Die Gründer von Aquakin bezeichnen sich als Tüftler, Ingenieure, Investoren und ein Stück weit auch als Visionäre. (Bild: Anja Schuchardt)
Start-Up aus Fürth

Die Herren der Wirbel

Ein Kraftwerk für den Rucksack: Mit dieser Produktidee überzeugte das fränkische Unternehmen Aquakin Investoren und Kunden. Jetzt wollen die Tüftler aus Fürth den Markt für kleine Wasserkraftwerke erobern. Aus dem aktuellen BAYERNKURIER.

Abends mit einer Flasche Bier am Fluss sitzen. Auf das eigene Wasserkraftwerk schauen und damit Geld verdienen. Davon träumte Benedikt Schröder schon immer. Jetzt geht er nicht mit einem Bier, sondern mit Ian Solano, Vertreter eines mexikanischen Energieversorgers, an die Rednitz. Was er dem Mexikaner dort zeigt, hat mit einem herkömmlichen Wasserkraftwerk nichts zu tun.

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Herren der Wirbel: Aquakin - Start-Up aus Bayern

Fast völlig geräuschlos dreht sich eine Turbine im Wasser, verpackt in einem runden Behälter mit einem Meter Durchmesser. Darunter führt ein Rohr in den Fluss. Dass hier Strom erzeugt wird, zeigen die zwei brennenden Bauleuchten, die an den kleinen Prototypen angeschlossen sind. Als Hauptgeschäftsführer von Aquakin teilt sich Schröder die Erfindung mit fünf weiteren Gesellschaftern. Sie bezeichnen sich als Tüftler, Ingenieure, Investoren und ein Stück weit auch als Visionäre. Ihre Kleinwasserkraftwerke zeigen, wie Energie wirtschaftlich und sauber erzeugt werden kann. Klassische Stromkonzerne denken beim Thema Wasserkraft in Superlativen. Um damit möglichst viele Megawatt aus den Flüssen zu ziehen, müssen sie ganze Seen aufstauen. Ein massiver Eingriff in die Natur. Anders hingegen bei Aquakin.

Vom Prototypen zum Lifestyleprodukt

Leif Schoeller, seit 26 Jahren Unternehmer im Modellbau und 3D-Druck, und Stephan Pacardo, gelernter Kfz-Meister, experimentierten schon länger an Techniken zur Stromversorgung, die weder Umbauten in der Natur voraussetzen, noch tote Fische zur Folge haben. Mit ihrer Idee zogen sie 2012  auf die Erfindermesse nach Genf. Die Entwicklung kam gut an und´ein Jahr später klapperte der erste Prototyp im Fluss. Mit weiteren Investoren, unter ihnen Benedikt Schröder, gingen die Ingenieure noch einen Schritt weiter und entwickelten ein Lifestyleprodukt: ein Mini-Wasserkraftwerk für den Wanderrucksack. Es war die Geburtsstunde für das Unternehmen Aquakin und der Start einer weltweiten Crowdfunding-Aktion auf einer amerikanischen Internetplattform.

Das war für uns der ultimative Test, ob das Wasserkraftwerk überhaupt jemand kaufen will.

Leif Schoeller, Gründer Aquakin

Innerhalb von zwei Monaten meldeten sich weltweit 1.000 Leute und brachten knapp 200.000 Dollar zusammen. Inzwischen steckt eine halbe Million Euro in der Entwicklung. Mehr als die Hälfte davon stammt aus der Tasche der Gesellschafter selbst – und aus öffentlichen Fördergeldern.

„Made in Bavaria“ hat seinen Preis

Jetzt schweißt und schraubt ein Drei-Mann-Team in Fürth an den circa 500 Gramm schweren Maschinen mit der blauen Turbine in der Mitte. Mit den fünf Watt, die der kleine Generator in fließenden Gewässern erzeugt, können Benutzer beispielsweise ihre Handys aufladen. Die Montage und die Produktion des Mini-Wasserkraftwerkes finden in Bayern statt.

Der Kunde schätzt zwar Produkte „made in Bavaria“, aber die meisten sind dann doch nicht bereit einen höheren Preis zu zahlen.

Benedikt Schröder, Hauptgeschäftsführer Aquakin

Das Herzstück, die Elektronik, kaufen die Aquakin-Leute jedoch in Asien ein. Kein Wunder: Die Herstellung einzelner Komponenten kostet in Bayern fünfmal so viel wie in China. Jedes Mini-Wasserwerk prüfen die Start-up-Bastler per Hand, verpacken es in einen Neoprenbeutel und schicken es zum Kunden.

Potenzial steckt im Ausland

Die meisten der 1.000 Exemplare der ersten Serienproduktion gehen an Amerikaner, Inder, Neuseeländer oder Kanadier. Stückpreis: 299 Euro. In mehr als 60 Ländern warten Kunden auf das neuartige Wasserkraftwerk.

Das Ingenieursteam sieht im Ausland das größte Potenzial für die Innovation. Sowohl für das Lifestyleprodukt als auch für weitere Ideen: Ein Wirbelwasserwerk steht kurz vor dem Produktionsstart, ein Linearwasserwerk und eine Rohrturbine stecken noch in der Entwicklung. Allesamt kleine Stromerzeuger, die mit unterschiedlicher Technologie dasselbe schaffen: Elektrizität zu erzeugen in fließenden Gewässern – ohne Eingriff in die Natur. Entscheidend für den Erfolg: Die Kleinwasserkraftwerke amortisieren sich innerhalb von zwei bis zehn Jahren, abhängig von Größe, Technologie und in welchem Land sie zum Einsatz kommen. Mit bis zu 20 Kilowatt Leistung könnte das Wirbelwasserwerk zwei bis drei Haushalte pro Jahr versorgen.

Bayerisches Know-How für Mexiko

Das hat den mexikanischen Energieexperten Ian Solano überzeugt. Mehrere Anlagen soll Aquakin für Mexiko bauen. In Deutschland findet das Start-up bislang nur schwer Abnehmer, weil das Wassernutzungsrecht meist bei den großen Stromkonzernen liegt. Privatleute und Kommunen bekommen nicht ohne Weiteres eine Genehmigung. Schröder und sein Kunde aus Übersee stehen fasziniert an der Rednitz in Franken und verfolgen, wie die kleine Turbine im Fluss munter Strom produziert. Der Mexikaner grinst und stellt sich schon vor, wie das Gerät bei ihm „zu Hause die Kühlschränke antreibt“.

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