottal-Inn machen. Über die Höhe der Hilfe könne er noch keine Angaben machen, sagte Herrmann. Wer unmittelbar betroffen sei, dem müsse umgehend geholfen werden. „Das kann ein Einzelhandelsgeschäft genauso sein wie ein landwirtschaftlicher Betrieb.“

Nach Ansicht des Innenministers wurden aus der Flutkatastrophe vor drei Jahren die richtigen Schlussfolgerungen gezogen; der Hochwasserschutz sei verbessert worden. Dennoch sollten sich Experten die aktuelle Lage genau ansehen. „Hier sind Bäche, die sonst von völlig untergeordneter Bedeutung sind, aufgrund extremer Niederschläge extrem angeschwollen, und das Wasser war plötzlich an Stellen unterwegs, wo das nicht zu erwarten ist“, erklärte Herrmann.

(avd/dos/BR/dpa)