Zukunftsmusik auf der A9
Die erste intelligente und volldigitalisierten Straße der Welt: Die A9 in Bayern. Jetzt wird das Digitale Testfeld Autobahn mit Radarsensorik ausgerüstet. Mit den Firmen Siemens und Infineon hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt darüber einen Innovationsvertrag unterzeichnet. Auf der High-Tech-Strecke geht es um die Mobilität der Zukunft − und Deutschlands Technologieführerschaft.
Zukunft der Mobilität

Zukunftsmusik auf der A9

Die erste intelligente und volldigitalisierten Straße der Welt: Die A9 in Bayern. Jetzt wird das Digitale Testfeld Autobahn mit Radarsensorik ausgerüstet. Mit den Firmen Siemens und Infineon hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt darüber einen Innovationsvertrag unterzeichnet. Auf der High-Tech-Strecke geht es um die Mobilität der Zukunft − und Deutschlands Technologieführerschaft.

Ganz alt und ganz neu in einer Halle. Im Verkehrszentrum des Deutschen Museums auf der Münchner Theresienhöhe haben die Geburtsstunde der motorisierten Mobilität und der Beginn ihrer digitalen Zukunft zusammengefunden: Hier der Benz-Motorwagen, das erste Auto der Welt, in dem Carl Benz am 3. Juli 1886 in Mannheim die ersten Runden drehte. Da, in der gleichen Halle, die Präsentation der nächsten Entwicklungsstufe auf dem Weg zum automatisierten und vernetzten Fahren: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt setzt seine Unterschrift unter den Innovationsvertrag zum Aufbau von Radarsensorik auf dem Digitalen Testfeld Autobahn. Partner des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur sind die Infineon Technologies AG und die Division Mobility der Siemens AG. Gemeinsam werden die beiden Firmen die Infrastruktur an der High-Tech Teststrecke entlang der Autobahn A9 zwischen München und Nürnberg mit modernster Radar-Sensorik ausstatten, um in Echtzeit hochpräzise Daten zu Verkehrsfluss, Verkehrsdichte, Geschwindigkeit und Fahrverhalten zu gewinnen. Infineon liefert die Sensor-Chips, Siemens die Messgeräte.

Radarsensorik für das Digitale Testfeld Autobahn

In einer ersten Ausbauphase werden zunächst etwa zehn Sensorik-Anlagen auf dem Digitalen Testfeld Autobahn errichtet. 2017 sollen die Anlagen in Betrieb gehen und Daten sammeln, die dann ihrerseits die Voraussetzungen für innovative Verkehrsanwendungen schaffen sollen: individuelle Fahrspurempfehlungen je nach Fahrbahnauslastung, Reiseziel und Geschwindigkeit; intelligente und flexible Tempolimits; digitale Frühwarnsysteme, die die Verkehrsteilnehmer über dichten Verkehr, Hindernisse und Risikosituationen informieren. „Die A9 in Bayern wird die erste intelligente und volldigitalisierte Straße“, freut sich Minister Dobrindt. Vorerst sollen auf dem Testfeld nur Daten gesammelt werden. Dobrindt: „Damit schaffen wir die Voraussetzung für smarte Verkehrssteuerung und die Kommunikation von Fahrzeugen und Infrastruktur.“ Alle Daten, die hier gesammelt werden, stellt das Verkehrsministerium über sein Portal mCloud offen zur Verfügung, betont Dobrindt, „damit Gründer und Startups daraus digitale Anwendungen für das automatisierte und vernetzte Fahren entwickeln können“.

Autos werden immer mehr untereinander und mit der Infrastruktur Informationen austauschen. So wächst die Kapazität auf der Straße, weil sie effizienter, intelligenter und sicherer genutzt wird.

Jochen Eickholt, CEO Division Mobility, Siemens AG

Das Testfeld auf der A9 „ist ein Schlüssel“ bestätigt Infineon-Chef Reinhard Ploss: „Die Vernetzung von automatisierten Fahrzeugen eröffnet neue Möglichkeiten – der Austausch von Daten mit der Infrastruktur und anderen Fahrzeugen liefert zusätzliche Informationen, um vorausschauend zu fahren und den Verkehrsfluss zu verbessern.“ Das Testfeld und die Vertragsunterzeichnung werde „das hochautomatisierte und vernetzte Fahren auf Deutschlands Straßen ein wichtiges Stück weiterbringen“, ergänzt der Chef der Siemens Division Mobility, Jochen Eickholt: „Autos werden immer mehr untereinander und mit der Infrastruktur Informationen austauschen. So wächst die Kapazität auf der Straße, weil sie effizienter, intelligenter und sicherer genutzt wird.“

Die A9 in Bayern wird die erste intelligente und volldigitalisierte Straße.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt

