Einen Milchpreis von 50 Cent forderten die Bauern bereits 2013 bei einer Demonstration in Berlin. Drei Jahre später wird deutlich weniger bezahlt. Bild: Imago/Hohlfeld
Preisverfall

Abwarten und Milch trinken?

Die deutschen und damit auch die bayerischen Milchbauern kämpfen mehr denn je um ihre Existenz. Die Preise für konventionell erzeugte Milch sind in den vergangenen Monaten weiter gefallen. In einigen Discountern gibt es den Liter für weniger als 50 Cent. Und es werden Stimmen laut, die einen weiteren Preisverfall befürchten.

Das Allzeittief des Milchpreises ist in Sicht: Nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) in Bonn hatten die Bauern im Juli 2009 nur 22,68 Cent pro Kilogramm erhalten. Im März 2016 näherte sich der Preis dem Tiefststand weiter an und lag bei ruinösen 25,8 Cent im Bundesdurchschnitt. Vor sieben Jahren ging es langsam wieder nach oben. „Wenn es 2016 ähnlich liefe, dann wären die Preise erst im Frühjahr 2017 wieder bei 30 Cent“, rechnete die AMI jetzt vor. „Allerdings zeichnet sich die dafür notwendige Erholung nicht ab“, bedauern die Experten. Das hohe Angebot drücke seit Monaten auf die Preise. An den sogenannten Spotmärkten haben sich demnach im April für den Liter Milch sogar nur 15 und 16 Cent erzielen lassen.

Das Preisdumping bei Milchprodukten und die extreme Entwicklung bei der Trinkmilch ist schlicht verantwortungslos gegenüber den Milchbauern und deren hart arbeitenden Familien. Während der Handel über Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln fabuliert, macht er gleichzeitig die Erzeuger von hochwertigen, heimischen Lebensmitteln kaputt.

BBV-Milchpräsident Günther Felßner

Für die heimischen Milcherzeuger ist das viel zu wenig. Der Milchpräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Günther Felßner, schlug vor knapp zwei Wochen Alarm: „Das Preisdumping bei Milchprodukten und die extreme Entwicklung bei der Trinkmilch ist schlicht verantwortungslos gegenüber den Milchbauern und deren hart arbeitenden Familien“, sagte er mit Blick auf die Preisverhandlungen zwischen Molkereien und Handel. Der Lebensmitteleinzelhandel missbrauche seine Marktmacht und trage den Kampf um Marktanteile auf dem Rücken der bäuerlichen Familienbetriebe aus, klagte Felßner. „Während der Handel über Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln fabuliert, macht er gleichzeitig die Erzeuger von hochwertigen, heimischen Lebensmitteln kaputt“, schimpfte der Milchpräsident. Er forderte die Bundesregierung auf, keinesfalls weiter zuzusehen, „wie die Bauernhöfe vor unserer Haustüre zugrunde gerichtet werden“.

Handel weist Vorwürfe zurück

Denn auf Geschenke des Handels dürfen die 33.000 bayerischen Milchbauern und ihre Kollegen in den anderen Bundesländern bestimmt nicht hoffen: „Temporäre Ausgleichszahlungen des Handels sind keine Lösungen für Strukturprobleme der Milchwirtschaft“, sagte Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands Deutschland, der Zeitung Die Welt. Er wehrt sich auch gegen Vorwürfe, die Lebensmittelhändler würden ihrer Marktmacht gegenüber den Molkereien ausnutzen: „Wir drücken die Preise nicht, wir nehmen Angebote der Milchindustrie an“, so Sanktjohanser. Angesichts der Übermengen seien nicht einmal harte Verhandlungen notwendig, macht er klar. Der Handel gebe die Vorteile an die Kunden weiter.

Experte sieht Tiefpunkt erreicht

Derweil werden auch Stimmen laut, die davon ausgehen, dass sich der Milchpreis ganz von allein wieder einpendelt: „Die Nachfrage holt das Angebot irgendwann wieder ein, und dann dreht sich die Entwicklung. Ich glaube, dazu kommt es bereits in der zweiten Jahreshälfte 2016“, zitiert die Welt Erhard Richarts, der zu den renommierteste Milchmarktkennern Deutschlands zählen soll. Er sieht „den Tiefpunkt erreicht“.

Um die Existenz der bayerischen Milchbauern zu sichern und Wertschöpfung zu erhalten, brauchen wir ein intelligentes Management der Anlieferungsmengen und gleichzeitig größten Einsatz bei der Erschließung von Zukunftsmärkten.

Günther Felßner

Also abwarten und Milch trinken? Darauf allein wollen die Milchbauern nicht vertrauen: Die angelieferte Milchmenge müsse dringend und schnell in Einklang gebracht werden mit jener Milchmenge, die von der Molkerei mit akzeptabler Wertschöpfung abgesetzt werden kann, fordert der BBV-Milchpräsident. „Um die Existenz der bayerischen Milchbauern zu sichern und Wertschöpfung zu erhalten, brauchen wir ein intelligentes Management der Anlieferungsmengen und gleichzeitig größten Einsatz bei der Erschließung von Zukunftsmärkten“, sagte Felßner. „Nur so können Alternativen zum Preisdiktat der deutschen Handelskonzerne entstehen.“

EU stellt 200 Millionen Euro zur Verfügung

Der BBV weist zudem darauf hin, dass auch eine weitere Verbesserung der Absatzerfolge im Exportgeschäft nötig sei. Zur Erschließung neuer In- und Auslandsmärkte stelle die EU 200 Millionen Euro zur Verfügung: „Die bayerischen Milchbauern erwarten, dass diese Möglichkeiten zusätzlich genutzt werden, um zahlungskräftige Märkte für die Zukunft aufzubauen.“

Info-Kampagne soll heimischen Milcherzeugern helfen

Bayern ist mit seinen rund 33.000 Milcherzeugern und 1,22 Millionen Milchkühen das bedeutendste Milchland Deutschlands. Landwirtschaftsminister Helmut Brunner hatte deshalb bereits im November vergangenen Jahres eine groß angelegte Kampagne angestoßen, die den Verbrauchern den Mehrwert heimischer Milch verdeutlicht. „Wir wollen den Menschen vor Augen führen, wie wertvoll unsere Milch ist und welche vielfältigen Leistungen sie für den Milchpreis und darüber hinaus bekommen“, sagte Brunner beim Start der Info-Kampagne. Die Milchbauern würden nicht nur ein hochwertiges Produkt liefern, sondern auch die heimische Kulturlandschaft pflegen und erhalten. Jeder Kauf von Milch und Milchprodukten aus der Region sei daher ein Votum für Frische, Qualität und Heimatverbundenheit. Und angesichts der schwierigen Situation auf dem Milchmarkt entscheide jeder Kauf auch über die Zukunft der Milcherzeugung in Bayern.

Neben den Preisen der Discountern machen den Milchbauern der Wegfall der EU-Milchquote, die vielen durch die EU fehlsubventionierten großen Ställe (und damit eine Überproduktion), die Russland-Sanktionen und die Absatzprobleme in China zu schaffen.