Heuer im 20. Jubiläumsjahr: die Faust-Festspiele auf der Festung Rosenberg im oberfränkischen Kronach. (BK/dia)
Faust-Festspiele

Theater wie im Kino

20 Jahre Faust-Festspiele, 500. Geburtstag Lucas Cranachs des Jüngeren: Kronach, die Geburtsstadt Lucas Cranachs des Älteren, hat im Cranach-Jahr jede Menge zu feiern. Um die runden Jubiläen voll zu machen, entschied sich die Festspielleitung dieses Jahr beim Komödien-Stück der Spiele für ein Werk des vor 200 Jahren in Paris geborenen Lustspieldichters Eugène Labiche.

Ferdinand will heiraten, aber ausgerechnet am Tag der Hochzeit passiert ihm ein kleines Missgeschick: Das Pferd seiner Droschke frisst den teuren Florentinerhut einer feinen Dame. Dummerweise war die Dame gerade mit ihrem Liebhaber unterwegs, und wenn sie nun ohne den Hut nach Hause kommt, würde ihr Gatte von ihrer Untreue erfahren. Ferdinand – bedroht von dem Liebhaber, einem jungen feurigen Leutnant – versucht nun in größter Panik, das wilde Pärchen zu beruhigen, einen neuen Hut zu besorgen und gleichzeitig noch zu heiraten. Dabei ist er natürlich stets bemüht, seiner Braut, seinem Schwiegervater sowie der gesamten Hochzeitsgesellschaft alles zu verheimlichen. So stolpert er – immer verfolgt von seinem Schwiegervater und allen Verwandten – von einem Missgeschick ins andere – und die Verwechslungen und Verhängnisse nehmen ihren Lauf.

Theater volksnah und wie im Kino

In seinem Entstehungsjahr 1851 lief das Lustspiel mit triumphalem Erfolg drei Monate in Paris ohne Unterbrechung. Zum 200. Geburtstag seines Schöpfers, des französischen Lustspieldichters Eugène Labiche, präsentieren es die Festspiele in einer Inszenierung von Heidemarie Wellmann „als großen, bunten, vergnüglichen Abend mit viel guter Laune, prachtvollen Kostümen, Musik und Humor“. Die Macher haben nicht zu viel versprochen: Mit einer schier grenzenlosen Agilität und immer wieder unterlegt von fetziger Musik kämpft Wellmann, die selbst den Ferdinand gibt, an gleich mehreren Fronten, läuft die Hochzeitsgesellschaft tanzend um den in der Mitte des Theaterspielplatzes stehenden Baum und wiederholen Julia Knauer als Braut, dass sie eine Nadel zwicke, Daniel Leistner als Brautvater, dass alles zwischen dem Brautpaar aus sei, und Andreas Mannkopff als Onkel Taubstöckel, dass sich endlich etwas rühre.

Und das alles mitten im Freien auf dem Gelände der hoch über Kronach thronenden Festung Rosenberg mit den mittelalterlichen Gemäuern im Hintergrund und dem dichten Frankenwald im Vordergrund – beziehungsweise im Hintergrund als Bühnenbild. „Die großen Klassiker volksnah“ und „Theater wie Kino“ – diesen beiden Leitsprüchen verpflichten sich die Festspiele seit 20 Jahren. Die Festspiele wollen laut ihrer Organisatoren, allen voran ihres langjährigen Intendanten Daniel Leistner, Theater verständlich, begreifbar und fassbar machen; sie wollen nicht verschrecken oder verstören, sondern packen und unterhalten. Die Menschen sollen, so das Konzept, mit der gleichen Entspannung und Freude ins Theater gehen, mit der sie auch ins Kino gehen oder fernsehen – und das auch wenn die Klassiker der Weltliteratur geboten sind.

Jedes Jahr Kronacher „Faust“-Inszenierung

Begonnen hatte alles mit dem Literatur-Klassiker schlechthin: Goethes „Faust“. Eine Laienschauspielbühne hatte es in Kronach schon seit Beginn der 1980er Jahre gegeben. Als sogenannte „Werkbühne“ war das Theater eine offene Kultureinrichtung, die sowohl von Schulen als auch verschiedenen freien Gruppen bespielt wurde. Als die Laienschauspieltruppen 1994 ihren Spielort verloren, wichen die „Werkbühnler“ auf einen anderen Standort aus: die Festung Rosenberg. So fand im Sommer 1994 im Zeughaushof der Festung die erste Freilichttheater-Aufführung statt. Gespielt wurde „Faust I“. Stadt und Landkreis Kronach hielten daraufhin die Ensemble-Mitglieder an, die Aufführung als Freilichttheater und Festspiele einmal im Jahr fest im kulturellen Programm der Region zu verankern.

