Bis 28. Februar 2016 zeigt das NS-Dokumentationszentrum München seine neue Sonderausstellung „Der Warschauer Aufstand 1944“. (Foto: BK/dia)
NS-Dokumentationszentrum

Symbolischer Ort für Sonderausstellung

Ab heute zeigt das NS-Dokumentationszentrum in München seine neue und nach seiner Eröffnung im Mai dieses Jahres nunmehr zweite Sonderausstellung. Diese widmet sich dem Warschauer Aufstand von 1944 und soll damit an eines der schlimmsten Kriegsverbrechen des 20. Jahrhunderts erinnern.

Im Dezember 1931 hatte Warschau 1.171.898 Millionen Einwohner, am 1. August 1944 zählte Warschau noch etwas mehr als 900.000 Einwohner, nach 1945 waren es zwischenzeitlich nur noch knapp 1.000. Diese Zahlen macht in erschreckender Weise die neue Sonderausstellung des NS-Dokumentationszentrums München zum Warschauer Aufstand 1944 deutlich. Was zwischen 1931 und 1945 lag, war die Zerstörung der einstigen pulsierenden Metropole und Hauptstadt Polens durch die Nationalsozialisten sowie indirekt auch durch die Repressalien durch das stalinistische Sowjet-Regime. Ums Leben, und wenn nicht ums Leben, dann um ihre Heimat gebracht, wurden dabei die meisten Warschauer durch Besatzungsterror, Ghettoisierung, Vertreibungen sowie Niederschlagungen von Aufständen – zuletzt und am folgenschwersten des Warschauer Aufstands von 1944, nach dem die Stadt komplett in Schutt und Asche lag. Insgesamt lagen nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands durch die Nationalsozialisten alle Brücken sowie 80 Prozent der Gebäude in Trümmern. Keine andere europäische Stadt wurde während des Zweiten Weltkriegs derart zerstört.

1939 beginnt die systematische Zerstörung

Begonnen hatte alles mit dem deutschen Angriff auf Polen am 1. September 1939, mit dem auch der Zweite Weltkrieg begann. Zu den Zielen des deutschen Angriffs gehörten die endgültige Vernichtung der polnischen Unabhängigkeit sowie die Eroberung von Lebensraum im Osten. Die Polen sollten als „Untermenschen“ allenfalls als Arbeitskräfte im Deutschen Reich dienen. Daher verfolgten die Deutschen auf den polnischen Gebieten auch eine Politik des Terrors. Schon in den ersten Tagen wurde der Plan der Vernichtung der Juden, der polnischen Eliten und Intelligenz in Angriff genommen. Erschießungen, Verhaftungen, Straßenrazzien und Massendeportationen zur Zwangsarbeit und in Konzentrationslager gehörten schnell zum Alltag.

Warschau als Hauptstadt Polens traf dabei das besondere Augenmerk der Nationalsozialisten. Systematisch zerstörten sie die Stadt, ihre Bewohner und ihre Baudenkmäler. Allein während der Belagerung im September 1939 kamen 6.000 Soldaten und 10.000 Zivilisten ums Leben und lagen bereits 10 Prozent der Gebäude in Trümmern. Als die Nationalsozialisten dann 1942 mit der systematischen Vernichtung der Juden begannen, mussten allein in Warschau 400.000 Juden ihr Leben lassen. Der Warschauer Ghetto-Aufstand vom April 1943 sowie der in Warschau zentrierte und teilweise erfolgreiche polnische Untergrundstaat leisteten ein Übriges, dass der Zorn der Besatzer auf die polnische Hauptstadt ins Unermessliche wuchs.

Polnischer Untergrundstaat

In der Tat stellt das Staatswesen im Untergrund, das die Polen unter der deutschen und sowjetischen Besatzung aufbauten, bis heute ein Phänomen im Weltmaßstab dar. Die konspirativen Zivil- und Militärstrukturen unterstanden dabei der legitimen Exilregierung, die seit dem verlorenen Verteidigungskrieg von 1939 in Rumänien saß. Von dort aus übte sie Aufsicht über die Zivil- und Militärbehörden im besetzten Polen aus, die wiederum ein landesweites Untergrundnetz mit der über 300.000 Mann starken Heimatarmee als Untergrundarmee bildeten. Auf diese Art und Weise konnte der militärische Untergrund erfolgreich Sabotageaktionen gegen deutsche Rohstofflager, Verkehrsnetze und Waffenfabriken durchführen. Während der Besatzungszeit fanden so über 730.000 solcher Einsätze statt.

