Investoren vertrauen auf Deutschland – noch
Deutschland bleibt der Investoren liebstes Kind in Europa. Das ergibt die aktuelle Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Für Verunsicherung sorgen allerdings die Infrastruktur, Arbeitskosten und das soziale Klima in der Bundesrepublik. Frankreich verliert unter der Regierung Hollande derweil weiter an Attraktivität für Investments.
Standortvorteil

Investoren vertrauen auf Deutschland – noch

Deutschland bleibt der Investoren liebstes Kind in Europa. Das ergibt die aktuelle Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Für Verunsicherung sorgen allerdings die Infrastruktur, Arbeitskosten und das soziale Klima in der Bundesrepublik. Frankreich verliert unter der Regierung Hollande derweil weiter an Attraktivität für Investments.

Eine eins mit Sternchen erhält der Standort Deutschland zwar nicht, im Vergleich mit seinen Nachbarn ist er aber der Klassenbeste: 735 Unternehmen hatte Ernst & Young für seine aktuelle Studie befragt, 69 Prozent nannten Deutschland als die Top-Adresse für Investitionen. Auf den Plätzen landeten Großbritannien (43 Prozent) und Frankreich (36 Prozent).

Nur Großbritannien konnte mehr Projekte an Land ziehen

Dass sich die Studie nicht nur aus wohlwollenden Worten ausländischer Industrie-Bosse zusammensetzt, untermauern konkrete Zahlen: Demnach stieg laut EY 2015 die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte in der Bundesrepublik um neun Prozent auf 946. Das bedeutet einen neuen Höchstwert. Im europäischen Vergleich konnte nur Großbritannien mehr Projekte an Land ziehen. Nach EY-Angaben liegt das an US-Unternehmen, „die bei ihren Europa-Investitionen traditionell die britischen Inseln bevorzugen“.

Ausländische Investoren wollen 17.100 Stellen schaffen

In Deutschland wollen die Investoren überdies noch mehr Arbeitsplätze schaffen: Die Zahl der angekündigten neuen Stellen sei 2015 um 44 Prozent auf gut 17.100 gestiegen, berichtet die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft. Und die Aussichten bleiben gut: So rechnen laut Studie 46 Prozent der Investoren mit einer weiteren Steigerung der Attraktivität Deutschlands, nur jeder Zehnte geht von einer Verschlechterung aus. Und wer einmal gekommen ist, der bleibt auch: Der Anteil der ausländischen Unternehmen, die Deutschland den Rücken kehren wollen, sei auf den tiefsten Stand seit 2005 gesunken, als die Befragung erstmals durchgeführt worden sei, heißt es von Ernst & Young. Nur acht Prozent der ausländischen Unternehmen würden derzeit eine Verlagerung von Teilen aus Deutschland in ein anderes Land planen.

Deutschland bleibt Stabilitätsanker in Europa

Warum die Bundesrepublik nicht nur auf dem europäischen Kontinent, sondern weltweit eine der gefragtesten Adressen ist, weiß Hubert Barth, Mitglieder der Geschäftsführung bei Ernst & Young in Deutschland: „Hier finden Investoren gut ausgebildete Arbeitskräfte vor und können auf eine hohe politische, soziale und rechtliche Sicherheit zählen, was gerade in politisch und wirtschaftlich unruhigen Zeiten ein hohes Gut ist“, sagt der Experte. Vor allem Deutschlands große Bedeutung als „politischer und wirtschaftlicher Stabilitätsanker in Europa“ dürfte seinen Worten nach zur positiven Sicht ausländischer Manager auf die Bundesrepublik beigetragen haben.

Frankreich lässt Federn

So schwimmt auch ein großer Teil Europas mit auf der Erfolgswelle: Laut EY stiegen die Investitionsprojekt europaweit um 14 Prozent an. Dabei habe Großbritannien seine Position als führender Dienstleistungs- und Finanzstandort ausbauen können, während Deutschland die unangefochtene Nummer eins bei Industrieprojekten sei. Unterm Strich freute sich Großbritannien über ein Plus von 20 Prozent, Deutschland über neun Prozent. Der drittwichtigste Investitionsstandort Frankreich ließ dagegen Federn: Laut EY-Studie musste die Grande Nation bei Investitionen aus dem Ausland 2015 einen Rückgang von zwei Prozent verkraften. Die Gründe liegen auf der Hand, ein Blick auf das aktuelle Chaos unter der Regierung Hollande genügt: Der Machtkampf zwischen Regierung und Gewerkschaft lähmt das ganze Land, die Beschäftigten wollen die beschlossenen Arbeitsmarktreformen nicht akzeptieren und streiken (der Bayernkurier berichtete). Der Sprit wird knapp, und es drohen Stromausfälle – ein Alptraum für Investoren.

Deutschland ist ein Premiumstandort und kein Niedriglohnland. Dennoch dürfen wir die Kosten nicht ganz aus den Augen verlieren. Investitionsentscheidungen müssen sich rechnen – und wenn Deutschland zu teuer wird, werden mehr Investoren vor einem Engagement in Deutschland zurückschrecken.

Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young

Dass aber auch in Deutschland nicht alles Gold ist, was glänzt, darauf gibt die aktuelle Studie ebenfalls Hinweise: Demnach werden laut EY die Verkehrsinfrastruktur, das Qualifikationsniveau und auch die politische Stabilität in der Bundesrepublik „etwas weniger positiv“ beurteilt als im Jahr davor. Bei allen drei Faktoren sei die Zustimmung um jeweils fünf Prozentpunkte gesunken, heißt es. Wenig Begeisterung zeigen die Investoren offensichtlich auch für die jüngsten Arbeitsmarktreformen: Nur noch 37 Prozent bewerten laut Studie die Personal- und Arbeitskosten in Deutschland als attraktiv – ein Rückgang um 13 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Rückläufig sei auch die Zustimmung zur Flexibilität des Arbeitsrechts und zur Unternehmensbesteuerung. Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young warnt: „Deutschland ist ein Premiumstandort und kein Niedriglohnland. Dennoch dürfen wir die Kosten nicht ganz aus den Augen verlieren. Investitionsentscheidungen müssen sich rechnen, und wenn Deutschland zu teuer wird, werden mehr Investoren von einem Engagement in Deutschland zurückschrecken.“