Düstere Prognosen
Zu Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz zeichnet deren Leiter Wolfgang Ischinger ein pessimistisches Bild der aktuellen Lage. Er sieht ein tiefes Misstrauen unter den Großmächten und die Gefahr militärischer Konfrontationen.
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Düstere Prognosen

Zu Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz zeichnet deren Leiter Wolfgang Ischinger ein pessimistisches Bild der aktuellen Lage. Er sieht ein tiefes Misstrauen unter den Großmächten und die Gefahr militärischer Konfrontationen.

Zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz hat ihr Chef Wolfgang Ischinger vor dem Risiko einer militärischen Konfrontation zwischen den USA und Russland gewarnt. Die sei so hoch wie seit dem Ende der Sowjetunion nicht mehr, sagte der frühere Spitzendiplomat am Freitag im Deutschlandfunk. Das Misstrauen zwischen der Militärführung in Washington und der in Moskau sei „abgrundtief“.

Wunsch nach einer Ordnungsmacht

Als einen Grund für die „unglückselige Entwicklung“ nannte Ischinger die neue Rolle der USA unter Präsident Donald Trump. „Immer häufiger, so ist mein Eindruck, wird versucht, nicht nur mit Waffen zu drohen, sondern den Waffeneinsatz tatsächlich zu praktizieren, um eigene Interessen durchzusetzen“, sagte er.

„Es liegt daran, dass eine große Ordnungsmacht, ein Weltpolizist, um es salopp auszudrücken, in der Form, wie wir ihn längere Jahre, vielleicht Jahrzehnte hatten, nicht mehr existiert“, erläuterte Ischinger. „Die USA haben sich doch in sichtbarer Weise von dieser früheren Rolle zurückgezogen, insbesondere im Nahen und Mittleren Osten.“

Internationales Gipfeltreffen

Rund 500 Politiker und Experten beraten von diesem Freitag bis Sonntag an bei der Sicherheitskonferenz über die Krisen der Welt. Zu den Teilnehmern zählen der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und der russische Außenminister Sergej Lawrow. Aus Washington kommen Trumps Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster und US-Verteidigungsminister James Mattis.

Kritisch zu den USA äußerte sich in ihrer Eröffnungsrede auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sie warf US-Präsident Donald Trump einen einseitigen Militär-Kurs vor. „Auch unsere amerikanischen Freunde haben eine kostbare Verpflichtung jenseits des Militärischen“, betonte die Ministerin an diesem Freitag in München. Man sehe mit Sorge, „wenn bei manchen Partnern die Mittel für Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit oder die Vereinten Nationen immer weiter zurückgefahren werden“. Von der Leyen rief Trump zu einem stärkeren Engagement für Entwicklungshilfe auf.

Mehr Verantwortung für Europa

Trump will die US-Beiträge für Entwicklungshilfe und UN deutlich kürzen. Es dürfe aber keine Arbeitsteilung geben, wonach die USA nur für das Militärische zuständig seien und die EU für die humanitären Folgefragen, warnte von der Leyen. Auch Europa könne „militärisch mehr Gewicht in die Waagschale“ werfen. Die Europäer brauchten auch den gemeinsamen Willen, ihr militärisches Gewicht einzusetzen.

UN-Generalsekretär António Guterres appellierte in München an die internationale Staatengemeinschaft, im Kampf gegen gefährliche Krisen und globale Probleme zusammenzustehen. „Herausforderungen für die Menschheit“ könne man nur gemeinsam und geeint lösen, sagte Guterres. Er forderte insbesondere einen gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel und den internationalen Terrorismus und noch stärkere Anstrengungen, um Konflikte wie im Nahen Osten, im Jemen oder auf der koreanischen Halbinsel zu lösen.

Gabriel verteidigt Militäreinsätze

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel forderte die Europäer zum Auftakt der Konferenz zu einem selbstbewussteren Umgang mit militärischer Macht auf. „In einer Welt voller Fleischfresser haben es Vegetarier schwer“, schrieb er in der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Militäreinsätze dürften deswegen für Europa aber kein absolutes Tabu sein.

„Europa muss ein Flexitarier werden, der Fleischkonsum gelegentlich zulässt und militärische Macht nicht scheuen darf, aber dem Zivilen den Vorrang gibt“, sagte der SPD-Politiker. Es dürfe nicht ignoriert werden, dass sich die Regierungen vieler Weltregionen zunehmend von militärischer Konfliktlogik leiten ließen.

Ukraine-Konflikt als Thema

Gabriel wird am Samstag den zweiten Konferenztag eröffnen. Am Rande der Konferenz wollen sich auch erstmals seit einem Jahr wieder die Außenminister von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine treffen, um über den Konflikt zwischen pro-russischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen in der Ostukraine zu beraten. Dabei dürfte es vor allem um die Überlegungen zu einem UN-Friedenseinsatz in dem Krisengebiet gehen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beklagte zum Auftakt der Konferenz die zunehmende Kampfhandlungen in der Krisenregion. „Wir befinden uns wieder in der Aufwärtsspirale der Gewalt“, sagte der Vizechef der OSZE-Beobachtermission in der Ostukraine, Alexander Hug, der dpa. In der vergangenen Woche seien die Verletzungen des Waffenstillstands zwischen pro-russischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen um 30 Prozent im Vergleich zur Vorwoche gestiegen.

(dpa)