Nicht gerade förderlich für das neue Image. Der deutsche Sänger Jürgen Drews heizt seit Jahren als "König von Mallorca" am "Ballerman" den deutschen Spaßurlaubern ein. Die Partys münden nicht selten in ein heilloses Saufgelage. Bild: Imago
Balearen-Tourismus

Kein freies Bett im Paradies?

Auf Deutschlands liebster spanischer Urlaubsinsel Mallorca ist womöglich bald kein Bett mehr frei: Der neuen Regierung der autonomen Region im Mittelmeer ist der Touristenstrom zu groß, der in diesen Tagen wieder einsetzt. Die Sozialdemokraten wollen die Entwicklung notfalls mit einem Urlauber-Limit bremsen und setzen auf sanften Tourismus. Bezahlen sollen das die Gäste mit einer Steuer.

„Alemanes fuera! Deutsches Pack haut endlich ab!“ Beschimpfungen dieser Art erleben deutsche Urlauber auf Mallorca zum Glück nur selten. Und wenn, dann dürften sie auch nur jenen gelten, die nach durchzechter Nacht am „Playa de Palma“ in ihrem Erbrochenen liegen. Die große Mehrheit der Deutschen weiß sich zu benehmen und ist willkommen. Auf die Feststellung legt die Tourismusbranche der Region großen Wert.

Balearen hängen am Tropf des Tourismus

Schließlich hängen Mallorca und die übrigen Inseln auch am Tropf des Tourismus, und Deutschland stellt das mit Abstand größte Kontingent: Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahren landeten und starteten am Flughafen von Palma 3,35 Millionen Bundesbürger, berichtet das deutschsprachige Mallorca-Magazin. Gefolgt von den Spaniern (2,5 Millionen) und den Briten (1,7 Millionen). Insgesamt vermeldete der Flughafen in den ersten sechs Monaten des Jahres beim Passagieraufkommen bereits ein Plus um 2,9 Prozent auf 9,54 Millionen Fluggäste.

Aufnahmekapazität „total erschöpft“

So richtig rund geht es auf dem Airport aber erst jetzt in der Hauptreisezeit. Die Touristen strömen in Scharen auf die Inseln, die Hotels sind voll, und auch in den Cafés wird es schwer, einen freien Platz zu finden. Die Entwicklung möchte die neue Regierung jetzt bremsen: Die Aufnahmekapazität sei „total erschöpft“, klagt Vizepräsident Biel Barceló mit Blick auf die jüngst veröffentlichten Zahlen. Demnach strömen 80 Prozent der jährlich 14 Millionen Touristen im Sommer auf die Inseln Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera. Barceló würde die Zahl der Gäste lieber über das ganze Jahr verteilt auf den Inseln sehen, ließ er wissen.

Touristenlimit im Sommer?

Die Sozialdemokraten sind erst seit Juni dieses Jahres am Ruder, aber schon jetzt drauf und dran, einige heilige Kühe zu schlachten: Zum Beispiel wird laut über eine Begrenzung des Tourismus im Sommer nachgedacht. Eine solche Regelung sei „in der Zukunft nicht ausgeschlossen“, bestätigte Barceló, der in der Regierung für Fremdenverkehr und Tourismus zuständig ist. Auf Ressourcen und Flächen der Balearen könne zur Hochsaison kein weiterer Druck mehr ausgeübt werden, mahnte der Vizepräsident. Immerhin kündigte er keine Sofortmaßnahmen an: „Vielmehr geht es darum, zu diskutieren, welches Wirtschafts- und Tourismusmodell wir für die Balearen haben möchten“, sagte er, ohne ins Detail zu gehen.

