Ein Herzstück der deutschen Wirtschaft: Die Sparkassen. Bild: Sparkassenverband Bayern
Bankenunion

Kampf um die Herzstücke

Ein milliardenschwerer nationaler Fonds sichert die deutschen Sparer gegen mögliche Bankpleiten. Nun will die EU eine europäische Einlagensicherung errichten. Sparkassen, Volksbanken und Kunden wehren sich aber nicht nur gegen dieses Projekt. Denn kaum geht es um deutsches Geld, sind sich plötzlich alle anderen EU-Staaten einig in ihrer Forderung: Her damit!

Während beim Thema Asyl kaum einer den Deutschen helfen will, ist es für fast alle EU-Länder umgekehrt keine Frage, dass Deutschland ihnen finanziell jederzeit helfen muss. Dies betrifft auch die von der EU betriebene Einlagensicherung für Banken.

Noch steht Kanzlerin Angela Merkel dem schon seit Jahren betriebenen Zugriff der EU auf insbesondere die deutschen Sparkassen und Volksbanken entgegen. Die Zeitung „Die Welt“ meldet jedoch, dass auch einige Experten den Kampf um diese wichtigen Institute schon verloren geben. Dabei sind sie das Herzstück eines Teils der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands: Die Kreditfinanzierung für kleine und mittlere Unternehmen, die im Gegensatz zu den gierigen Privatbanken nicht ständig auf den maximal möglichen Profit setzt. Große Banken sahen diese Kredite gerade in den letzten Jahren zunehmend „unter ihrer Würde“, weshalb immer mehr davon durch die Sparkassen und Volksbanken erfolgten. Gerade den Privatbanken ist ihre kleine Konkurrenz aber ein Dorn im Auge, weil sie den Vorteil staatlicher Absicherung genießen. Die Ideen, mit denen Brüssel in der Vergangenheit mal mehr, mal weniger offen versucht hat, den deutschen Sparer-Instituten die Grundlagen zu entziehen, sind überaus zahlreich – Lobbyistenwerk ist nicht auszuschließen.

Alle wollen den Topf

Der neueste Streich der EU ist, Sparguthaben künftig auf europäischer Ebene abzusichern. Geht bisher eine Bank pleite, springt nach einer EU-Richtlinie ein nationaler Rettungsfonds ein, um insbesondere die Gelder der Sparer zu sichern. Nach dem Willen der meisten EU-Länder soll künftig ein europäischer Rettungsfonds einspringen. Das ist vordergründig nicht falsch, denn ein solcher Fonds würde für Stabilität und Unabhängigkeit vom Herkunftsland sorgen sowie für Vertrauen in die Banken. Das Problem, so die Zeitung „Die Welt“ , sei, dass viele EU-Staaten erst mit dem Aufbau nationaler Töpfe beginnen, wenn überhaupt. Diese sollen am Ende zu einem gemeinsamen Topf führen. Zwar prüft laut „Welt am Sonntag“ die EU angeblich, ob sie mit Vertragsverletzungsverfahren die säumigen Fondsfüller unter Druck setzen kann. Aber auch das kann noch Jahre dauern, bis es Ergebnisse gibt. Deutschland fürchtet deshalb sicher nicht zu unrecht, dass es anderen Ländern vor allem darum geht, im Notfall, also etwa bei einer Pleiteregierung mit Pleitebanken wie in Griechenland, von den milliardenschweren deutschen Sicherungstöpfen profitieren zu können. So lange also nicht jedes Land einen prall gefüllten nationalen Rettungstopf hat, würde mal wieder hauptsächlich der deutsche Steuerzahler für schlechtes Wirtschaften von Banken und Regierungen anderer Länder herhalten müssen.

Junckers Kompromissvorschlag

Bis Jahresende will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker laut „Welt“ offenbar dennoch einen Kompromissvorschlag vorlegen, wonach, sobald alle Töpfe gefüllt sind, bei einer Bankenpleite zuerst der nationale Fonds einspringen muss. Erst wenn der nicht reicht, springt Europa ein. Dabei ist jedoch noch einiges unklar: Würde eine Regierung wie in Griechenland versagen und damit die eigenen Banken ruinieren, müsste dann schon die EU einspringen? Außerdem ist das Insolvenzrecht in Europa höchst unterschiedlich, hier kann es also auch zu Unsicherheiten kommen. Auch haben viele südeuropäische Banken viele Staatsanleihen gekauft, das birgt ein weiteres Risiko.