Radartechnologie, um die es jetzt auf der A9 geht, wird bei der Entwicklung von Mobilitäts-Sensorik eine besondere Rolle spielen, erläutert Ploss: „Radar blendet nicht, braucht wenig Energie und kann durch Regen und Schnee hindurchsehen.“ Infineon will am Rande der A9 Bauelemente testen und lernen, welche Systemanforderungen überhaupt gestellt werden und „wie die nächste Generation der Sensoren aussehen muss“. Für Dobrindts Initiative mit dem Digitalen Testfeld Autobahn ist er darum sehr dankbar. Auch Eickholt ist froh über die Partnerschaft mit dem Verkehrsministerium. Für den Siemens-Mann ist das Testfeld auf der A9 „ein Meilenstein“. Siemens-Sensoren sollen das Herzstück der neuen Technologie werden, die dann „die Realität auf der Straße zu Information werden lässt“. Dobrindt gibt ein Beispiel dafür, was das einmal für die Verkehrsteilnehmer bedeuten kann: Wenn die Sensorik auf der nächtlichen Fahrbahn etwa ein Objekt oder ein stehendes Fahrzeug entdeckt, kann sie schon aus großer Entfernung Warndaten an andere Fahrzeuge senden. Die Mobilität der Zukunft wird vor allem eines sein: viel sicherer.

Es geht um Deutschlands Technologieführerschaft beim Thema Mobilität

Eingeweiht wurde das Digitale Testfeld Autobahn auf der A9 schon im vergangenen September – als technologieoffenes Angebot an Industrie und Forschung. Innovative Unternehmen aus dem In- und Ausland können hier zukunftsweisende Systeme und Technologien im Realbetrieb erproben. Dobrindt: „Tested on German Autobahn.“ Erste Anwendungen sind bereits gestartet: etwa die zentimetergenau Erfassung der Strecke als hochpräzise, digitale Karte und ein Projekt zur Car-to-Car-Echtzeitkommunikation nahe des nächsten Mobilfunkstandards 5G.

Diese Technologien werden darüber entscheiden, ob wir Innovationsland bleiben oder Stagnationsland werden.

Alexander Dobrindt

Auf der A9 geht es bei alledem nicht nur um neue Technologien oder um das Thema Mobilität der Zukunft an sich. Es geht um die Zukunft des Standort Deutschland. Bei automobiler Mobilität ist Deutschland Technologieführer – und will es bleiben. Automobilindustrie ist das Herzstück der deutschen Wirtschaft. Millionen Arbeitsplätze hängen davon ab. Deutschland hat viel zu verlieren, wenn es um die Zukunft der Mobilität geht, erinnert Dobrindt: „Wir befinden uns in einem intensiven technologischen Wettbewerb nicht nur zwischen Unternehmen, sondern auch zwischen Staaten und Regionen.“ Es gehe dabei um einige wenige Schlüsseltechnologien. „Wer die hat, der wird auch die Wertschöpfung haben.“ Diese Technologien werden darüber entscheiden, „ob wir Innovationsland bleiben oder Stagnationsland werden“. Verkehrsminister Dobrindt: „Wer nicht digitalisiert, der verliert.“

60 Prozent aller Patente, bei denen es um automatisiertes und vernetztes Fahren geht, kommen derzeit aus Deutschland. Nur sieben Prozent von den digitalen Giganten im kalifornischen Silicon Valley.

Kein Widerspruch dazu ist, dass das Testfeld Digitale Autobahn auf der A9 auch der internationalen Industrie offen steht. Denn wer bei der Entwicklung neuer Technologien führend sein und eine Spitzenstellung behaupten will, der muss in der Lage sein, internationale technische Standards zu setzen. Die einmalige Teststrecke in Deutschland bedeutet dabei einen Vorteil. Überhaupt steht Deutschland beim internationalen Wettlauf um die Mobilitätstechnologien der Zukunft gar nicht schlecht da, weiß Dobrindt: 60 Prozent aller Patente, bei denen es um automatisiertes und vernetztes Fahren geht, kommen derzeit aus Deutschland. Nur sieben Prozent etwa von den digitalen Giganten im kalifornischen Silicon Valley. Damit das so bleibt, hat Dobrindt nach dem Digitalen Testfeld Autobahn schon das nächste Projekt im Blick: ein „Digitales Testfeld Stadt“ in Ingolstadt.

Radar, aber keine Radarfallen

Autofahrer auf der A9, die beim Stichwort Radar möglicherweise nicht zuerst an die Zukunft der Mobilität denken, sondern an Radarfallen, dürfen aufatmen: „Die Masten, die jetzt am Rande der A9 aufgebaut werden, werden keine Blitzer enthalten”, verspricht Verkehrsminister Dobrindt auf eine besorgte Journalisten-Frage. Auf dem Digitalen Testfeld Autobahn geht es nicht um Daten von Fahrzeugen oder Fahrzeug-Lenkern, sondern allein um Verkehrsdaten, die dort auf der Straße entstehen. Die Sensoren nehmen den Verkehrsfluss wahr, nicht einzelne Autofahrer. „Die Radarsensorik ist auch gar nicht in der Lage, Kfz-Kennzeichen zu lesen”, versichert Infineon-Chef Ploss. Dann ist ja alles gut.