Das war's dann wohl mit Kaiser's Tengelmann. Dass die Supermarktkette und mit ihr 15.000 Arbeitsplätze erhalten bleiben, gilt nach den gescheiterten Gesprächen als sehr unwahrscheinlich. (Bild: Imago/Udo Gottschalk)
Kaiser's Tengelmann

Übernahmepoker mit 15.000 Verlierern

Gegenseitige Schuldzuweisungen statt einer Lösung für die 15.000 Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann sind das traurige Ergebnis im Ringen um eine Übernahme der angeschlagenen Supermarktkette. Aller Voraussicht wird sie jetzt zerschlagen. Die Beschäftigten im Freistaat dürfen dennoch hoffen.

192 Filialen betreibt Kaiser’s Tengelmann in Bayern, 4900 Beschäftigte arbeiten in den Supermärkten, im Echinger Zentrallager, in der Logistik und in der Verwaltung. Im Gegensatz zu den Filialen der Kette in Nordrhein-Westfalen sind die Häuser im Freistaat rentabel, in München haben sie einen stattlichen Marktanteil von 14 Prozent. Das dürfte auch der Grund sein, warum Tengelmann-Chef Karl Erivan Haub ab nächster Woche zunächst das Filialnetz der Kaiser’s-Vertriebsregionen Nordrhein zum Verkauf feilbieten will. Sie schreiben die größten Verluste, je schneller Haub die Häuser los ist, umso weniger Verluste bescheren sie ihm. „Leider müssen wir davon ausgehen, dass für zahlreiche Filialen kein Supermarktbetreiber gefunden werden kann“, gab der Tengelmann-Boss am Donnerstag unumwunden zu. Er habe deshalb die Geschäftsführung von Kaiser’s Tengelmann beauftragt, „in umfassende Sozialplanverhandlungen einzutreten“.

Hier stellt man eindeutig finanzielle Interessen in den Mittelpunkt und nicht die Beschäftigten.

Manfred Schick, Tengelmann-Kaiser’s Betriebsratschef für München und Oberbayern

Die „Verwertungsphase“ der Vertriebsregionen in München und Berlin werde dagegen zeitverzögert starten, hieß es am Donnerstag. Einzig das Fleischwerk in Donauwörth wird in Bayern ebenfalls bereits in der kommenden Woche auf den Markt geworfen. Viele Mitarbeiter der rentablen Filialen in München und Oberbayer können sich also Hoffnung machen, dass ihre Märkte erhalten bleiben, wenn auch unter neuen Namen. Dennoch sind sie bitter enttäuscht: „Man hat nicht alles versucht in diesen Verhandlungen am runden Tisch, um eine für die Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze gute Lösung zu finden“, sagte Manfred Schick, Tengelmann-Kaiser’s-Betriebsratschef für die Region München und Oberbayern, am Freitag dem Bayerischen Rundfunk. Der Prozess dauere mittlerweile zwei Jahre, und „jetzt möchte man innerhalb von zwei Wochen Ergebnisse haben“, so Schick mit Blick auf die halbherzigen Verhandlungen zwischen Tengelmann, Edeka und Rewe, die am Donnerstag krachend gescheitert sind. „Hier stellt man eindeutig finanzielle Interessen in den Mittelpunkt und nicht die Beschäftigten“, erklärte Schick. Sein Kollege in Nordrhein-Westfalen, Rainer Schroers, sagte tags zuvor bereits den Ruhr Nachrichten: „Ich bin wie vor den Kopf gestoßen, das ist ein Horrorszenario.“

Streit ohne Ende

Der Tengelmann- und der Edeka-Konzern waren sich bekanntlich schon vor zwei Jahren handelseinig. Das Kaiser’s-Tengelmann-Filialnetz und seine 15.000 Mitarbeiter sollten als Ganzes in die Hände von Edeka übergehen. Die Kartellwächter spielten aber nicht mit und untersagten die Übernahme, weil Edeka zu mächtig würde: Dem genossenschaftlichen Verbund gehören in Deutschland bereits 11.500 Filialen mit 330.000 Mitarbeitern, der Jahresumsatz lag zuletzt bei 48,27 Milliarden Euro. Das Verbot rief Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf den Plan, der per Ministererlaubnis den Weg für die Übernahme freimachen wollte. Doch auch das ging schief: Das zweitgrößte deutsche Lebensmittel-Handelsunternehmen, die Rewe Gruppe, zog vor das Oberlandesgericht in Düsseldorf und klagte erfolgreich gegen die Ministererlaubnis. Die Arbeitsplätze standen wieder im Feuer.

