Sie dürften schon erfreulicherere Hauptversammlungen erlebt haben: VW-Konzern-Vorsitzender Matthias Müller und Aufsichtsratschef Dieter Pötsch. (Bild: Imago/Susanne Hübner)
VW-Hauptversammlung

Der Frust sitzt tief

Die Führungsriege von VW ist bei der ersten Hauptversammlung nach dem Diesel-Skandal mit einem blauen Auge davongekommen. Die Kleinaktionäre probten zwar den Aufstand und schimpften wie die Rohrspatzen, am Ende wurden Vorstand und Aufsichtstrat dennoch mit überwältigender Mehrheit der Großaktionäre entlastet. Von ihnen tanzte nur einer aus der Reihe.

Das Land Niedersachsen, das rund 20 Prozent der VW-Anteile hält, ließ den Vorstand zappeln und überließ die Entlastung den anderen: „Niedersachsen möchte im derzeitigen Verfahrensstand nicht auch nur den geringsten Anschein erwecken, sich in der Frage der laufenden Ermittlungsverfahren zu positionieren“, begründete eine Sprecherin die Stimmenthaltung des Bundeslandes bei der Versammlung, die sich am Mittwoch bis in die Nacht zog.

Kleinaktionäre lassen ihrer Wut freien Lauf

Es gab erwartungsgemäß viel Redebedarf: Vor allem die Kleinaktionäre, deren Ersparnisse in den VW-Papiere stecken, waren fuchsteufelswild und ließen ihrer Wut und Empörung freien Lauf. Mehr als 60 Wortmeldungen wurden gezählt, VW musste sich dabei vor allem Intransparenz bei der Aufklärung des Skandals vorwerfen lassen. Und nicht nur das: „Mit geradezu krimineller Energie“ und „auf Kosten von Umwelt und Gesetztestreue“ seien die Verantwortlichen bei der Manipulation der Motorsteuerungssoftware vorgegangen, empörte sich ein älterer Herr. Und das alles für „ein paar lausige Cents“, schimpfte der Mann so lange, bis ihm das Mikrofon abgedreht wurde. Vorher bekam noch VW-Aufsichtsratschef Dieter Pötsch sein Fett weg, den der Redner in seiner Rage als einen „hauptverantwortlichen Täter“ und „Wegseher“ titulierte.

Wir stehen vor einem Trümmerhaufen. Den Volkswagenkonzern, den wir vor dem 18. September 2015 kannten, gibt es so nicht mehr und wird es so auch nie wieder geben.

Ulrich Hocker, Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz

Von einer „Filzokratie“, bei der sich das Land Niedersachsen, der VW-Betriebsrat, das Management und die Großaktionäre Porsche und Piech gegenseitig Vorteile zuschieben würden, sprach derweil Markus Dufner vom „Dachverband Kritischer Aktionäre“. Und Ulrich Hocker von der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz klagte stellvertretend für alle Leidensgenossen, deren VW-Papiere in den Keller gesackt sind: „Wir stehen vor einem Trümmerhaufen. Die Aktie hat 50 Prozent ihres Wertes verloren, die Marktanteile schrumpfen, der Dieselmotor, der uns lange als umweltfreundlicher Heilsbringer verkauft wurde, stellt sich als große Mogelpackung heraus.“ Und er fügte hinzu: „Den Volkswagenkonzern, den wir vor dem 18. September 2015 kannten, gibt es so nicht mehr und wird es so auch nie wieder geben.“

Neuigkeiten zu „Dieselgate“ Fehlanzeige

Mehr als ihren Frust herauslassen konnten die Kleinaktionäre freilich nicht. Die Anträge der Schutzvereinigung und der Aktionärsberater Deminor, externe Gutachter mit einer Untersuchung des Abgasskandals zu beauftragen, hatten nicht den Hauch einer Chance. Sie wurden mit 97 Prozent der Stimmen abgelehnt. Das liegt freilich auch daran, dass VW bereits eine amerikanische Kanzlei mit der Aufarbeitung von „Dieselgate“ beauftragt hat. Ein Abschlussbericht wird erst für Ende dieses Jahres erwartet. Und so gab es bei der Hauptversammlung wenig Erhellendes zu hören. Aufsichtsratschef Pötsch bat um Verständnis: Es wäre für VW mit hohen finanziellen Risiken verbunden, die Öffentlichkeit über den Stand der Ermittlungen zu unterrichten, betonte er mit Blick auf die vom zuständigen Bezirksrichter in den USA erbetene Verschwiegenheit. VW will sich daran halten und hofft beim Strafmaß auf ein Entgegenkommen der Amerikaner.

Dieses Fehlverhalten widerspricht allem, wofür Volkswagen steht. Es hat unser höchstes Gut beschädigt: Das Vertrauen der Menschen in unser Unternehmen und unsere Produkte.

VW-Konzernchef Matthias Müller zum Dieselskandal

Am Ende mussten weder Aufsichtsrat noch Vorstand um ihre Entlastung fürchten. Neben Aufsichtsratschef Pötsch konnten auch der zurückgetretene Vorstandschef Martin Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess einen Haken hinter das Skandaljahr machen. Gegen beide letztgenannten ermittelt bekanntlich die Staatsanwaltschaft in Braunschweig wegen des Verdachts der Marktmanipulation im Zuge des Dieselskandals. Für diesen entschuldigte sich der amtierende Vorstandschef Matthias Müller nun auch noch einmal bei den Aktionären: „Dieses Fehlverhalten widerspricht allem, wofür Volkswagen steht. Es hat unser höchstes Gut beschädigt: Das Vertrauen der Menschen in unser Unternehmen und unsere Produkte.“ Der Konzern setze nun alles daran, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.