VW-Chef tritt zurück
Noch betrifft die Affäre um Manipulationen an VW-Dieselautos nur die USA - nach Einschätzung des Auto Club Europa könnte sich dies aber ändern. Die Ausmaße sind verheerend: Über 11 Millionen Autos sollen per Software manipuliert worden sein. Den Mutterkonzern in Europa wird der Skandal viele Milliarden kosten - jetzt musste VW eine Gewinnwarnung herausgeben. VW-Chef Winterkorn trat zurück.
Abgasmanipulationen

VW-Chef tritt zurück

Noch betrifft die Affäre um Manipulationen an VW-Dieselautos nur die USA - nach Einschätzung des Auto Club Europa könnte sich dies aber ändern. Die Ausmaße sind verheerend: Über 11 Millionen Autos sollen per Software manipuliert worden sein. Den Mutterkonzern in Europa wird der Skandal viele Milliarden kosten - jetzt musste VW eine Gewinnwarnung herausgeben. VW-Chef Winterkorn trat zurück.

Aktualisiert am 23. September 2015, 17 Uhr

„Wir waren unehrlich. Wir haben es völlig vermasselt“, so eröffnete Volkswagens US-Chef Michael Horn am Montag die Präsentation des neuen VW Passats in Brooklyn. Angesichts des Abgasskandals, der den Konzern in Atem hält, interessierte das neue Auto aber eher kaum. Nach dem Bekanntwerden der Manipulationen bei Abgasuntersuchungen gerät der Volkswagen-Konzern immer stärker unter Druck. Bei insgesamt 11 Millionen Autos der Marken VW und Audi seien die Abgaswerte mit Hilfe einer speziellen Software manipuliert worden, teilten die ermittelnden Behörden in Amerika jetzt mit. Auch die US-Strafjustiz soll nun laut Medienberichten ermitteln und der US-Kongress beraumte eine Anhörung an.

Martin Winterkorn trat am Mittwoch als Vorstandschef von Europas größtem Autobauer Volkswagen zurück. Das gab der Konzern nach einer Krisensitzung der obersten Aufseher in Wolfsburg bekannt. Der 68-Jährige war durch den Abgas-Skandal in den USA in Bedrängnis gekommen. „Ich bin bestürzt über das, was in den vergangenen Tagen geschehen ist. Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen Konzern möglich waren“, heißt es in einer Erklärung Winterkorns. Als Vorstandschef übernehme er die Verantwortung für die bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren. Er habe daher den Aufsichtsrat gebeten, eine Vereinbarung zur Beendigung seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender des Volkswagen Konzerns zu treffen. „Ich tue dies im Interesse des Unternehmens, obwohl ich mir keines Fehlverhaltes bewusst bin“, erklärte Winterkorn.

 

„Systematische Verbrauchertäuschung“

Ob es auch in Europa derartige Manipulationsfälle gibt, ist bislang nicht klar. Der Sprecher des Auto Club Europa (ACE), Klaus-Michael Schaal, geht allerdings davon aus, dass auch hierzulande geschummelt wurde. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Hersteller auch hierzulande spezielle Software nur für die Abgastests einsetzen, um die Klimabilanz zu beschönigen“, sagte Schaal in einer Stellungnahme. Diese systematische Verbrauchertäuschung sei leider schon heute Gang und Gäbe.

Der ACE bezieht sich mit seinen Vorwürfen auf eigene Studien. Nach dem ADAC ist die Organisation nach eigenen Angaben mit rund 600.000 Mitgliedern der zweitgrößte Automobilclub in Deutschland.

Dobrindt lässt VW überprüfen

Angesichts der manipulierten Abgastests in den USA lässt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in Deutschland VW-Dieselfahrzeuge überprüfen. Er sagte der „Bild„-Zeitung: „Unabhängige Kontrollen finden immer wieder statt. Allerdings habe ich das Kraftfahrtbundesamt angewiesen, bei den VW-Dieselmodellen jetzt umgehend strenge spezifische Nachprüfungen durch unabhängige Gutachter zu veranlassen.“ Zuvor hatte die Bundesregierung „belastbare Informationen“ gefordert, um mögliche Manipulationen bei Abgastests auch in Deutschland prüfen zu können. Diese Überprüfung müsse durch das Kraftfahrtbundesamt vorgenommen werden, hatte ein Sprecher des Umweltministeriums in Berlin gesagt. „VW hat seine absolute Unterstützung zugesagt, für alle von uns jetzt angeordneten Tests der Autos“, berichtete Dobrindt. Volkswagen habe außerdem bekräftigt, dass es in Deutschland keine Manipulationen an Diesel-Fahrzeugen der Marke gebe, sagte der Minister. „VW hat mir versichert, dass alle aktuellen Neufahrzeuge frei von unzulässiger Beeinflussung durch Software oder anderen Veränderungen sind, und die Autos den Zulassungsbedingungen entsprechen.“

Zum finanziellen Verlust kommt ein riesiger Imageschaden

Europas größter Autobauer bekommt die Folgen des Diesel-Skandals mittlerweile auch finanziell zu spüren. Nach internen Prüfungen kündigte das Unternehmen eine Gewinnwarnung für das laufende Geschäftsjahr an. Bereits im dritten Quartal würden etwa 6,5 Milliarden Euro „ergebniswirksam zurückgestellt“, hieß es. Ein VW-Sprecher erklärte, dass es sich um eine Vorsichtsmaßnahme handle. Immerhin muss VW mit einer immensen Strafe von bis zu 18 Milliarden Euro rechnen – diese Strafenhöhe galt allerdings laut einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ nur für rund 500.000 betroffene Autos, nicht für die zugegebenen elf Millionen. In den USA würden die Strafen aber pro Fahrzeug erhoben. Zum Bußgeld der US-Umweltbehörde EPA kommen für VW möglicherweise die gefürchteten amerikanischen Zivil- und Sammelklagen, beispielsweise durch wütende Kunden. Weitere Verluste drohen durch mögliche Strafen der US-Justiz sowie Anlegerklagen aus aller Welt. Das könnte nicht nur Jobs bei VW und vielen Zulieferern in Deutschland gefährden, sondern möglicherweise sogar den ganzen Konzern.

Noch größer als der finanzielle Schaden dürfte aber die Rufschädigung sein, die Volkswagen durch die Affäre erleidet. Die Konzernführung arbeitet aktuell daran, den Schaden zu begrenzen. Die Wolfsburger hatten bereits ein Fehlverhalten eingeräumt und versprochen, mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren. Der Konzern erließ zudem einen Verkaufsstopp für die betreffenden Modelle in den USA. Vorstandschef Martin Winterkorn – gegen den auch schon Rücktrittforderungen laut wurden – hat außerdem eine externe Untersuchung und eine rasche Aufklärung zugesagt.