Haupt-Sache Bayreuth: Für kühle Köpfe auf dem heißen Hügel - Cooling-Shampoo mit Festspielhaus auf dem Etikett. (Foto: dm)
Oper

Mit Hund und Haar

"Wahn! Wahn! Überall Wahn" - mit den "Meistersingern" beginnen die Bayreuther Festspiele: Regisseur Barrie Kosky schickt Wagners Lieblingshunde auf die Bühne, der Drogeriemarkt in der Richard-Wagner-Straße bietet Opern-Shampoo zur Abkühlung,

Auf den Hund gekommen wäre Bayreuth früher oder später sowieso. Aber Opern-Regisseur Barrie Kosky hat sich so vehement dafür eingesetzt, wie früher nur der „Meister“ selbst. Als Kosky im Frühsommer seinen Vierbeiner Sammy zu den ersten Proben für die Neuinszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“ auf den Grünen Hügel mitbringt, hält ihn der Sicherheitsmann an der Pforte auf. „Wo ist der Ausweis für den Hund?“, fordert er. In vollem Ernst, wie sich herausstellt. Kosky und der Portier debattieren eine halbe Stunde lang, zur Klärung des Disputs rufen sie schließlich Festspielleiterin Katharina Wagner an. Die verfügt: Sammy darf mit Herrchen zur Arbeit gehen. Ohne Haus-Ausweis.

Auferstehung von Wagners Wauwaus

Eine tierisch pragmatische Ausnahme vom strengen Sicherheitskonzept, das die weltberühmten Festspiele in Zeiten des Terrors praktizieren. Seit der Präzedenz-Regelung nimmt Opernmacher Kosky seinen Sammy überallhin mit. Sogar zu den Hunde-Gräbern im Garten der Villa Wahnfried, in denen Komponist Richard Wagner laut Grabstein seine „treuen Wächter“ Ruß und Marke bestattet hat. Obendrein hat der Regisseur für die „Meistersinger“ von einer fränkischen Züchterin zwei Neufundländer engagiert. Danny und Bingo begleiten den Bassbariton Michael Volle, der den Schuster Hans Sachs gibt, in einer Szene auf die Bühne, bekommen ein Leckerli und traben wieder ab. Solange Volle nicht ins „Bayreuth-Bellen“ verfällt, wie Kritiker einst allzu martialischen Wagner-Gesang schmähten, gelingt der Auftritt.

Die zottelige Besetzung ist nicht ohne Hintersinn – denn Ruß und Marke waren zwei Neufundländer mit schwarzem Wuschelhaar. So wie Danny und Bingo, die aber hoffentlich besser erzogen sind als Wagners Wauwaus. Ruß rupfte schon mal einem Pfauen sämtliche Schwanzfedern aus, Marke biss ein Huhn tot.

Komödiant auf dem Hügel

Gut gelaunt versichert Hundehalter Kosky: „Bayreuth ist Comedy.“ Noch jedes Jahr ist das Frankenstädtchen auf irgendeine kuriose Art seinem Ruf als Sommerfrische für deutsche Schrulligkeiten gerecht geworden. Ein nationales Opernheiligtum – dieses Jahr mit Hunden auf und hinter der Bühne. Mit ironischem Sinn für Leichtigkeit setzt der Australier Kosky, der sonst die Komische Oper in Berlin leitet, die „Meistersinger“ in Szene. Kommende Woche am Dienstag ist Premiere.

Wir müssen uns dieses Jahr nicht verstecken. Barrie Kosky ist ein wunderbarer Regisseur und sprüht vor Ideen und Kreativität.

Katharina Wagner, Festspiel-Chefin

Als erster jüdisch-stämmiger Regisseur auf dem Hügel überhaupt nähert sich der 50-Jährige jener Oper, welche die Nationalsozialisten zu ihren Nürnberger Reichsparteitagen pompös inszenieren ließen. Aber er will sich von antisemitischen Aspekten in dem Werk, etwa in der Figur des Merkers Beckmesser, nicht allzu negativ beeinflussen lassen. Auch wenn er sich ein wenig über Wagners Heilewelt-Mittelalter wundert, wie er der Jüdischen Allgemeinen anvertraute: „In Wagners Version dieser Utopie gibt es nur Deutsche, das Wetter ist immer schön, und die Menschen sind alle Handwerker.“

Lange habe er ein Problem mit dem Stück gehabt, gesteht Kosky, inzwischen aber er einen Umgang damit gefunden. „Es geht nicht um deutsche Identität im Allgemeinen, sondern um Wagners Vorstellung vom Deutschsein“, erklärte er dem Magazin Focus. Um Kunst und die Verbindung zur Nationalität. Heikel allerdings findet er, dass der Chor am Schluss „Heil! Heil! Heil!“ intoniert. Dieser Gesang dürfe „keinesfalls bombastisch rüberkommen, sondern fröhlich“.

Ein Käfig voller Handwerker

In Berlin hat der Intendant Kosky sein Haus mit frechen, meist schrill überdrehten, aber äußerst musikalischen und hintergründigen Opern- und Operetten-Inszenierungen zu großem Publikumserfolg geführt. Schweres leicht zu machen und mit Witz versteckte Zusammenhänge aufzudecken, ist sein Metier. Ähnliches ist auch für die historisch als nationales Sangesgroßkunstwerk überfrachteten „Meistersinger“ bei den Bayreuther Festspielen zu erwarten. Ein Käfig voller Handwerker. Sicherlich werde Koskys Regie-Arbeit „Anlass für Kontroversen“ liefern, freut sich bereits Toni Schmid, Chef des Verwaltungsrates der Festspiele, im Gespräch mit dem Bayernkurier.

Alles steht und fällt mit den Darstellern, und da haben wir die Allerbesten.

Barrie Kosky, Regisseur

Eine formidable Besetzung lockt die Hügel-Gäste, neben Volle als Sachs der Star-Tenor Klaus Florian Vogt als Stolzing, die Sopranistin Anne Schwanewilms als Eve und Bariton Johannes Martin Kränzle als Beckmesser. Zusammen mit Dirigent Philippe Jordan von der Pariser Nationaloper, der im so genannten „mystischen Abgrund“ des sommerheißen Orchestergrabens die Musiker in T-Shirts und kurzen Hosen leitet, feiert Kosky sein Ensemble schon vorab: „Da haben wir die Allerbesten.“ Aus Musik und Text hört er nicht nur die deutsche Identitässuche des 19. Jahrhunderts Wagner’scher Prägung heraus, sondern auch die Einflüsse der Brüder Grimm, E.T.A. Hoffmanns, Heinrich Heines.

Märchenhaftes für Könige und Kanzlerinnen

Zur Premiere in der kommenden Woche hat sich royaler Besuch angekündigt: Das schwedische Königspaar Carl Gustav und Silvia will auf den harten Holzstühlen im Festspielhaus Platz nehmen. Hinzu kommen Bundeskanzlerin Angela Merkel nebst ihrem opernaffinen Gatten Joachim Sauer, Ministerpräsident Horst Seehofer, Bundestagspräsident Norbert Lammert und der slowakische Staatspräsident Andrej Kiska, Ex-Sportler wie das Skifahrer-Paar Rosi Mittermeier und Christian Neureuther, Schauspieler wie Michaela May, Harald Krassnitzer und der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Laut Wettervorhersage können sie bei angenehmen Temperaturen von 21 Grad ins unklimatisierte Festspielhaus gehen. Bloß die Zamperl, sofern die Prominenten welche besitzen, müssen leider draußen bleiben.