Bayerische Sparkassen reagieren mit Besorgnis

Mit Besorgnis sieht Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, die Pläne der EU-Kommission für eine gemeinsame europäische Einlagensicherung. „Eine solche Vergemeinschaftung lehnen wir entschieden ab, denn sie kann gefährlich werden. Im Sinne der deutschen Sparer brauchen wir auch weiterhin eindeutig voneinander abgegrenzte Brandmauern zwischen den Sicherungstöpfen der einzelnen Staaten.“

Das Vertrauen der Sparer in den nationalen Schutz darf nicht durch ein gesamteuropäisches Einlagensicherungssystem gefährdet werden.

Dr. Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern

Nur so könne verhindert werden, dass im Sicherungsfall Instabilitäten von derzeit noch unzureichend ausgestatteten Ländern auf andere übergreifen. „Das Vertrauen der Sparer in den nationalen Schutz darf nicht durch ein gesamteuropäisches Einlagensicherungssystem gefährdet werden,“ so Netzer. „Denn die Gelder, die wir für die Sicherheit unserer Sparer zurücklegen, würden dann für Krisenbanken in anderen Ländern eingesetzt. Die Ansprüche und Arbeitsstandards der Sicherungssysteme in der EU sollten zwar bereits mit Juli diesen Jahres auf ein einheitliches Niveau angehoben werden, doch die finanzielle Ausstattung der nationalen Systeme weicht immer noch beträchtlich voneinander ab. Damit wäre bereits im Vorfeld klar, in welche Richtung die Geldströme fließen würden.“

Wer gut wirtschaftet, wird belohnt – bisher jedenfalls

Ein Punkt bei alldem ist natürlich, dass es ein gut wirtschaftendes Land mit gut gefüllten Fonds leichter hat, an internationale Kredite, aber auch an Investitionen zu kommen. Das ist also zweifellos ein Standortvorteil für deutsche Banken wie für das ganze Land. Hier kommen nun wieder die Sparkassen und Volksbanken ins Spiel: Sie sind mit einem komplexen System durch den Staat gegen Ausfallrisiken abgesichert. Eine europäische Einlagensicherung würde diesen Vorteil zumindest verkleinern und damit diese Institute unter Umständen zwingen, ebenfalls riskantere Geschäfte zu tätigen und weniger Kredite an kleine und mittlere Unternehmen auszugeben – um noch profitabel arbeiten zu können. Noch sind den Sparkassen hochriskante Geschäfte untersagt, weshalb die meisten auch gut aus der großen Bankenkrise hervorgingen.

Gutachten stützt die Sparkassen

Die Sparkassen und Volksbanken kämpfen gegen all diese europäischen Versuche, sie zu schröpfen, weiter an. Nun hat ein wissenschaftliches Gutachten der Finanzplatzmünchen Initiative (fpmi) von Professor Christoph Kaserer zur Kapitalmarktunion in Brüssel die Positionen der Mittelstandsbanken untermauert.

Das Gutachten zeigt: die vielbeschriebene Konkurrenz zwischen Bankenfinanzierung und Kapitalmarkt existiert so nicht. Im Gegenteil: je stärker der Kreditsektor eines Landes ist, desto stärker ist auch der Kapitalmarkt.

Andreas Schmidt, Vorstand der Bayerischen Börse AG und Sprecher der fpmi

Auch Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner sieht in dem Gutachten eine wichtige Argumentationshilfe für ihren Einsatz für die Mittelstandsfinanzierung. Sie beschreibt einen weiteren, bereits umgesetzten Brüsseler Wunsch zur Bankenregulierung namens Basel III, der unter anderem Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals vorschreibt. Je risikoreicher die Geschäfte, umso mehr Eigenkapital muss hinterlegt werden. „Wir können nicht zulassen, dass zum Beispiel durch Basel-III-Folgeregelungen weitere Eigenkapital-Anforderungen gerade auf die Kreditinstitute zukommen, die unseren Mittelstand finanzieren. Dies wäre kontraproduktiv für die Ziele der Kapitalmarktunion“, so die Ministerin. Denn das höhere Eigenkapital wurde ja gerade deshalb eingeführt, um die vor der Bankenkrise wild spekulierenden Großbanken sicherer zu machen, nicht die kleinen Sparkassen, die ohnehin kaum spekulieren durften. Für diese Mittelstandsbanken ist es mit Basel III schon schwieriger geworden, insbesondere kleineren Unternehmen Kredite zu geben, weil diese natürlich ein höheres Risiko haben – ergo mehr Eigenkapital durch die Sparkasse hinterlegt werden muss. Nur: Jedes Unternehmen hat mal klein angefangen. Basel III führte also dazu, dass Neugründungen schwerer oder gar nicht an (günstige) Kredite kommen. Wenn jetzt die Eigenkapital-Anforderungen erneut nach oben geschraubt werden, kann das gefährlich besonders für Innovationen und Neugründungen werden.