Die im Untergrund agierenden Zivil- und Militärbehörden waren es auch, die die Pläne eines allgemeinen Aufstands, der zeitgleich mit der entscheidenden Offensive der Alliierten beginnen sollte, erstellten. Als die deutschen Niederlagen und Rückzüge und das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 ein baldiges Ende des „Dritten Reiches“ näher rücken ließen, wurden diese Pläne mehr denn je konkret und Realität. Die Anführer des polnischen Untergrundstaates wollten Warschau aus eigener Kraft noch vor dem Einmarsch der Roten Armee, die im Sommer 1944 vor Warschau stand, befreien. Dies sollte auch als Zeichen dafür verstanden werden, dass die Polen den Kampf gegen die deutschen Besatzer nicht aufgegeben hatten und auf die Unabhängigkeit nicht verzichten wollten. Als am 31. Juli 1944 sowjetische Panzer am Stadtrand von Warschau auftauchten, erteilte der Befehlshaber der Untergrundarmee, General Tadeusz Komorowski, den entscheidenden Befehl: Am nächsten Tag um 17 Uhr sollte der Aufstand beginnen.

Kampf mit ungleichen Mitteln

Doch der Aufstand war von Anfang an ein Kampf mit ungleichen Mitteln: Die meisten Aufständischen verfügten nur über Granaten und Benzinflaschen. Feuerwaffen erbeuteten sie im Kampf und tauschten sie dann untereinander aus. Die Deutschen dagegen setzten gegen die Kämpfer Artillerie, Luftwaffe und Panzer ein, vor denen sie gefangen genommene Zivilisten hertrieben. Die Besatzer setzten ganze Häuserblocks in Brand. Endgültig besiegelt wurde das Schicksal der Stadt und seiner Bewohner durch den Befehl Hitlers und Heinrich Himmlers zur kompletten Auslöschung Warschaus und seiner Bevölkerung. Die Art und Weise, wie der Befehl ab August von den SS- und Polizeikräften als auch Wehrmachtseinheiten ausgeführt wurde, kam einem Völkermord gleich: Die Deutschen töteten nicht nur verwundete und gefangen genommene Soldaten des Aufstands, sondern auch die Zivilisten: Kinder, Frauen und ältere Menschen.

Anfang Oktober verteidigten die Aufständischen nur noch in der Innenstadt. Die Verluste waren immens: über 18.000 Soldaten und zwischen 130.000 und 150.000 Zivilisten. Angesichts der ausbleibenden Unterstützung durch die Alliierten und auch der Zurückhaltung der Roten Armee sowie des Mangels an Lebensmitteln und des Leids der Zivilbevölkerung hielt man den weiteren Kampf für sinnlos. Am 2. Oktober wurde ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen, dem aber Hitler am 11. Oktober die Anordnung für die weitere totale Zerstörung Warschaus entgegensetzte. Nach der Vertreibung der verbliebenen Bewohner plünderten und zerstörten deutsche Einheiten daraufhin wochenlang die Stadt – mit jenem bekannten Zahlenergebnis, was die Menschen und Gebäude Warschaus betrifft. Neben der Schlacht von Stalingrad stellt der Warschauer Aufstand somit die größte Schlacht in einer Stadt während des Zweiten Weltkriegs dar.

Ausstellungsort mit Symbolkraft

Um dieses Verbrechen der Deutschen in Warschau wieder in Erinnerung zu rufen, hat das NS-Dokumentationszentrum die Ausstellung „Der Warschauer Aufstand 1944“ mit Unterstützung des Polnischen Generalkonsulats in die Landeshauptstadt gebracht. Winfried Nerdinger, der Gründungsdirektor des NS-Dokumentationszentrums, glaubt, dass es keine bessere Einführung in die Beziehung von Polen und Deutschland gibt und dass der Warschauer Aufstand bislang viel zu wenig bekannt ist. „Ich bin davon überzeugt, dass durch die Darstellung des Warschauer Aufstands nicht nur die Geschichte von Warschau, sondern auch die polnische Geschichte verständlicher sein wird“, erklärte auch der Generalkonsul der Republik Polen in München, Andrzej Osiak, anlässlich der Eröffnung der Sonderausstellung.

Für Jan Oldakowski ist mit dem neuen Ort der Sonderausstellung überdies eine wichtige Symbolkraft verbunden: „Wir sind froh, dass wir hier die Ausstellung zeigen dürfen“, so Oldakowski bei der Ausstellungseröffnung in München. Oldakowski ist der Direktor des „Museums des Warschauer Aufstands“, das die Präsentation konzipierte. 2014 gastierte die Ausstellung, die unter der Schirmherrschaft des Präsidenten der Republik Polen, Andrzej Duda, und des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck steht, bereits in der Berliner „Topographie des Terrors“ und wurde dort zum Publikumsmagneten. Für München wünscht sich Oldakowski: „Ich hoffe, dass die Ausstellung an dem so wichtigen Gedenkort in der bayerischen Landeshauptstadt, einem Ort der Dokumentation und Bildung, auf großes Interesse stoßen wird.“

Sonderausstellung „Der Warschauer Aufstand 1944“:

Die Sonderausstellung, die bis 28. Februar 2016 läuft, ist zu den regulären Öffnungszeiten und Eintrittspreisen des NS-Dokumentationszentrums und dessen Dauerausstellung zu besichtigen. Nähere Informationen unter www.ns-dokuzentrum-muenchen.de.