Auf dem Podium des zur Flüchtlingsproblematik veranstalteten Vortrags- und Diskussionsabends des ASP Mühldorf am Inn: (v.l.n.r.:) BAMF-Chef Manfred Schmidt (jetzt zurückgetreten), Staatskanzleichef Marcel Huber, stellvertretender ASP-Kreisvorsitzender Tobias Kurzmaier, Oberbayern-Süd-Polizeipräsident Robert Kopp und MdB Stephan Mayer. (Foto: ASP Mühldorf am Inn)
ASP Mühldorf am Inn

Flüchtlingsproblematik bewegt

Wenn ein durchaus großer Saal einer Landgaststätte mit 300 Sitzplätzen nicht mehr ausreicht, weitere Stühle beschafft werden und selbst dann noch Leute stehen müssen, erstaunt dies sogar langjährige CSU-Mitglieder. So geschehen bei einer öffentlichen Veranstaltung des ASP-Kreisverbands Mühldorf am Inn zur Flüchtlingsproblematik.

Die Asylproblematik treibt die Menschen um. Das zeigte sich auch bei der öffentlichen Veranstaltung des CSU-Arbeitskreises Außen- und Sicherheitspolitik (ASP) Mühldorf am Inn in Mettenheim, wohin zu diesem Thema der Kreisverband geladen hatte. Der Einladung des stellvertretenden Kreisvorsitzenden Tobias Kurzmaier gefolgt waren neben mehr als 300 Besuchern die Referenten des Abends: Bayerns Staatskanzleichef Marcel Huber, der innenpolitische Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion Stephan Mayer, der am Donnerstag zurückgetretene Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, sowie der Polizeipräsident von Oberbayern Süd, Robert Kopp.

Weltweite Solidarität gefordert

Zunächst zitierte Kurzmaier in seiner Einführung in den Abend Papst Benedikt XVI., der bei seiner Rede im Bundestag 2011 von einem „hörenden Herz“ gesprochen hatte, das sich der junge König Salomo von Gott wünschte. „Dieses hörende Herz jetzt zu zeigen, ist die Anforderung an jeden von uns in der aktuellen Flüchtlingsnot. Dabei müssen wir den Spagat schaffen zwischen Empathie, Hilfsbereitschaft denen gegenüber, die sie wirklich brauchen, und der Ratio, Wirtschaftsflüchtlinge umgehend wieder in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken“, so Kurzmaier.

Staatskanzleichef Huber zeigte sich in seinem Vortrag tief besorgt über die aktuelle Entwicklung der Flüchtlingsproblematik. Deutliche Kritik äußerte der Minister dabei an den meisten anderen EU-Staaten, insofern als dort sowohl das Bewusstsein als auch die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen nicht gegeben seien. 40 Prozent aller Flüchtlinge in der EU seien derzeit in Deutschland untergebracht, dabei müsste gelten:

Das ist eine europäische Herausforderung, keine deutsche, keine bayerische, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe der EU. Wer als EU-Land bei der Mittelverteilung die Hand aufhebt, muss auch entsprechend Flüchtlinge aufnehmen.

Marcel Huber

BAMF baut personell um

BAMF-Präsident Schmidt, der extra aus Nürnberg nach Mettenheim gekommen war, stellte klar, dass die Prognose von 800.000 Flüchtlingen, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, nach oben korrigiert werden müsse. 257.000 Asylanträge lägen aktuell im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Bearbeitung. Auch diese Zahl werde noch stark nach oben gehen, gab Schmidt zu bedenken. „Darum bauen wir das BAMF derzeit intern um und geben mehr Personal in den Bereich Asyl. Wir brauchen mehr Entscheider, die die Asylanträge bearbeiten. 617 neue Bearbeiter haben wir in den letzten acht Wochen eingestellt. Oberste Priorität hat dabei der Handlungsbedarf bei Anträgen von Balkanflüchtlingen. Während wir bei Flüchtlingen aus Syrien eine Anerkennungsquote von 99 Prozent haben, ist es bei Asylanträgen von Balkanstaatlern eine Ablehnung von 99 Prozent. Hier müssen wir noch schneller und konsequenter zurückführen“, berichtete Schmidt. Immerhin habe man die Gesamtdauer eines Asylverfahrens in Deutschland mittlerweile bereits erfolgreich verkürzt von früher 7,1 Monaten auf derzeit 5,4 Monate.

Belastung für Politik und Polizei

Nach Schmidt legte Mayer seine Sicht der Dinge als MdB dar: Für ihn seien die massiven Flüchtlingsströme die größte humanitäre Katastrophe der letzten Jahre. Auch mahnte er wie Huber eine gerechte Flüchtlingsverteilung in Europa an:

Wenn die EU hier nicht endlich geschlossen auftritt, dann fürchte ich um die Erosion des europäischen Gedankens bei vielen Menschen.

Stephan Mayer

Insofern plädierte der innenpolitische Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion auch dafür, die Standards von finanziellen und sonstigen Leistungen für Flüchtlinge auf den Prüfstand zu stellen – und das nicht nur in Deutschland. „Auch hier muss es eine einheitliche europäische Regelung geben.“

Am absoluten Limit, nicht nur in seinem Dienstbereich, aber vor allem in Rosenheim, arbeite seit Wochen die Polizei, erzählte Oberbayern-Süd-Polizeipräsident Kopp: „Die Belastungsgrenze ist erreicht. Die Massen der letzten Wochen haben uns überrollt.“ Vorwürfe aus der Bevölkerung, dass Flüchtlinge mehr Straftaten und Sexualdelikte als Einheimische begingen, wies Kopp allerdings zurück: „Unsere Statistiken in diesen Tagen belegen das nicht.“

Lebhafte Beteiligung des Publikums

In der anschließenden Diskussion, von Kurzmaier moderiert, ging es dann nicht nur teilweise hoch her, sondern thematisch vor allem um die Belastungsgrenze für Deutschland: Die immer wiederkehrende Kernfrage der Zuhörer an das Podium war, wie viele Flüchtlinge Deutschland in der Lage sei, insgesamt aufzunehmen? Huber konnte das zwar mit keiner Zahl beantworten, gab aber sehr deutlich zu verstehen: „Jede Pflicht hat nach oben Grenzen.“ „Gibt es in Deutschland denn Überlegungen, das Asylrecht einzuschränken?“, lautete eine andere Frage aus dem Publikum. Mayer beantwortete die Frage mit einem klaren Nein: „Ich gehe nicht davon aus, dass Artikel 16a des Grundgesetzes verändert wird.“ Ebenso versprach Mayer dem Auditorium, dass es wegen der vielen Flüchtlinge und den damit zusätzlichen Haushaltsausgaben zu keinen Steuererhöhungen komme. Ein japanischer Diskussionsteilnehmer brachte dann viel Lob für Bayern und Deutschland nach Mettenheim mit: „Als Japaner, der in München lebt, bewundere ich sie sehr, wie sie diese Aufgabe hier meistern. Deutschland empfinde ich dabei als Vorbild für andere Länder. In Japan ist das Recht auf Asyl nicht in der Verfassung verankert. Von 6.000 Asylanträgen, die 2014 in Japan gestellt wurden, sind dreizehn bewilligt worden.“