Unternehmer des Jahres 2014: Bionorica-Eigner und Vorstandschef Professor Dr. rer. nat. Michael A. Popp. Bild: Jan Voth, Bionorica.
Bionorica

„Man muss sich immer in die Lage des Endkunden hineinversetzen“

Der Oberpfälzer Pharma-Hersteller Bionorica blickt auf sein bisher erfolgreichstes Geschäftsjahr in Deutschland. Ein Grund war die letzte Grippewelle. Sie hat das Unternehmen regelrecht überrollt und an seine Kapazitätsgrenzen gebracht. Damit das nicht mehr passiert, wird der Standort Neumarkt weiter ausgebaut.

Wie macht Bionorica das? Der deutsche Pharma-Markt stagniert. Unmittelbare Wettbewerber legen allenfalls marginal zu. Aber der Neumarkter Hersteller von Arzneimitteln auf pflanzlicher Basis durchbricht in Deutschland die Schallmauer von 100 Millionen Euro Umsatz, präsentiert sein bislang erfolgreichstes deutsches Geschäftsjahr und hat innerhalb von zehn Jahren seinen Anteil in dem umkämpften Markt verdoppelt. In Bionoricas wichtigstem Auslandsmarkt Russland (Umsatz 65 Millionen Euro) reißt der Ölpreis den Rubelkurs in die Tiefe. Importprodukte aller Art werden für normale Russen unbezahlbar. Trotzdem kann der Oberpfälzer Hersteller seine Marktführerstellung auf dem russischen Phyto-Pharmaka-Markt sogar ausbauen und verzeichnet trotz fallendem Rubelkurs Gewinne. In China geht das Wachstum in die Knie,  Exporteure in aller Welt zittern. Aber Bionorica legt in dem für die Firma neuen Markt beim Absatz um 30 Prozent zu.

Bewusste Weichenstellungen über Jahre hinweg

„Wir haben also alles richtig gemacht“, freut sich Firmeneigner und CEO Prof. Dr. Michael Popp über die positive Entwicklung in schwierigen Zeiten – und untertreibt sogar ein bisschen. Denn der Erfolg des Oberpfälzer Pharma-Herstellers ist Ergebnis kluger Entscheidungen und sehr bewusster Weichenstellungen über Jahre hinweg. Seit langem investiert Bionorica hohe Summen in Forschung und Entwicklung. Das Ergebnis sind selbstgezüchtete und patentierte Wirkstoff-Klone − „keine Gentechnologie“, betont Popp −, die dann streng kontrolliert angebaut werden. In aufwendigen klinischen Tests lässt Popp die Wirksamkeit seiner Präparate nachweisen. So sind Produkte und Verfahren entstanden, die in vielen Ländern schon zum Maßstab geworden sind.

Bester Apothekenpartner

Im Marketing beschreitet das Unternehmen sehr planmäßig neue Wege: mit seiner selbstkonzipierten Phytothek für Apotheken und mit IHK-zertifizierten Phyto-PTA-Ausbildungsgängen für Apotheken-Mitarbeiter. Weiterbildungen für die Apotheker kommen dazu. Ergebnis: Bionorica heimst seit Jahren Preise als „bester Apothekenpartner“ ein. Im Ausland verfolgt Popp eine behutsame, aber eben auch konsequente Expansionspolitik. Wo er einmal ist, lässt er sich so leicht nicht mehr verdrängen. Auch nicht, wenn politische oder konjunkturelle Entwicklungen es einmal schwierig machen.

