Die Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann ist fürs erste gestoppt. Dass nun Rewe den Zuschlag erhält halten Experten allerdings auch für sehr unwahrscheinlich. (Bild: Imago/Ralph Peters)
Kaiser's Tengelmann

Konzerne nach Richterspruch in der Zwickmühle

Die Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel ist fürs Erste passé: Die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch den Lebensmittelriesen Edeka liegt auf Eis. Der Gewinner des Rechtsstreits ist die Rewe Group, die nun ihr Übernahmeangebot erneuert. Doch selbst wenn Kaiser’s Tengelmann der ungeliebten Braut das Ja-Wort gibt, könnte eine Fusion erneut aus wettbewerbsrechtlichen Gründen scheitern.

Nach der Ministererlaubnis im März dieses Jahres atmeten vor allem die Beschäftigten der Kaiser’s Tengelmann-Filialen auf: Trotz Bedenken des Bundeskartellamtes hatte Sigmar Gabriel (SPD) erlaubt, dass Edeka die defizitäre Kaiser’s Tengelmann-Kette übernimmt. Damit schien der Erhalt von bundesweit 16.000 Arbeitsplätzen gesichert. Die Kartellwächter hatten bekanntlich zuvor bemängelt, dass Edeka seine Übermacht noch weiter ausbaut. Dem genossenschaftlichen Verbund gehören bereits 11.500 Filialen mit 330.000 Mitarbeitern, zu ihnen zählt auch der Marken-Discounter Netto mit allein 4000 Filialen.

Oberlandesgericht kassiert Ministererlaubnis

Nach der Ministererlaubnis, die das Veto des Kartellamts aushebelte, flogen die Fetzen: Daniel Zimmer, Vorsitzender der Monopolkommission, trat aus Protest zurück, und Rewe-Chef Alain Caparros kündigte an, dass sein Unternehmen beim Oberlandesgericht (OLG) in Düsseldorf Beschwerde einlegen wird. Dort rannte er offene Türen ein, die Richter fuhren schwere Geschütze gegen den Bundeswirtschaftsminister Gabriel auf: Er habe über die Erteilung der Erlaubnis nicht entscheiden dürfen, „da sein Verhalten im Erlaubnisverfahren die Besorgnis seiner Befangenheit und fehlenden Neutralität begründe“, heißt es vom OLG. Der Minister habe in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens mit Edeka und Kaiser’s Tengelmann geheime Gespräche geführt.

Der Minister hat in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens mit Edeka und Kaiser’s Tengelmann geheime Gespräche geführt.

Oberlandesgericht Düsseldorf

Konkret bemängeln die Richter, dass zunächst am 16. November 2015 mit allen Beteiligten über die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ministererlaubnis mündlich verhandelt worden war. Zu dieser Zeit lag demnach bereits ein Übernahme-Angebot von Rewe vor, das den Erhalt aller 16.000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann vorgesehen hatte. Das zu diesem Zeitpunkt von Edeka vorliegende Angebot sah dagegen einen „signifikanten Arbeitsplatzabbau“ vor. Erst im Januar 2016 habe Edeka sein Übernahmeangebot „dann substantiell erweitert und es dem Angebot von Rewe angepasst“, moniert das OLG und nimmt Gabriel ins Visier: Auf seine Veranlassung hin seien am 1. und 16. Dezember „Sechs-Augen-Gespräche“ zwischen ihm, dem Edeka-Vorstandsvorsitzenden Markus Mosa sowie dem Miteigentümer von Kaiser’s Tengelmann, Karl-Erivan Haub, zur Ministererlaubnis geführt worden. Alle anderen Beteiligten und insbesondere Rewe blieben außen vor.

Gabriel sieht falsche Tatsachenbehauptungen und will Rechtsmittel einlegen

Den Vorwurf ließ Gabriel nicht auf sich sitzen. Er unterbrach am Mittwoch seinen Urlaub, trommelte die Presse zusammen und eröffnete seinerseits das Feuer auf die Richter: Das Urteil enthalte eine ganze Reihe von falschen Tatsachenbehauptungen, das Ministerium werde Rechtsmittel prüfen und dann auch einlegen, um das Urteil zu revidieren, so Gabriel. Den Befangenheitsvorwurf wies der Wirtschaftsminister „entschieden zurück“. Weder die vom Gericht genannten Termine seien richtig, noch seien es jeweils gemeinsame Gespräche mit den Herren Haub und Mosa gewesen. Auch die Behauptung, er habe sie alleine, sozusagen im Geheimen geführt, entspreche nicht den Tatsachen.

Edeka und KaisersTengelmann haben bei diesem Fusionsvorhaben von Anfang an auf einen Weg der Konfrontation mit Wettbewerbshütern und Gewerkschaften gesetzt und eine Ministererlaubnis erzwingen wollen. Dass diese in Form und Inhalt zweifelhafte Ministererlaubnis nun nicht vollzogen werden kann, ist eine logische Folge dieser Brachialstrategie.

Rewe Group-Sprecher Martin Brüning

Wie auch immer: die Unsicherheit bei den Beschäftigte von Kaiser’s Tengelmann ist nach dem Richterspruch größer denn je, der Streit unter den Beteiligten wieder voll entbrannt. Rewe-Group-Sprecher Martin Brüning goss nach dem Richterspruch gleich mal tüchtig Öl ins Feuer: „Edeka und Kaiser’s Tengelmann haben bei diesem Fusionsvorhaben von Anfang an auf einen Weg der Konfrontation mit Wettbewerbshütern und Gewerkschaften gesetzt und eine Ministererlaubnis erzwingen wollen“, erklärte der Sprecher. „Dass diese in Form und Inhalt zweifelhafte Ministererlaubnis nun nicht vollzogen werden kann, ist eine logische Folge dieser Brachialstrategie.“ Gabriel warf der Konzernsprecher zudem vor, dass seine Aussage, Rewe sei durch Akteneinsicht über Gespräche des Bundesministers mit den Chefs von Edeka und Kaiser’s Tengelmann informiert worden, „falsch ist“. Briefwechsel zwischen den Rewe-Anwälten und dem Wirtschaftsministerium belegen das angeblich.

 

Experten sehen bei Übernahmepoker auch für Rewe schlechte Karten

Rewe-Chef Alain Caparros erneuerte derweil via Bild-Zeitung sein Übernahmeangebot an Kaiser’s Tengelmann: „Rewe würde die Arbeitsplätze sichern, bestehende Tarifverträge übernehmen und die betriebliche Mitbestimmung in vollem Umfang garantieren“, versprach er einmal mehr. Experten gehen jedoch davon aus, dass nach einem solchen Zusammenschluss auch Rewes Marktmacht zu groß wäre und die Monopolkommission erneut ihr Veto einlegt. „Da das Gericht die Ministererlaubnis für Edeka einkassiert hat, dürfte Rewe auch keine besseren Aussichten haben“, fasst es ein Fachmann im Gespräch mit der Wirtschaftswoche zusammen. Der Experte glaubt aber auch nicht an die nun befürchtete Zerschlagung von Kaiser’s Tengelmann. „Die Übernahme durch mehrere, hoffentlich kleinere Anbieter ist die wahrscheinlichste Option.“