Chinas Aktien sind auf Talfahrt. (Bild: Imago/Ralph Peters)
China

Aktien-Absturz mit Ansage

Nach dem Börsen-Crash vom Montag versucht Chinas Regierung zum wiederholten Mal, die Börsen des Landes in die gewünschte Richtung zu lenken. Doch bislang hat jeder staatliche Eingriff die Anleger nur noch weiter verunsichert.

Eine bekannte Investoren-Weisheit lautet: „Politische Börsen haben kurze Beine.“ Gemeint ist damit, dass unvorhergesehene Ereignisse wie internationale Krisen oder Konflikte die Aktionäre in der Regel nicht allzu lange beschäftigen. Dann interessieren sich die Anleger wieder hauptsächlich für Unternehmenszahlen und Marktentwicklungen.

Eine ganz neue Bedeutung gewinnt der Spruch jedoch derzeit mit Blick auf China. Bereits zum wiederholten Male ist die Staatsführung mit dem Versuch gescheitert, die Börsen des Landes in die gewünschte Richtung zu lenken. Im Gegenteil – jede staatliche Intervention scheint die Anleger weiter zu verunsichern.

Aktien brachen um sieben Prozent ein

Am Montag, dem ersten Handelstag im neuen Jahr brachen die Kurse in Shanghai um sieben Prozent ein. Das war der schwächste Jahresauftakt in der Geschichte der chinesischen Börsen. Die schlechten Nachrichten zogen weltweit die Aktienmärkte herunter. Der deutsche Leitindex DAX verlor am Montag mehr als vier Prozent

Um weitere Verluste zu verhindern, zogen Chinas Aufsichtsbehörden um 13.28 Uhr (Ortszeit) die Notbremse und beendeten den Handel an den beiden Börsen in Shanghai und Shenzhen. Der drastische Schritt wurde durch einen neu geltenden Schutzmechanismus möglich. Danach wird bei Schwankungen des China Securities Index (CSI), der die 300 führenden Werte umfasst, um mehr als fünf Prozent der Handel für 15 Minuten ausgesetzt. Bei mehr als sieben Prozent wird eine Schließung für den Rest des Tages verfügt. Die anfängliche 15-minütige Unterbrechung löste aber offensichtlich erst recht für Panik unter den Anlegern aus, so dass die Kurse anschließend sofort weiter nachgaben. So kam die zweite Eskalationsstufe zur Geltung und der Handel wurde umgehend beendet.

Chinas Wirtschaft verliert weiter an Schwung

Der schlechte Start ins neue Handelsjahr folgte auf einen unerwartet starken Rückgang der Industrieaktivitäten im Dezember, der darauf hindeutet, dass Chinas Wirtschaft weiter an Schwung verliert. So fiel der Einkaufsmanagerindex (PMI) des Wirtschaftsmagazins «Caixin» von 48,6 auf 48,2 Punkte. Der Wert liegt den zehnten Monat in Folge unter der Grenze von 50 Punkten, was auf einen Rückgang der Fertigung hindeutet. Zudem läuft am 8. Januar ein im vergangenen Jahr ein von der chinesischen Börsenaufsicht verhängtes Verkaufsverbot für Großaktionäre aus. Viele Anleger fürchteten wohl, nach diesem Termin könnten sich die Großinvestoren von ihren Wertpapieren trennen, und verkauften vorsorglich.

Ein Boom auf wackeligen Beinen

Der Crash vom Montag zeigt erneut, auf welch unsicherem Fundament der Aktienboom in China ruht und wie wenig die Regierung gewillt ist, die Wertpapiermärkte aus der staatlichen Kontrolle zu entlassen. Über einen langen Zeitraum wurden Chinas Börsen von Peking künstlich aufgeblasen, um die Schulden staatlicher Unternehmen zu drücken und ihnen Kapital durch Neuemissionen zu verschaffen. Millionen von Kleinanlegern setzten überwiegend mit geliehenem Geld auf einen immerwährenden Boom, nachdem Peking massiv für Aktienkäufe geworben hatte. für Von Mitte 2014 bis Mitte 2015 stiegen die Kurse so um mehr als 150 Prozent.

Dann, im Sommer 2015, brachen die Börsen von Shanghai und Shenzen binnen weniger Tage um dreißig Prozent ein. Die Regierung versuchte, mit drastischen Maßnahmen die Märkte zu stabilisieren und die aufgebrachten Kleinanleger zu beruhigen. Großaktionären wurde verboten, sich von Wertpapieren zu trennen, staatliche Firmen mussten eigene Aktien zurückkaufen. Nach Schätzung der US-Investmentbank Goldman Sachs investierte Chinas Regierung zudem umgerechnet etwa 140 Milliarden Euro in Aktien, um den Kursverfall zu stoppen. Bis Ende des Jahres erholten sich die Kurse daraufhin etwas.

Auch jetzt greift der Staat wieder massiv ein: Nach dem Kursrutsch pumpte die Zentralbank rund 130 Milliarden Yuan (18 Milliarden Euro) in die Finanzmärkte. Mit Stützungskäufen halfen auch staatlich kontrollierte Fonds, die Kurse wieder in die Höhe zu treiben.

Regierung verteidigt Eingriffe

Chinas Börsenaufsicht verteidigte zudem die Aussetzung des Handels. Einige Beobachter hatten darin den eigentlichen Grund für die Panikverkäufe und die Abwärtsspirale gesehen. Der Markt brauche Zeit, um sich «schrittweise daran zu gewöhnen», argumentierte die Aufsichtsbehörde laut amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua. China werde den Mechanismus anpassen, hieß es allgemein. Ferner kündigte die Wertpapieraufsicht an, auch nach dem Auslaufen des seit einem halben Jahr geltenden Verkaufsverbots für einige Großinvestoren am Ende der Woche „neue Maßnahmen“ zu ergreifen. Ein befürchteter massiver Verkauf von Aktien werde dadurch „unwahrscheinlich“, zitierte die Staatsagentur Xinhua.

Chinas Regierung beweist damit vor allem eines: Sie hat aus den Erfahrungen der Vergangenheit nichts gelernt. „Die jüngsten Eingriffe der Regierung auf das Börsengeschehen gründen auf tiefem Verständnis für ökonomische Gesetze“, hatte die staatliche Börsenaufsicht im vergangenen Sommer erklärt. Und weiter: Die Behörden in Peking hätten durch ihr Handeln große Fachkenntnis bewiesen.

(mit Material von DPA)