Russland: Weitsichtige Preispolitik

Das Beispiel Russland ist typisch für die Bionorica-Herangehensweise. Der Neumarkter Hersteller ist dort seit Jahren Marktführer im Bereich Phyto-Pharmaka – Arzneien auf pflanzlicher Basis. Canephron, ein Mittel gegen Nieren- und Blasenentzündungen, und das Erkältungsmittel Sinupret sind dort in ihren Hauptindikationen die meist verschriebenen Medikamente. Doch ab Oktober 2014 bricht die neue Rubelkrise über alle Russland-Exporteure herein. Dazu Rezession und eine Inflation von 15 bis 20 Prozent. Die russischen Kunden können da nicht mit. Jetzt zahlt sich aus, so Popp, „dass das Unternehmen mir gehört. Ich entscheide die Preispolitik.“ Bionorica erhöht seine russischen Preise allenfalls moderat. „Wir wollen Marktführer bleiben“. Das ist die überragende Zielsetzung. Im Markt bleiben, nichts abgeben. Denn wer jetzt durchhält, wird langfristig gewinnen. „Wir schulden es unseren Ärzten, dass sie guten Gewissens ihren Patienten unsere Medikamente verschreiben können.“ Popp: „Man muss sich immer in die Lage des Endkunden versetzen und in die der Vermittler.“

Jetzt zahlt sich aus, dass das Unternehmen mir gehört. Ich entscheide die Preispolitik.

Bionorica-Chef Michael Popp

Die kundenfreundliche Strategie hat sich gelohnt. In Rubel hat Bionorica ein hervorragendes Ergebnis eingefahren. Und gerade jetzt hat „eine sehr gute Erkältungswelle“ Russland im Griff.  Popp: „Wenn der Eurokurs wieder auf 70 Rubel (derzeit: 83) sinkt, dann ist das für uns wie Weihnachten.“

Wir schulden es unseren Ärzten, dass sie guten Gewissens ihren Patienten unsere Medikamente verschreiben können.

Michael Popp

Von der „Verteidigung der Ostmärkte“ spricht der Unternehmer in Neumarkt und denkt dabei über die Krise in Russland und den russischen Schnupfen von heute hinaus. Im russischen Woronesch soll ab 2017 eine Bionorica-Produktionsstätte entstehen, die dann nicht nur den dortigen Bedarf, sondern auch den der Nachbarländer der Eurasischen Zollunion abdecken soll. Das Werk in Woronesch wird dann etwas Schutz bieten gegen neue Rubel-Verwerfungen. Ein weiteres Motiv: Derzeit müssen die Neumarkter darum kämpfen, dass ihre Ware im nötigen Umfang über Polen überhaupt nach Russland gelangt. Mit Woronesch wird es solche Sorgen für Bionorica nicht mehr geben.

Große Pläne für Indien und Brasilien

Spannend sind auch Popps Pläne für Indien. 2016 sollen auf dem Riesenmarkt vier Bionorica-Präparate eingeführt werden. Popp hat auf dem Subkontinent einen Partner gefunden, der nicht nur den Vertrieb übernimmt, sondern gleich ein ganzes Unternehmen mit 240 Mitarbeitern „auf die grüne Wiese“ gestellt hat. Dort sollen Endproduktion und Verpackung erfolgen. Früher oder später soll die Zusammenarbeit in ein  Joint Venture münden. Popp sieht in Indien ein „Potential ohne Ende“ und „Dimensionen, die man sich gar nicht vorstellen kann, wenn man nur in deutschen Verhältnissen denkt“.

Die Brasilianer gieren nach Sinupret.

Michael Popp

Ähnlich zuversichtlich ist Popp auch über Bionoricas Engagement in Brasilien, der siebtgrößten Volkswirtschaft der Welt. Eine eigene Bionorica-Niederlassung ist schon gegründet, die Einreichung der Zulassungsdokumente für sechs Präparate läuft. Popp: „Die Brasilianer gieren nach Sinupret.“ Auch In Mexiko steht schon eine Bionorica-Dependence, einige Präparat-Zulassungen liegen bereits vor.