Verbote können Exzesse nicht aufhalten

Ins Visier genommen hat die Politik aber das Klientel: Auf feierwütige Briten zum Beispiel, die sich im Südwesten Mallorcas bis zu Besinnungslosigkeit betrinken und auf offener Straße oder am Strand Sex haben, verzichten die Regierung bestimmt gerne. Ob sich die Chaoten von einer geplanten Urlaubersteuer – derzeit als ökologische Abgabe Ecotasa bezeichnet – abschrecken lassen werden, darf bezweifelt werden. Gegen die Party-Exzesse waren in den vergangenen Jahren bereits eine Reihe neuer Gesetze erlassen worden. Wie jüngste Berichte zeigen, hält sich der Erfolg aber in Grenzen. Die Briten feiern hemmungslos weiter, und auf der „Schinkenstraße“ kam es vor knapp zwei Wochen mal wieder zu einer Massen-Schlägerei.

Hotelverband lehnt Touristensteuer ab

Angedacht ist laut Vizepräsident Barceló, dass Touristen zukünftig eine Abgabe in den Hotels der Inseln entrichten sollen. Falls dies nicht gelingt, sind Zahlungen an den Flughäfen und Häfen vorgesehen. Die Steuer könnte aber auch auf Tickets und Pauschalbuchungen geschlagen werden, lauten die Überlegungen, von denen der mallorquinische Hotelverband „Fehm“ jedoch überhaupt nichts hält: Sie hoffe weiterhin, den Minister von den Wettbewerbsnachteilen überzeugen zu können, sagte die Fehm-Präsidentin Imma de Benito unlängst.

Die Kurtaxe für die Balearen ist eines der Steckenpferde der neuen Ministerpräsidentin der Inseln, Francina Armengol. Die Ministerpräsidentin will dafür sorgen, dass Mallorca „für eine andere Art von Urlaub“ bekannt wird: Sie wirbt für „nachhaltigen Tourismus“ mit mehr Küsten- und Umweltschutz sowie weniger Beton. Unter anderem will die 43-jährige Sozialdemokratin auch den 20.000 Einwanderern, die ihren Leistungsanspruch verloren hatten, wieder einen Zugang zum Gesundheitssystem ebnen.

Weniger Ausländer kehren zurück

Insgesamt leben auf den Balearen gut 213.000 Menschen, die keinen spanischen Pass haben, berichtet das Mallorca-Magazin. In den Boom-Zeiten seien jährlich bis zu 30.000 Ausländer auf die Insel gekommen. Beinahe die Hälfte von ihnen kehrte in den Krisenjahren bis 2013 aber wieder zurück. 2014 verabschiedeten sich dagegen nur noch 8996 Ausländer wieder von den Balearen – so wenige wie seit fünf Jahren nicht mehr. Zugezogen sind im vergangenen Jahr derweil 11.607 Ausländer. Dafür sagen immer mehr Einheimische ihrer Heimat Lebewohl: Nach Angaben des spanischen Statistikamtes INE wanderten zuletzt 2063 aus, 13.590 zogen aufs spanische Festland. Dies sei der höchste Wert seit 2008, heißt es.

Mallorca neue Heimat von 31.000 Deutschen

Für viele Deutsche ist Mallorca längst eine neue Heimat geworden. 31.000 Bundesbürger leben auf der Insel. Damit stellen sie unter den 876.000 Einwohnern den weitaus größten Anteil der Ausländer. Er liegt bei 21,2 Prozent. Mal vom Klima abgesehen, unterscheidet sich das Leben von dem in Deutschland nur unwesentlich: Dafür steht zum Beispiel der Discounter Lidl, der vergangene Woche seine 16. Filiale auf der größten Insel (auf den gesamten Balearen sind es jetzt 20) eröffnet hat.

Die Einwanderer freuen sich auch über eine reibungslose Wasserversorgung, die die Insel in den Griff bekommen hat. Noch Mitte der 90er Jahre gab es große Probleme: Das Trinkwasser war wegen einer lang anhaltenden Dürre knapp geworden. Bis 1997 musste alle drei Tage eine Ladung mit 29 Millionen Kubikmetern Wassern vom spanischen Festland eingeschifft werden. Heute sorgen eine Pipeline auf der Insel sowie eine Meerwasserentsalzungsanlage für die Versorgungssicherheit.