Seitdem präsentieren die Faust-Festspiele jedes Jahr das Stück ihrer Geburtsstunde und seit 1996 zusätzlich durchschnittlich zwei weitere Stücke der Weltliteratur. Mit Erfolg: Die immer im Juli und August stattfindenden Festspiele sind längst weit über die Region hinaus bekannt. Und auch „Dauerbrenner“ „Faust“ hat seine Anziehungskraft bis heute nicht verloren. Das liegt sicherlich an der Kronacher Leistner‘schen Inszenierung, die in sehr konzentrierter, geradliniger Form daherkommt, ohne jedoch zu viel Inhalt und Elemente wegzulassen. Die Geschichte bleibt in ihrem Ablauf logisch und nachvollziehbar, im Gegensatz zu ihrer Vorlage sogar ohne Verfremdungen und Brüche. Betont wird die Inszenierung mit den Mitteln der Filmästhetik und historischer Kostüme. Faust selbst wird erneut von „Interpret“ Leistner selbst gespielt, sein Gegenspieler Mephisto wird dieses Jahr erstmals von Udo-Jürgens-Musical-Star Uli Scherbel dargestellt.

Kronach ist stolz auf den berühmtesten Sohn der Stadt

Faust treu bleiben, wollen Stadt wie Festspielleitung schon allein auch deswegen, weil der historische Faust ein Zeitgenosse des berühmten Malers und Grafikers Lucas Cranach der Ältere war. Beide waren typische Renaissance-Menschen, sich lösend von den Glaubens- und Gedankenfesseln des Mittelalters. Cranach und Faust gingen an der Zeitenwende zwischen Mittelalter und Renaissance konsequent ihren eigenen Weg: nach Erkenntnis strebend, suchend, forschend, als Künstler, Unternehmer und Wissenschaftler. Und auch Goethe und Cranach selbst haben Gemeinsamkeiten: Goethe war ein sogenannter „Cranachide“, ein Nachfahre von Lucas Cranach dem Älteren, der dessen Urgroßvater 7. Grades war. Dass Goethe bei seiner Rückkehr von seiner Italien-Reise nach Weimar 1797 in Kronach im ehemaligen „Gasthof zur Post“ nächtigte und dabei bestimmt auch an Cranachs Herkunft dachte, nimmt sich demgegenüber fast bedeutungslos aus.

Jedenfalls zeigt sich die Stadt heute mächtig stolz darauf, die Geburtsstadt Lucas Cranachs des Älteren zu sein. Sie bezeichnet sich daher auch als „Lucas-Cranach-Stadt“. Umgekehrt hatte Cranach sich, wie das viele Künstler seiner Zeit taten, nach seiner Geburtsstadt benannt. Cranachs Vater war dort bereits als Maler tätig, legte somit den Grundstock für den beruflichen Werdegang seines Sohnes. Die geschichtlichen Spuren der Familie in der Stadt, genauer gesagt Oberen Altstadt, hat die Stadt für Touristen und Interessierte in Form eines handybasierten Audioguides nachgezeichnet. Die Ergebnisse beziehungsweise Zeugnisse von Lucas Cranachs Ausnahmetalent finden sich dann etwas höher gelegen wieder: in der Fränkischen Galerie auf der Festung. Dort betreibt das Bayerische Nationalmuseum München seit 1983 ein Zweigmuseum für fränkische Kunst aus der Spätgotik und der Renaissance. Neben Werken von Cranach finden sich in 25 Schauräumen auch jene eines Tilman Riemenschneider oder Hans von Kulmbach.

Faust-Festspiele 2015:

  • Die Faust-Festspiele wurden am 1. Juli eröffnet und finden noch bis 29. August statt.
  • Aufgeführt werden dieses Jahr Johann Wolfgang von Goethes „Faust I“, Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“ und Eugène Labiches „Der Florentinerhut“.
  • Aufführungsabende sind in der Regel Donnerstag bis Sonntag. Beginn der Aufführungen ist jeweils 20.30 Uhr. Die Karten kosten zwischen 19 Euro und 25 Euro, ermäßigt zwischen 12 Euro und 18 Euro.
  • Mit der Aufführung von „Der Florentinerhut“ beginnt am 13. August zugleich das Kronacher Freischießen (bis 23. August), eines der größten Volksfeste Nordbayerns.
  • Weitere Informationen unter: www.faust-festspiele.de.