In Deutschland von der Grippewelle überrollt

Fast noch spannender als Bionoricas weit gediehene Expansionspläne auf fremden Kontinenten ist, was den Neumarktern auf dem heimischen Markt widerfährt. Im vergangenen Jahr etwa eine „Krise“, nach der sich andere Hersteller sehnen: ausverkauft. Von der Grippewelle im Februar/März wurde der Pharma-Hersteller regelrecht überrollt. Das Hustenmittel Bronchipret war binnen Kürze aus den Phytothek-Regalen verschwunden, die Produktionskapazitäten in Neumarkt ausgereizt. Die Apotheken mussten auf Präparate anderer Hersteller ausweichen. Das war natürlich misslich. Wenn Bionorica hätte liefern können, wäre der Bronchipret-Umsatz leicht zu verdoppeln gewesen, ärgert sich Popp noch immer.

Für 2016 geplant: Investitionen über 24,1 Millionen Euro – fast zehn Prozent des Nettoumsatzerlöses von 2015.

Damit sich solches Malheur nicht mehr wiederholt, wird Bionorica stark in den Neumarkter Standort investieren und seine Kapazitäten ausbauen. Auch die Zahl der Bionorica-Mitarbeiter von weltweit etwa 1500 − sechs Prozent mehr als im Vorjahr − wird dabei vor Ort weiter wachsen. Popp spricht für 2016 von einem Gesamt-Investitionsvolumen von 24,1 Millionen Euro – fast zehn Prozent des Nettoumsatzerlöses von 2015. Bei einer Eigenkapitalquote von 76,7 Prozent kann Popp sich sogar den Weg zur Bank sparen.

Bei unkomplizierten Infektionen wollen immer mehr Ärzte weg von Antibiotika – und verschreiben immer häufiger eben Canephron.

Bionorica hat sich auf dem deutschen Markt für Phytopharmaka eine dominante Position erarbeitet. Mit den Erkältungsmitteln Sinupret und Sinupret Extrak halten die Neumarkter schon lange die Spitzenposition. Mit Canephron ist es jetzt auch Marktführer im Apothekenabverkauf der pflanzlichen Harnwegstherapeutika. Das hat mit einem Umdenken der Mediziner zu tun: Bei unkomplizierten Infektionen wollen immer mehr Ärzte weg von Antibiotika – und verschreiben immer häufiger eben Canephron.

Vorsprung bei Entwicklung von Schmerzmitteln auf Cannabisbasis

Mit einem Umdenken auf politischer Ebene verbindet Bionorica weitere Erwartungen: Das Gesundheitsministerium in Berlin bereitet Gesetzgebung vor, die für chronisch Kranke Schmerzmittel auf Cannabisbasis verschreibungsfähig und erstattungsfähig machen wird. Wenn es soweit ist, haben Popp und seine Forscher einen Wettbewerbsvorsprung: Bionorica ist eines der wenigen Unternehmen weltweit, dass etwa die Cannabis-Wirkstoffe Dronabinol und Cannabidiol natürlich und synthetisch herstellen kann. Viele Jahre lang hat Bionorica mit der Entwicklung der Wirkstoffe nur Verluste eingefahren. Wenn jetzt der Tag X kommt, rechnet Popp mit einem Umsatz, der für Bionorica ein paar Prozentpunkte Wachstum ausmachen könnte.

Ausblick für 2016: 260 Millionen und 6,4 Prozent Wachstum – bei schlechtem Rubel.

Von 2014 auf 2015 ist der deutsche Anteil am Bionorica Umsatz von 38,6 auf 45 Prozent gestiegen – nicht weil der Auslandsanteil geschrumpft wäre, sondern weil der Umsatz in Deutschland überproportional gewachsen ist. Insgesamt legte der Bionorica-Umsatz im schwierigen Jahr 2015 um 5,1 Prozent auf 244,3 Millionen Euro zu. Ohne den Einbruch des Rubel-Kurses wäre sogar mit 16,5 Prozent das übliche zweistellige Wachstum drin gewesen. Popps Ausblick für die Bilanz 2016: „260 Millionen und dann eben 6,4 Prozent Wachstum – bei schlechtem Rubel.“