Bayerns Wirtschaft will Potenzial von Flüchtlingen nutzen
Die bayerische Wirtschaft fordert raschere Asylverfahren und eine systematische Erfassung der Sprachkenntnisse und Qualifikationen von Flüchtlingen. Asylbewerber mit hoher Bleibeperspektive sollten durch Sprachförderung und Qualifizierungen schneller im Arbeitsmarkt integriert werden, so die Bayerische IHK, der vbw und der Handwerkstag. Zweifel an der Qualifikation sind jedoch begründet.
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Bayerns Wirtschaft will Potenzial von Flüchtlingen nutzen

Die bayerische Wirtschaft fordert raschere Asylverfahren und eine systematische Erfassung der Sprachkenntnisse und Qualifikationen von Flüchtlingen. Asylbewerber mit hoher Bleibeperspektive sollten durch Sprachförderung und Qualifizierungen schneller im Arbeitsmarkt integriert werden, so die Bayerische IHK, der vbw und der Handwerkstag. Zweifel an der Qualifikation sind jedoch begründet.

Die Wirtschaftsorganisationen setzen sich ebenfalls dafür ein, dass mehr junge Flüchtlinge eine Ausbildung absolvieren.

Das Positionspapier erneuert die Forderung nach einem generellen Abschiebeschutz für die Zeit der Ausbildung sowie zwei Jahre des Berufseinstiegs. Außerdem soll die Altersgrenze dafür von 21 auf 25 Jahre steigen. Zusätzlich fordert die bayerische Wirtschaft, dass Asylbewerber entgegen den bisherigen Regelungen als Zeitarbeitnehmer arbeiten dürfen.

Angesichts der demografischen Entwicklung und der Fachkräftelücke sehen die Betriebe in den Flüchtlingen ein großes Potenzial.

Eberhard Sasse

Gerade über die Zeitarbeit könnten Flüchtlinge ihre Kompetenzen in der Praxis nachweisen und im Arbeitsmarkt Fuß fassen. „Angesichts der demografischen Entwicklung und der Fachkräftelücke sehen die Betriebe in den Flüchtlingen ein großes Potenzial“, sagt BIHK-Präsident Eberhard Sasse. „Die Integration von anerkannten Flüchtlingen und Asylbewerbern mit einer hohen Bleibeperspektive ist eine Aufgabe, die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gemeinsam meistern können. Allerdings brauchen Betriebe und Jugendliche Rechts- und Planungssicherheit sowie spezielle Beratungs- und Begleitangebote“, betonte BHT-Präsident Georg Schlagbauer.

Mögliche Zuwanderungsanreize durch Sozialleistungen müssen unterbunden werden.

Alfred Gaffal, vbw-Präsident

„Um Asylbewerber mit einer guten Bleibeperspektive sowie anerkannte Asylbewerber rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren, gilt es, frühzeitig die Qualifikation festzustellen, Sprachkenntnisse zu fördern und Hürden, die den Arbeitsmarktzugang erschweren, abzubauen“, sagte vbw-Präsident Alfred Gaffal. „Damit denen, die aus Not zu uns kommen, rasch und zielgerichtet geholfen werden kann, ist es umgekehrt notwendig, Asylverfahren zu beschleunigen und schneller über Anträge von Personen aus sicheren Herkunftsländern zu entscheiden. Diese müssen im Falle einer Ablehnung sofort in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden“, erklärte Gaffal dazu. Ein dauerhafter Zuzug in der gegenwärtigen Größenordnung ist nach Überzeugung der vbw organisatorisch und gesellschaftlich nicht zu bewältigen. „Mögliche Zuwanderungsanreize durch Sozialleistungen müssen unterbunden werden. Vor diesem Hintergrund gilt es auch, die Flüchtlingsströme durch gezielte Hilfen und Unterstützung in ihren Herkunftsstaaten zu reduzieren“, forderte daher der vbw-Präsident.

Zweifel an ausreichender Qualifikation bleiben

Für einige der anerkannten oder geduldeten Flüchtlinge mag das zutreffen. Es ist jedoch noch nicht lange her, da hieß es aus der Wirtschaft, die in deutschen Haupt- oder Realschulen ausgebildeten Schüler könnten viele Lehrstellen nicht besetzen, weil ihnen grundlegende Kenntnisse in Mathe oder Deutsch fehlten. Wie das bei überhaupt nicht Deutsch sprechenden und mit einer ganz anderen Arbeitsmoral zu uns kommenden Asylbewerbern besser sein soll, bleibt daher fraglich. Der Wille allein reicht nicht unbedingt. Denn die Analphabeten-Raten in den Ländern, die zu uns kommen, geben doch einen gewissen Einblick. Die zehn Länder, aus denen derzeit die meisten Asylbewerber nach Deutschland kommen, sind Syrien (13,6 Prozent Analphabeten bei den über 15-Jährigen), Albanien (2,4 Prozent), Afghanistan (61,8 Prozent), Irak (20,3 Prozent), Serbien (1,9 Prozent), Mazedonien (2,2 Prozent), Eritrea (26,2 Prozent), Kosovo (8,1 Prozent), Nigeria (40,4 Prozent) und Pakistan (42,1 Prozent). Wer aber nicht mal lesen oder schreiben kann, wie soll der eine deutsche Ausbildung absolvieren?

Hohe Hürden

Niemand erfasst bisher systematisch die Ausbildung der Ankömmlinge. Das Institut für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) hatte bei einer Stichprobe 2013 unter anerkannten Flüchtlingen festgestellt, dass 13 Prozent der Untersuchten ein Hochschulstudium abgeschlossen hatten und 24 Prozent über einen mittleren Bildungsabschluss verfügten. 58 Prozent aber hatten keinerlei Berufsausbildung. Eine ebenfalls nicht repräsentative Befragung der Lawetz Stiftung 2015 unter knapp 20.000 vor kurzer Zeit eingereisten Asylbewerbern und Flüchtlingen, die an dem durch ESF-Mittel geförderten „Bleiberechtsprogramms“ teilnehmen, kam zu dem Ergebnis, dass 88 Prozent der Teilnehmer eine Schule besucht haben, davon 7 Prozent 13 Jahre und länger. 24 Prozent haben eine berufliche Bildung und 7,2 Prozent ein Studium abgeschlossen, weitere 10,8 Prozent eine Hochschule besucht ohne Abschluss. Hier waren es sogar rund zwei Drittel der Befragten, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügten.

Hinzu kommen weitere Hürden, in der Sprache der Bundesagentur für Arbeit auch „Vermittlungshemmnisse“ genannt. Neben teilweise komplett fehlender schulischer Bildung kommen Flucht-Traumata, fehlende Zertifikate über die Bildungsabschlüsse und vor allem mangelnde Sprachkenntnisse zum Tragen.

(BK/dos/avd)