Der mittlerweile auf null Prozent gesenkte Leitzins der EZB bringt bekanntlich vor allem die Lebensversicherer in die Bredouille, weil in vielen ihrer Verträge noch hohe Garantiezinsen stehen. Die Neuabschlüsse sind freilich längst nicht mehr so attraktiv für die Kunden; wohl auch deshalb geht Geschäft zurück. Nach GDV-Angaben sanken die Beiträge für Lebensversicherungen 2015 um 1,1 Prozent auf 92,7 Milliarden Euro, 2014 war noch ein Rekordjahr gefeiert worden. In der Schaden- und Unfallversicherung stiegen die Einnahmen dagegen im abgelaufenen Jahr um 2,7 Prozent auf 64,3 Milliarden Euro, die privaten Krankenversicherer vermeldeten ein Plus von 1,4 Prozent auf 36,8 Milliarden Euro.
Unsere Zahlen für das vergangene Jahr können sich angesichts der schwierigen Umstände sehen lassen.
GDV-Präsident Alexander Erdland
„Unsere Zahlen für das vergangene Jahr können sich angesichts der schwierigen Umstände sehen lassen“, fasste es GDV-Präsident Alexander Erdland bei der Jahrespressekonferenz in Berlin zusammen. Denn über alle Sparten hinweg seien die Beitragseinnahmen um 0,6 Prozent auf insgesamt 193,8 Milliarden gestiegen.
Auch für das laufende Geschäftsjahr erwarten die knapp 550 deutschen Versicherer ein leichtes Plus: „Während es in der Lebensversicherung zu einem moderaten Beitragsrückgang kommen dürfte, bleiben die übrigen Hauptsparten auf einem stabilen Wachstumspfad“, heißt es. Auf seinen Lorbeeren ausruhen kann sich freilich niemand: „Das laufende Jahr wird sicher nicht leichter als 2015“, mahnte GDV-Chef Erdland vor allem mit Blick auf die andauernde Niedrigzinsphase und „die Systemumstellung auf Solvency II“.
„Solvency II“ bringt Versicherungswirtschaft neue Ära
Mit „Solvency II“ war zum 1. Januar dieses Jahres eine neue Ära für die Versicherungswirtschaft eingeläutet worden. Nach GDV-Angaben gilt jetzt europaweit ein einheitliches Regelwerk, das Risiken frühzeitig sichtbar macht und von den Versicherern „eine den Risiken angemessene Vorsorge“ verlangt. Unter „Solvency II“ müssen die Unternehmen demnach über so viel Kapital verfügen, dass sie selbst Negativereignisse nicht umhauen, die statistisch nur einmal in 200 Jahren auftreten. Als Beispiele nennt der GDV Großschäden durch Naturkatastrophen oder „extreme Verwerfungen an Aktien- und Anleihemärkten“. Welches Unternehmen wie viel Kapital vorhalten muss, hängt von den einzelnen Geschäftsmodellen, Verpflichtungen und Risiken ab (siehe Grafik).
Chance für Veränderung
„Das alles wird uns belasten, aber es ist auch eine große Chance für Veränderung“, betonte der GDV-Präsident am Mittwoch einmal mehr. Erdland richtete auch erneut einen Appell an die Branche, die Anstrengungen zur Digitalisierung zu verstärken. Die einzelnen Produkte müssten noch einfacher und transparenter werden, mahnte er. „Da liegt noch viel Arbeit vor uns.“ Wie berichtet, hatte zuletzt auch der Chef der Nürnberger Versicherungsgruppe, Armin Zitzmann, eingefordert, das Online-Angebot auszubauen: „Wir sind noch zu sehr im traditionellen Spartendenken der Versicherungsbranche“, klagte er. Die Kunden sollten selbst entscheiden können, „wann, wo und wie sie mit ihrer Versicherung in Kontakt treten“.
GDV-Präsident fordert breiten Dialog zur Zukunft der Altersvorsorge
Ähnlich wie den Banken, die ihre Filialnetze ausdünnen und auf Onlinebanking sowie Automaten setzen, dürfte die Digitalisierung auch den Versicherungen langfristig Kostenersparnisse bringen, die im Niedrigzinsumfeld bitter nötig sind. GDV-Chef Erdland forderte nun mit Blick auf die Geldpolitik der EZB aber auch alle EU-Länder auf, „notwendige Reformen wirklich umzusetzen“. Nur so lasse sich die „eklatante Wachstumsschwäche im Eurogebiet und damit die Niedrigzinsphase überwinden“, meinte er. An die Bundesregierung richtete er zudem den Wunsch „nach einem breiten Dialog zur Zukunft der Altersvorsorge“. An einem Runden Tisch sollten seiner Meinung nach alle wichtigen Akteure ihre Vorschläge zur Debatte stellen und die daraus notwendigen Reformen ableiten. Erdland: „Das sind wir den künftigen Generationen schuldig.“
Leistungen der Versicherer:
Die deutschen Lebensversicherer haben nach GDV-Angaben 2015 insgesamt 83,3 Milliarden Euro an ihre Kunden ausgezahlt, das sind 2,5 Prozent weniger als im Jahr zuvor. An den Erträgen der Unternehmen waren die Versicherten zu über 98 Prozent beteiligt. Der Gesamtbestand der Verträge bei Lebensversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds ging um 1,6 Prozent auf 91,0 Millionen zurück. Die Auszahlungen der Schaden- und Unfallversicherungen stiegen um 5,2 Prozent auf 47,7 Milliarden Euro. Starker Kostentreiber sei der Orkan Niklas gewesen, der mit 750 Millionen Euro zu Buche schlage, heißt es. Die ausgezahlten Leistungen der privaten Krankenversicherer kletterten 2015 um 4,1 Prozent auf 25,8 Milliarden Euro. Davon gingen 24,9 Milliarden Euro an die Kunden der Privaten Krankenversicherung (+4,0 Prozent) und knapp eine Milliarde an die Kunden der Pflegeversicherung (+8,0 Prozent).