Sparkurs bei Siemens
Weltweit 6900 Arbeitsplätze will Siemens einsparen. Betroffen ist in Bayern vor allem die Region Erlangen-Nürnberg, denn der Nachfrageeinbruch betrifft das dortige Kraftwerksgeschäft. Die IG Metall hat bereits Widerstand angekündigt.
Arbeitsmarkt

Sparkurs bei Siemens

Weltweit 6900 Arbeitsplätze will Siemens einsparen. Betroffen ist in Bayern vor allem die Region Erlangen-Nürnberg, denn der Nachfrageeinbruch betrifft das dortige Kraftwerksgeschäft. Die IG Metall hat bereits Widerstand angekündigt.

Der Elektrokonzern Siemens will in der Kraftwerks- und in der Antriebssparte weltweit 6900 Arbeitsplätze abbauen, davon etwa die Hälfte in Deutschland. In Bayern konzentriert sich das Kraftwerksgeschäft im Raum Erlangen. Der Ausbau und die Innovationskraft Erneuerbarer Energien setze andere Formen der Energieerzeugung zunehmend unter Druck, begründete Lisa Davis, Vorstandsmitglied bei Siemens, die Entscheidung. Die Einschnitte seien daher notwendig, um Know-how bei der Kraftwerkstechnologie, bei Generatoren und bei großen elektrischen Motoren nachhaltig wettbewerbsfähig halten zu können.

Die Energieerzeugungsbranche befindet sich in einem Umbruch, der in dem Umfang so noch nie dagewesen ist.

Lisa Davis, Mitglied des Vorstands der Siemens AG

Siemens leidet in der Kraftwerkssparte mit weltweit rund 30.000 Beschäftigten unter einem Nachfrageeinbruch vor allem bei Gasturbinen mit einer Leistung über 100 Megawatt, der Preisverfall und Überkapazitäten mit sich bringt. Die Nachfrage werde sich laut Einschätzungen von Siemens am Weltmarkt voraussichtlich auf rund 110 Turbinen pro Jahr einpendeln. Die weltweite, technische Fertigungskapazität aller Hersteller wird dagegen auf etwa 400 Turbinen geschätzt. Konzernchef Joe Kaeser hatte deshalb in der Sparte bereits Jobs gekappt, doch reichten die Einsparungen offenbar nicht aus.

Zwei Standorte schließen

In Summe beläuft sich die Zahl der weltweit im Kraftwerksgeschäft betroffenen Arbeitsplätze auf rund 6100. In Deutschland ist eine Anpassung um rund 2600 Stellen geplant. Die Pläne sehen vor, die Standorte Görlitz (aktuell rund 720 Arbeitsplätze) und Leipzig (circa 200 Arbeitsplätze) zu schließen. Zudem soll das Lösungsgeschäft der Standorte Offenbach und Erlangen zusammengelegt werden. Durch diese drei Maßnahmen sollen insgesamt 1600 Stellen entfallen. Für den Standort Erfurt werden mehrere Optionen geprüft wie beispielsweise ein Verkauf. Darüber hinaus sollen etwa 640 Stellen in Mülheim an der Ruhr und etwa 300 in Berlin abgebaut werden.

In Europa fallen außerhalb Deutschlands durch Restrukturierungsmaßnahmen insgesamt gut 1100 Stellen weg. Außerhalb Europas sind weitere 2500 Stellen betroffen, davon 1800 in den USA durch Konsolidierung in der Fertigung sowie in der Verwaltung.

Forschungsergebnisse aus Berlin

Auch die Lage in der Rohstoffindustrie sei laut Siemens sehr schwierig. Ob im Bergbau, in der Stahlerzeugung oder beim Schiffbau: Die Nachfrage nach großen elektrischen Motoren und Generatoren sei deutlich gesunken. Die Folge sind also auch hier Überkapazitäten. Daher plant der Konzern in diesem Bereich rund 760 Stellen in Deutschland einzusparen. Die Fertigungsarbeiten im Dynamowerk in Berlin sollen in Mülheim an der Ruhr und Erfurt gebündelt werden. Durch diese Maßnahme ist in Berlin der Abbau von rund 570 Stellen geplant. Eine Schließung des Standortes Berlin ist jedoch nicht vorgesehen. Den Planungen zufolge sollen vor allem in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Engineering, Service und Vertrieb Arbeitsplätze in Berlin verbleiben.

Umschulung der Mitarbeiter geplant

Für 2018 sollen sowohl die Investitionen in Forschung und Entwicklung als auch in Produktionsanlagen deutlich ausgebaut werden. Die Zahl der Neueinstellungen dürfte in etwa auf Vorjahresniveau liegen. So wurden im abgelaufenen Geschäftsjahr weltweit fast 39.000 Menschen eingestellt, davon etwa 5200 in Deutschland. Dadurch stieg die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland im Jahresvergleich leicht von 113.000 auf 115.000. Die Zahl der offenen Stellen im Konzern lag zuletzt bei 3200. Ziel sei es laut Konzern, möglichst viele der vom Umbau betroffenen Stellen auf freie Stellen im Konzern zu vermitteln beziehungsweise für diese zu qualifizieren.

Kreative Wege des Widerstands

Widerstand gegen die Pläne kündigten Betriebsrat und IG Metall bereits vor Verkündung der Stelleneinsparungen an. „Wir werden eine Diskussion über kreative Wege des Widerstands beginnen müssen“, sagte IG-Metall-Vorstand und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner der Wirtschaftswoche. „Dazu könnten auch die Verweigerung von Mehrarbeit und Sonderschichten über einen längeren Zeitraum gehören.“ Auch den Beschluss des Unternehmens, Jobs an Standorte in strukturschwachen Regionen vor allem in Ostdeutschland zu verlagern, sieht man bei Arbeitnehmervertretern kritisch. Das sei ein Versuch, Unfrieden zwischen den einzelnen Standorten zu stiften, heißt es.

Siemens hat dafür eine andere Begründung parat: „Um das Know-how im Kraftwerksbau noch effektiver zu sichern und zu nutzen, ist geplant, Kompetenzzentren einzurichten. Dies soll an Standorten passieren, an denen Kern-Know-how sowie Vorteile in der Wertschöpfungskette von Forschung und Entwicklung, Fertigung, Test und Logistik vorhanden sind und eine dauerhaft wettbewerbsfähige Entwicklung ermöglichen“, heißt es in der aktuellen Pressemitteilung.

(PM/dpa/AS)