Hoffnungen auf Runden Tisch werden enttäuscht

Vor gut zwei Wochen keimte bei den Beschäftigten noch einmal Hoffnung auf, weil sich alle Beteiligten an einen Tisch setzten, um einen Kompromiss zu erzielen. Letztlich erklärte sich Rewe aber nicht bereit, seine Klage gegen die Ministererlaubnis zurückzuziehen. Rewe wollte seinerseits alle Tengelmann-Filialen übernehmen, für diese Lösung fand sich an dem Tisch freilich auch keine Mehrheit. Schließlich wäre Edeka dann der große Verlierer gewesen.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass REWE an keiner Lösung im Rahmen der Ministererlaubnis interessiert war. Anders ist es auch nicht zu erklären, dass REWE mehrfach vereinbarte Termine platzen ließ, weder eine vertragliche Struktur zur Abwicklung des Kaufes vorlegen konnte, noch Ansätze für eine kartellrechtlich sichere Lösung.

Aus der Mitteilung des Edeka-Verbunds

Nach dem Scheitern der Gespräche hagelte es am Donnerstag gegenseitige Schuldzuweisungen: „Es drängt sich der Eindruck auf, dass Rewe an keiner Lösung im Rahmen der Ministererlaubnis interessiert war“, ließ Edeka verlautbaren. Rewe habe mehrfach vereinbarte Termine platzen lassen und weder eine vertragliche Struktur zur Abwicklung des Kaufes vorlegen, noch Ansätze für eine kartellrechtlich sichere Lösung vorlegen können, hieß es in der Mitteilung.

Für mich ist klar: Edeka und Kaiser’s Tengelmann sind fest entschlossen, in Kürze den Kaufvertrag aufzulösen, damit Herr Haub Kaiser’s Tengelmann in für ihn wirtschaftlich optimaler Weise in Paketen veräußern kann. Wir wissen, dass entsprechende Gespräche mit Dritten bereits geführt wurden.

Rewe-Chef Alain Caparros

Rewe, das bei den Verhandlungen „keinen ernsthaften Vorschlag für einen Kompromiss“ erkenne konnte, teilte seinerseits kräftig aus. Vorstandschef Alain Caparros ließ in seinem Statement kein gutes Haar an den Edeka- und Tengelmann-Bossen Markus Mosa und Karl-Erivan Haub: Sie hätten sich „auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann verspekuliert und die große Chance vertan, die Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann zu sichern“, so Caparros. Rewe könne und dürfe die Klage gegen die Ministererlaubnis nicht ohne einen fairen Interessenausgleich zurückziehen, weil der Vorstand der Rewe Gruppe sich damit als Organ einer „eklatanten Treuepflichtverletzung“ gegenüber dem Unternehmen und seinen 220.000 Mitarbeitern schuldig machen würde, machte der Rewe-Chef mit Blick auf das Urteil des Oberlandesgerichts klar. Der Gegenseite warf er vor, dass Edeka und Kaiser’s Tengelmann fest entschlossen seien, den geschlossenen Kaufvertrag in Kürze aufzulösen, „damit Herr Haub Kaiser’s Tengelmann in für ihn wirtschaftlich optimaler Weise in Paketen veräußern kann“.

Bundeswirtschaftsminister drängt auf erneuten Einigungsversuch

Tengelmann-Chef Haub hält derweil bis zuletzt die Tür einen Spalt weit offen: „Wir werden in den kommenden Wochen parallel zu Vorbereitungen des Abwicklungsszenarios weiter versuchen, den Weg zum Vollzug der Ministererlaubnis frei zu machen“, kündigte er an. Dass es dazu kommt, gilt in der festgefahrenen Situation jedoch als nahezu unmöglich. Wirtschaftsminister Gabriel probiert es dennoch noch einmal. Medienberichten zufolge will er alle Beteiligten eindringlich bitten, einen erneuten Einigungsversuch zu unternehmen. Das sei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgesprochen.