Obama und Wirtschaft werben für TTIP
Während in der Bevölkerung die Vorbehalte gegen das Handelsabkommen mit den USA laut Umfragen angeblich zunehmen, betonen Bayerns Wirtschaft und die Staatsregierung die Vorteile für den Standort und seine Unternehmen. Am Sonntag kommt US-Präsident Barack Obama nach Hannover, um sich bei der weltgrößten Industriemesse für die Vereinbarung stark zu machen.
Freihandel

Obama und Wirtschaft werben für TTIP

Während in der Bevölkerung die Vorbehalte gegen das Handelsabkommen mit den USA laut Umfragen angeblich zunehmen, betonen Bayerns Wirtschaft und die Staatsregierung die Vorteile für den Standort und seine Unternehmen. Am Sonntag kommt US-Präsident Barack Obama nach Hannover, um sich bei der weltgrößten Industriemesse für die Vereinbarung stark zu machen.

Kurz vor Beginn der Hannover Messe Industrie macht sich Bayerns Wirtschaft erneut für das Handelsabkommen TTIP mit den USA stark. „Die USA sind der wichtigste Handelspartner Bayerns, und TTIP ist eine große Chance für die Unternehmen im Freistaat“, erklärte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. „Wir erwarten durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen zwischen den USA und der Europäischen Union starke wirtschaftliche Impulse gerade für Bayern. TTIP muss daher jetzt ausverhandelt und in Kraft gesetzt werden.“

US-Präsident Barack Obama kommt an diesem Sonntag nach Hannover und wird gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die weltweit wichtigste Industriemesse eröffnen. Er will dabei auch für TTIP werben. Mit TTIP würde die größte Freihandelszone der Welt mit 800 Millionen Menschen entstehen. Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll es auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Wachstum geben. Verhandelt wird seit dem Jahr 2013 – hinter verschlossen Türen. Wann die Gespräche abgeschlossen werden können, ist unklar. Ursprünglich sollte ein Rahmen für das Abkommen bereits Ende 2015 stehen.

TTIP würde viele Verfahren vereinfachen

„Die Weltwirtschaft läuft derzeit schwach, die Nachfrage aus vielen für Bayern wichtigen Auslandsmärkten ist deutlich zurückgegangen. Umso entscheidender ist es, die guten Wirtschaftsbeziehungen mit den USA auf Basis von TTIP zu intensivieren. Davon profitieren kleine wie große Unternehmen im Freistaat“, so Brossardt. Bayerns exportorientierte Industrie verspricht sich von dem Abkommen zahlreiche Erleichterungen, die wiederum tausende Arbeitsplätze im Freistaat sichern und schaffen könnten.

Während TTIP größere Firmen wegen ihres Handelsvolumens eher durch den Abbau von Zöllen entlasten könnte, bekämen kleinere und mittlere Unternehmen vor allem den Abbau sogenannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse positiv zu spüren. Zum Beispiel wären doppelte Zulassungs- und Prüfverfahren für Produkte nicht mehr notwendig, wenn diese auf gleichwertigen Regeln beruhen und ein vergleichbares Schutzniveau gewährleisten. „Das spart Unternehmen, die bereits auf dem US-amerikanischen Markt tätig sind, Zeit und Kosten. Firmen mit knappen Ressourcen, die wegen der verschiedenen Standards bisher den Gang in die USA scheuten, eröffnet TTIP ganz neue Perspektiven“, erklärte Brossardt.

Bayern ist Hauptprofiteur des europäischen Binnenmarktes und des offenen Welthandels.

Beate Merk

Auch die bayerische Staatsregierung unterstützt das Abkommen. Europaministerin Beate Merk betonte kürzlich nach einem Besuch in den USA die Bedeutung von TTIP. „Bayern ist Hauptprofiteur des europäischen Binnenmarktes und des offenen Welthandels.“ Eine einseitige Abschottung in der EU wäre mit erheblichen Wohlstandseinbußen und Arbeitsplatzverlusten verbunden. TTIP biete die Chance, dass die zwei größten Handelsräume der Welt die Grundlage für weltweite Standards setzen, so die Ministerin. „Wir wollen die Zügel in der Hand halten und neue Standardssetzen – nach unseren Ideen und Wertvorstellungen“, bekräftigte Merk.

Schutzstandards sollen erhalten bleiben

Merk ging auch auf die Vorbehalte in Teilen der Bevölkerung ein: Die hohen europäischen Standards bei Umwelt-, Arbeits-, Verbraucher- und Datenschutz würden erhalten bleiben. Verhandlungsführer auf EU- wie auch auf US-Seite hätten mehrfach bestätigt, es sei nicht beabsichtigt, die Schutzstandards durch TTIP zu senken. Die Ministerin zeigte sich nach ihren Gesprächen in den USA zufrieden, dass auch geografische Herkunftsangaben in der EU geschützt bleiben: „Auch in Zukunft wird es bei uns keine Nürnberger Rostbratwürste ‚made in Kentucky‘ geben.“

Auch vbw-Geschäftsführer Brossardt betonte, dass wichtige Standards und Regeln von der Vereinbarung unberührt blieben: „Bei TTIP geht es um die sinnvolle wechselseitige Anerkennung von Normen und Zertifizierungsverfahren und nicht um eine Anpassung um jeden Preis. Arbeits- und Sozialstandards der Mitgliedsstaaten sind genauso wenig Gegenstand der Verhandlungen wie Umwelt- und Hygienevorgaben.“

Viele Bürger fühlen sich schlecht informiert

Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge ist die Zustimmung sowohl bei Deutschen als auch bei Amerikanern zu TTIP zuletzt gesunken. Jeder dritte Deutsche lehnt demnach das geplante Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA ab. Nur knapp jeder fünfte Bundesbürger (17 Prozent) bewertet TTIP als gute Sache. Etwa die Hälfte der Befragten äußerte sich weder klar dagegen noch dafür. Damit ist die Zustimmung im Vergleich zu 2014 deutlich zurückgegangen. Vor zwei Jahren sprach sich mit 55 Prozent noch mehr als die Hälfte der Deutschen für TTIP aus, nur jeder vierte war dagegen.

Bei den US-Bürgern sind nur noch 15 Prozent dafür, 2014 lag der Zustimmungswert für TTIP noch über 50 Prozent. Im Gegensatz dazu bewerten 82 Prozent der befragten US-Bürger generell den Freihandel heute positiv, vor zwei Jahren waren es noch 71 Prozent.

Als Grund für die Ablehnung sehen die Studienautoren vor allem die Angst vor schlechteren Standards für Produkte, Verbraucherschutz und Arbeitsmarkt. Die US-Bürger beklagen vor allem ein Informationsdefizit zu TTIP. Aber auch die Deutschen haben nicht das Gefühl, dass die EU auf die verbreitete Kritik reagiert hat, die Verhandlungen liefen viel zu intransparent. 48 Prozent sagen, dass die Informationslage gleich geblieben sei, 30 Prozent fühlen sich nicht ausreichend über TTIP informiert. Wenn die EU nicht wieder einen deutlichen Vertrauensverlust riskieren will, so müsste sie hier endlich mal eine umfassende Informationskampagne starten – und endlich Offenheit wagen.