Fünf Forderungen

Die fpmi hatte daher Professor Christoph Kaserer, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzmanagement und Kapitalmärkte der TU München, beauftragt, die Finanzierung der Realwirtschaft im Zeichen der Kapitalmarktunion zu untersuchen. Das Gutachten berücksichtigt den jüngst veröffentlichten Aktionsplan der EU-Kommission und kommt im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen und Handlungsempfehlungen:

  1. Die Bankenfinanzierung ist nach wie vor die zentrale Säule der Außenfinanzierung gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen (KMUs).
  2. Zwischen Banken- und Kapitalmarktfinanzierung (also entweder durch Kredit oder durch Verkauf von Unternehmensanteilen beziehungsweise Ausgabe von Anleihen) gibt es ein Komplementärverhältnis und keine Konkurrenz. Das Wachstum des einen Sektors begünstigt das Wachstum des anderen.
  3. Das wichtigste Bindeglied zwischen Kapitalmarkt, Banken und Realwirtschaft ist der Verbriefungsmarkt (also die Ausstellung von handelbaren Wertpapieren), der gestärkt werden muss.
  4. Damit Banken ausreichend Kredite auch an KMUs vergeben und Unternehmen an die Börse begleiten können, dürfen sie in ihrem Wirken nicht durch überbordende Regulierung eingeengt werden.
  5. Die Regulierungsmaßnahmen bei Banken, Versicherungen und Kapitalmärkten müssen auf ihre Aus- und Wechselwirkungen im Zusammenhang mit der Kapitalmarktunion überprüft und gegebenenfalls angepasst werden: Banken- und Kapitalmarktunion müssen Hand in Hand gehen.

Netzer: Unternehmensfinanzierung weiterführen

Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, sieht mit dem Gutachten die Haltung der bayerischen Sparkassen zu den Plänen einer europäischen Kapitalmarktunion bestätigt: „Eine europäische Kapitalmarktunion muss die klassische Kreditvergabe bewahren und so die bewährte Unternehmensfinanzierung und das Wachstum der Kredit- und Kapitalmärkte weiterführen.“

Netzer weiter: „Unsere Mittelstandskunden können sich dann auch künftig auf ihre über Jahrzehnte gewachsene, belastbare Vertrauensbeziehung zu ihrer Hausbank, ihrer Sparkasse, verlassen. Unsere Kunden müssen sich nicht teure Mittelstandsanleihen nach angloamerikanischem System am Kapitalmarkt besorgen, sondern können weiter auf die Zusammenarbeit mit ihrer örtlichen Sparkasse vertrauen.“ Der Sparkassenverband Bayern ist zentraler Dienstleister für die 71 bayerischen Sparkassen und deren Träger. Mit einer addierten Bilanzsumme von rund 186 Milliarden Euro betreiben die bayerischen Sparkassen in allen Teilen des Freistaates Bayern Finanzdienstleistungsgeschäfte mit Schwerpunkt Privatkunden und gewerblicher Mittelstand. Bayernweit sind bei den Sparkassen 43.936 Angestellte beschäftigt, davon 3.525 Auszubildende und Trainees (Stand 31.12.2014).

Das Gutachten „Finanzierung der Realwirtschaft im Zeichen einer Kapitalmarktunion – Handlungsempfehlungen für die Politik“

ist auf der Webseite der fpmi unter www.fpmi.de unter „Positionen“ abrufbar. In der Finanzplatz München Initiative haben sich alle wichtigen Unternehmen, Verbände, Institutionen sowie wissenschaftliche und staatliche Einrichtungen aus der Finanzbranche zusammengeschlossen, um mit einer Stimme zu sprechen. Gegründet 2000 unter maßgeblichem Engagement des bayerischen Wirtschaftsministeriums zählt die Initiative heute fünfzig Mitglieder und damit mehr als jede andere Finanzplatzinitiative in Deutschland.